Sie lagern schwarz um meine Stirn

Es war wohl zwei Tage vor Allerheiligen als ich da stand und das Schwarz lief mir aus den Augen hinaus. Es war jämmerlich kalt und ich stand am Platz der Luftbrücke und wartete auf einen Kollegen, der entgegen meines Wissens längst eingetroffen war. Ich war sämtlich in Schwarz gekleidet und das Schwarz lief mir aus den Augen. Es war fürchterlich kalt und ich stand da und wartete und bemerkte diesen schwarzen Punkt an meinem Finger. Ich hielt ihn zunächst für Dreck doch er war ein schwarzer unentfernbarer Punkt. Das Schwarz lief mir aus den Augen hinaus als ich an dem Punkt kratzte und biss und er einfach nicht verschwinden wollte. Es war zum Hunds Erbarmen kalt und der Kollege kam nicht, weil er längst da war wo ich hin wollte.

Wenn der schwarze Punkt an meinem Finger nun einen Krebs markierte. Wenn nun alles für die Katz gewesen ist. Das ganze Freischwimmen, die Absolution, der neue, eingeschlagene Weg. Was wenn das alles umsonst war. Was, wenn heute hier und nachts das Ende anfing. Und ich hatte mich noch so schäbig über den Gevatter lustig gemacht. Was für eine Farce, was für ein Satyrspiel. In dieser gottlosen Kälte, ganz in Schwarz gekleidet mit meinem schwarzen Schal und dem schwarzen Punkt an meinem Finger.

Das Schwarz lief mir aus den Augen hinaus, während ich mir fast den Finger abbiss. Als das getrocknete Blut endlich abfiel und der schwarze Punkt weg war, rief mein Kollege von dort an, wo ich hin wollte. Und als ich ankam, ganz in Schwarz, aus dieser seelenlosen Kälte um Allerheiligen, als ich ankam, war drinnen Licht und Musik und das schönste Mädchen, das ich seit acht Jahren gesehen hatte. Ihre hellen Beine waren in weißen Stiefeln und sie sah mich mit dunklen Augen an, während das Schwarz noch immer aus meinen Augen hinauslief, aber langsam nur noch.

16 comments / Add your comment below

  1. Im ersten Moment dachte ich: Donnerknispel, Burns ist jetzt Henk van Helvete! Dann dachte ich: Du irrst! Dann dachte ich: Ein wahnsinniger Text. Back in black? Thumbs up!

  2. Ja, die schönen Mädchen sind äußerst selten geworden. Aber wenn man dann mal eine trifft, bleibt einem auch schon mal für einen kurzen Moment das Herz stehen, und man sieht den hellen Fleck am Ende des schwarzen Tunnels.

  3. Aha, erst ein dunkler Text – fast schwarz – dann kommt eine kurze Nachrichteneinblendung und direkt darunter beginnen die Kommentare mit 5 haben herzlich gelacht

  4. Die Mädchen mit den schwarzen Augen dürfen sich also offenbar selbst Affronts wie weiße Stiefel leisten (aber das sag ich jetzt nur. Ich bin, so modisch gesehen, mit Sicherheit nicht up to date, weil ich keine Frauenmagazine lese und kein Fernsehen gucke). Wenn es das schönste war, das er seit acht Jahren gesehen hatte und das Schwarz langsamer aus seinen Augen lief, muß es ja beeindruckend gewesen sein, das weißbestiefelte Geschöpf!

    Marilyn Manson fällt mir ein. Warum nur?

  5. durch die schwärzeste nacht gereist steigt dir aus finsternis empor, was wir erlösung nennen. ein engel, das hell und dunkel, ein wesen, das nie dagewesen…
    sie sind, mit verlaub, ein wunderbarer romantiker. oh ja.

  6. du weisst, dass schwarz die farbe der wahl diese saison ist und du mit schwarz auslaufenden augen völlig richtig liegst. danke für die aufhellenden stiefel. there is still hope, is there?

  7. Ich hab mal einem aus einer süddeutschen Denkfabrik ein Buch geschenkt. Vorne drin ein Bazi-Gedicht als Widmung:

    Blaue Nacht
    schwarzer Tag
    das Leben ist nur
    eine Frage
    der Beleuchtung

    Das schenke ich jetzt dir. Nicht als Kopie. Es ist eine Zweitschrift.

  8. Schal ist der doch, der Geschmack von geschenkten Gäulen. Und ich werd ganz fahl, bei dem Gedanken, dass es da draußen Idioten geben könnte, die mir was schenken wollen würden. Ich bin undankbar, hört ihr?! Undankbar!

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