Rage Against The Spülmachine

„Get your rocks off, get your rocks off hon…“. Und schon spritzen die Glasscherben und bohren sich in die Hände vom Kollegen Dürmeier.

Während er blutend und leise fluchend am Boden zwischen all den Gläsern sitzt, liegen wir brüllend übereinander. Das letzte „Honey“ des Primal Scream Songs hat er nicht mehr geschafft, da ist er schon über die offene Schublade der fremden Spülmaschine gestolpert, hat sie mit der Wucht seines heranstürmenden Tanzbeins herausgerissen und ist mit den Händen zuerst in den Gläsern gelandet. Zu tief hineingeschaut hat er schon Stunden früher.

Das traditionelle Geiselhöringer Volksfest war eine alljährliche Demarkationslinie zwischen normaler Wochenendbetrinkerei und der totalen Selbstvernichtung. Eine weitere Tradition oblag uns in der Inbeschlagnahme des elterlichen Behäusnisses einer Klassenkameradin. Nun muss man wissen, dass ich im Vorjahr noch eine Liaison mit der jüngeren Tochter des Hauses unterhielt, die aber das Folgejahr nicht überdauerte und meinen Schlafplatz vom Vorjahr jetzt ein grobschlächtiger Bauernbub aus dem benachbarten Sünching einnahm. Und obwohl, glaub ich, ich selbst Schluss gemacht hatte, will man so eine arg willkürliche Thronfolge nicht im Nüchternen auf sich sitzen lassen, geschweige denn im Vollsuff. So vertrieb ich mir mit meinem Bierbattaillon die Zeit nach Zeltschluß damit, Tennisbälle und Schuhe auf die Tür zu werfen, hinter der die jüngere Tochter des Hauses mit ihrem Sauhund nächtigte oder sonstwas unternahm.

Die ältere Tochter des Hauses verwies uns ob der Türrahmen der jüngeren Tochter beschädigenden Ruhestörung des ersten Stocks und so randalierten wir im Erdgeschoss weiter. Die mondäne Wohnküche schien uns ein geeigneter Ort zu sein. Wir installierten Primal Scream und weitere Hits der Saison in der Stereostation und tanzten wie bekloppt durch die Wohnung. Der Kollege Dürmeier zog es allerdings vor, im Arbeitsbereich der Küche das Tanzbein zu schwingen und eben das hieb er dann in die Spülmaschine und dezimierte dadurch deren Einzelbestandteile, was uns einen panischen Lachanfall, ihm blutige Hände, dem einheimischen Geschirr einen unfassbaren Scherbenhaufen und der Gastgeberin ein händeringendes: „Es spinnts ja total“ entrang. Das war dann auch das letzte Mal, das wir dort einkehrten und für mich war es auch die letzte Version des Geiselhöringer Volksfestes bis dato.

Wenn ich heute „Rocks“ von Primal Scream höre, bin ich aber wieder da irgendwie. Auf dem Rücken liegend, der Kollege Gelling auf mir drauf, brüllend, feixend auf den armen Kollegen Dürmeier deutend, der mit seinen blutigen Händen da sitzt, sich schämt und schon die Haftpflichtssituation visualisiert, während wir ungehalten „Rage Against The Spülmachine“ skandieren oder noch ein bisschen „Rocks“ weitersingen.

22 comments / Add your comment below

  1. Readable!
    Performable.

    Ist das Geiselhöringer Volksfest mit der Kieler Woche/Oktoberfest zu vergleichen?
    Muss mir dann nämlich für Juni noch eine Spülmaschine kaufen.
    Und bei Amazon gucken.

  2. Genau aus diesem Grund besitze ich keine Spülmaschine…

    Den letzten Tanz in meiner Küche führte ich auf, als eine Bratengabel mit den Zinken voran zu Boden stürzte und ich ihren Fall mir meinem Fuß aufhalten wollte. Musik lief dazu allerdings keine… aber so ein Stummfilm-Slapstick-Klavier hätte sehr gut gepasst.

  3. Ratzke, ick hab erst jar nüscht jerafft wat de meenst mit dit Oochtotone, wa. Denn hab ick dit bee Wikipedidings nachjeschlagn und jefundn. Und ick muss sagen meen Lieber, dit freut mir janz irrsinnig, wat du da jesacht hat. Und ick stimm dir voll zu, dass icke so ne treue heimatseele bin, die sich nie mit so ner mischpoke anschäkern würde, wa.

  4. Herr Burnston, ich möchte Ihnen einmal beim Versuch lauschen, Ihren letzten Kommentar laut und öffentlich vorzulesen. Und in Küchen, finde ich auch, sollte viel mehr getanzt werden. Mit oder ohne Spülmaschine – wozu hat man die Haftpflichtversicherung, wenn man nie was kaputtmacht.

  5. Find ick jetze echt knorke, Alta, det de dir die Mühe jemacht hast und wejens Ootochtoone rüba ins Lexikon. Aba ick hätt da ooch nich anders einjeschätzt, weeste. Bist n urst dufter Typ, echt jetze.

  6. Sehr geehrter Herr Brenner,

    mit diesem Schreiben möchte ich Ihnen meine tiefe Abneigung gegenüber solch einem unzivilisierten Verhalten Ihrerseits Ausdruck verleihen. Nicht nur, daß es Ihnen anscheinend Spaß gemacht hat, sich zügellos zu betrinken, um dann völlig enthemmt fremdes Eigentum mutwillig zu zerstören bzw. dies passiv zu billigen, nein, jetzt meinen Sie auch noch, mittels dieser „Anekdote“ Ihre Leserschaft davon zu überzeugen, daß es keinerlei Konsequenzen mit sich bringe, ab und an einen Exzess zu veranstalten. Ein solches Verhalten kann ich in keinster Weise akzeptieren, aber wie ich dem Kommentar von Frau Modeste entnehmen kann, hat das Unheil schon seinen Lauf genommen. ICH möchte nicht wegen Versicherungsbetruges angeklagt werden! Abschließend möchte ich die Leser eindringlich warnen: Lassen sie die Hände weg vom Teufel Alkohol! Er ist böse, böse, böse.

  7. Gar mißverstehend, werter Herr Entwederoder,

    haben sie wohl meinen Text rezipiert. Wenn meine Leserschaft ihr Gusto im Zerschneiden von Handfächen und Sehnen sucht, darüber hinaus die verachtenswerte Häme, zu der ich mich schämlich bekannt habe, gutheißt und die Konsumation von Alkoholia nicht als Grundübel zum Spülmaschinozid erkennt, dann ist ihr, mit Verlaub mein alter Freund, nicht mehr zu helfen und ich würde dann auch schleunigst abwendig von ihr werden. Pfui, was wäre ich enttäuscht.

    Kommentare wie die von Herrn Fish, Winkler und Frau Modeste belegen doch nur die chamäleonhafte und höchstkompetative Annäherung an meinen provokanten Duktus und sollte eher zu Recht gelobt, statt zurecht gezupft werden. Ich hoffe, Sie sind sich im Bewussten, Herr Entweder, dass wir auf der selben Seite kämpfen.

    Hochwohlbetrunkenst,
    Ihr Jack Daniel Burnston

  8. Sehr geehrter Herr Hochprozentiger,

    zugegeben, ich habe etwas polemisiert. Durchaus bewußt ist mir die Tatsache, daß manchmal ein „herzhafter Schluck aus der Pulle“, wie man so schön sagt, ein probates Mittelchen gegen allerhand Unbehagen und Mißvergnügen sein kann. Auch ich habe in meiner Jugendzeit im Walde das ein oder andere alkoholische Kaltgetränk zu mir genommen. Dennoch fühlte ich mich berufen, mahnend den Finger zu heben, auf daß der gesellschaftliche Zusammenhalt in seinen Grundfesten nicht erschüttert werden wird.

    Wohlsein,

    Ihr Underberg

  9. Ein Abstinenzler ist ein schwacher Mensch, der der Versuchung nachgibt, sich selbst ein Vergnügen zu versagen. Ein totaler Abstinenzler ist jemand, der sich aller Dinge enthält, nur nicht der Abstinenz und vor allem nicht der Einmischung in die Angelegenheiten anderer.

    Darauf dreiund

    der Berg

  10. Es handelte sich, gestrenger Herr Bourbon,

    um einen Fall für Kollege N.’s Haftpflicht wie ich schon andeutete. Dass wir im Haushalt derer von B. ab dann nicht gerade zum inneren Zirkel der gern gesehenen Hausfreunde mehr gehörten, versteht sich ja von selbst. Ich habe mich seiner Zeit allerdings nicht weiter mit der Angelegenheit beschäftigt sondern bin zügig zum nächsten Vorfall geeilt. Wir waren jung und es galt, den Tag zu pflücken, ebenso wie die Nacht und die dort prächtig gedeihenden Blumen des Bösen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert