Die Hölle

Ein Penthouse in der Gleimstrasse. Eigener Aufzug. Schon ist man im Herz eines innenarchitektonischen Showcase. Die Gastgeberin wird vierzig. Ihr Vater hat die Intervalle der Power Point Präsentation bis ins Unerträgliche langgezogen. Jedes Kinderfoto drei Minuten. Viel zu viel Zeit für Schnippisches. Der DJ trägt einen türkisen Anzug und die Musik einen langen, langen Bart. Im Catering der Sohn des Hauses, zu seinen Diensten das Britpopmädchen aus Rostock, die mich aus dem Magnet kennt.

Überhaupt der Satz der Saison: „Ich kenn dich von irgendwoher.“ Eigentlich mein Text, wenn mir gar nichts mehr einfällt. Wer einen schon aller gesehen haben will. Und wo überall. Man sagt mir nach, ich tanze gern auf mehreren Hochzeiten, doch man überschätzt mein Makeltalent. Die Drinks sind gut. Die Badewannen zahlreich. Das Chemofeuer in mir lässt mich ziemlich unreflektiert über Sex erzählen. Man ist ja unter sich, denkt man fälschlicherweise unter Chemikalien. Man ist nie unter ich. Das geht rein technisch gar nicht. Das Licht wird gedimmt und die Leute sind betrunken genug zum engtanzen.

It’s raining men, halleluja, it’s raining men, every specimen.

Ich würde lieber „Raining Blood“ hören.

Man beginnt, sich zwangsweise für einander zu interessieren und hört: „Sie ist offen für alles. Und das ist übrigens ihr Verlobter.“ Als die Chemoflammen sich an meinen Beinen höher fressen, fängt es an, mir in der Ironiehölle zu gefallen. Gefährliche Aussöhnung mit dem Klassenfeind. Die Gastgeber sind plötzlich nette Leute. Das lässt sich selbst mit Gewalt nicht mehr leugnen. Und ich bin mittlerweile gerne hier und auch der Jüngste, vom Junior und dem Britpopmädchen mal abgesehen. Ich versuche einen unbemerkten Augenblick lang, an was Tristes zu denken, an etwas Unpassendes, an etwas, das mich von der guten Stimmung fernhält, aber es fällt mir nichts ein.

12 comments / Add your comment below

  1. Was für ein Zufall. Habe eben zum Praktikanten gesagt, dass ich Regen-Songs liebe. Im Gegensatz zu Dir. Von den gelisteten Songs mag ich allerdings nur einen.

    Es gibt so gute Regen-Songs, weiß gar nicht, was Du hast.
    „I can see clearly now“ von Johnny Nash ist doch Schnulze at its best. „Rain Song Lyrics“ Led Zepplin läßt mich an Mama denken.“Ain’t Gonna Rain Any More“ von Nick Cave and the Bad Seed kann ich immer wieder hören. „Come Rain or come shine“ ist ein Jazz-Klassiker, den ich häufig beim Abwaschen singe. Und in einem der zwei Doors Songs, die ich ertrage, nämlich „The End“, regnet es Sommerregen. Und „Why Does it Always Rain on Me?“ von Travis finde ich nicht umwerfend, aber manchmal hüpfen die Lyrics mir ins Hirn, wenn ich mich bedauere und mich genau SO fühle.

    Noch lieber mag ich Regen auf der Haut. So gehabt am Sonntag ganz früh, als ich auf dem Gepäckträger eines Freundes bis vor die Ufertür chauffiert wurde.

    Fühlt sich an. als wäre ich bei der Party dabei gewesen, so schön sind Deine Bilder gemalt. Ich kenne diese Abende, an denen ich mehr erzähle, als Fremde je wissen sollten.

  2. hab nur darauf gewartet, dass mir jemand ein paar gute regensongs aufzählt. war ja auch ein wenig polemisch in dem post. so wie der ganze partybericht eine ziemlich subjektive momentaufnahme is. aber ich bin ja kein nightlife reporter. danach nahm der kuriositätsfaktor des abends leider rapide ab. das restprogramm war nur noch eine beschäftigungsmaßnahme. aber mehr dazu an anderer stelle.

  3. okeeechen. dann nenn ich ausnahmsweise auch noch einen regensong der mir gefällt: guano apes – rain. HAHA! nicht im traum. die guano spastis sind der letzte industriemüll dieser unmusiknation. hier is ein guter: Bob Dylan: A Hard Rain’s Gonna Fall. halbwegs okay: blind melon – no rain. geht grade noch: prince – purple rain. und noch ein schlimmer: guns n roses – november rain.

  4. ich kann noch tiefer dudeln: „rain drops keep falling on my head“. ich mail gleich mal an rtl. dann haben sie endlich eine neue idee für ihre „chartshows“. die neunundneunzig besten regensongs. oder zum sommer hin sonnensongs. schneesongs. sturm…

  5. bitte beteilige mich an den tantiemen. und nicht vergessen, vorher ungeöffnetes mail, äh versiegelten brief mit der idee an dich selbst schicken.

    auch gut: wochentag songs.heute:

    boomtown rats – i don’t like mondays
    wilco – monday
    tegan & sara – monday monday monday
    new order – blue monday
    bangles – manic monday
    nofx – monday
    van morrison – stormy Monday
    new radicals – crying like a church on monday

  6. Das mit dem Chemofeuer musst Du mir nochmal erklären…

    Und: Ging die Britpop-Tante denn trotz Verlobtem noch frisch?

    Rainsong:
    Beginner – City Blues.

    „Hier sind die Beginner
    Erzählen aus ihrem Leben im Regen
    Denn bei euch im Süden von der Elbe
    Da ist das Leben nicht dasselbe.
    Der Winter ist hart, der Sommer n Witz
    Der schöne Tag am See, endet mit Donner und Blitz.
    Der Wind peitscht Kragen hoch, Kopf runter, Tunnelblick,
    die Pullis und Jacken machen Magersüchtige pummelig.
    Wir müssen mit allem rechnen, weil man hier sonst erfriert,
    Deswegen wirken wir so komisch und so kompliziert.
    So viele Strapazen und dennoch kein Grund umzusiedeln
    Das Herz am rechten Fleck, die Füße in Gummistiefeln.
    Der Grund warum die Leute hier gern leben,
    weil die Leute erst fühlen dann denken, dann reden.
    Und egal wie es nervt, dass ständige Grau, dass Sonnenlose
    Wir zeigen stets Flagge rot weiß wie Pommessauce.“

    JA, ich mag´ die Beginner. Slayer ist aber auch okay. :)

  7. danke, geiler beginner text. die haben auch echt das herz am rechten fleck. das feuer zünd ich dir selbst mal an bei gelegenheit. und die britpoptante war nicht die schwester der gastgeberin. zwei verschiedene baustellen.

  8. weisst du eigentlich, dass du über aol-browser mit kindersicherung nicht zu erreichen bist? was für leichen hast du in dem blogkeller :) ich habe noch keine gefunden, die das rechtfertigen würde.

  9. Ja, der Beginner Text ist großartig [musikalisch auch mein Ding]… werd nur das Gefühl nicht los, dass unser Kieler MC die Hamburgensien ausgelassen hat…

    Dafür dann eben Superpunk mit *Ich weigere mich aufzugeben*

    Manchmal kommt es mir so vor
    Als sei ich umstellt
    Auf einem Platz in Bolivien
    Und wenn der Regen schwer
    Auf Hamburg fällt
    Kommt es mir so vor
    Als regnet es überall auf der Welt

    Doch es gibt nur ein Leben
    Und deshalb weiger ich mich aufzugeben

    […]

  10. at bs-choc: aha, hin und wieder geraten leute auf die seite, weil sie bei google pornoblog eingeben. kontext is mir aber entfallen und auch sonst war ich in meinen nicht mal zwei monaten bisher recht zivil. aber wenn ich eh schon zensiert werde, könnwa das auch ab jetzt ändern, verdammte hurenscheiße nochmal;)

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