Buenos Aires in Kreuzberg

Eine geschmacklose Anekdote aus meinem Nachtleben, in der ich im Mittelteil vom Präteritum ins Präsens springe, um dem Leser einen unmittelbaren Eindruck vom Flair der Situation zu vermitteln. Die Pointe aus der Überschrift erschließt sich im Übrigen erst nach mindestens der Hälfte des Artikels. Zumindest wenn man Spanisch kann oder das kleine Latinum hat. Also ausnahmsweise bitte mal mehr als den Anfang und das Ende lesen, liebe Freunde.

Eigentlich alles wunderbar. Sanft und polytox in den Abend hineinsacken. Sich über die milden Straßen Kreuzbergs an diverse Bars und Servicekräfte anschleichen, eine Portion Streetfood Ente beim Vietnamesen, ein bisschen Championsleague, ein bisschen Ronaldinhofresse, ein bisschen Pastis und ein paar Biers, schon ist das Maß voll und der Trakt braucht Durchzug.

Im Lido, wo man – typisch für Berlin – einer innenarchitektonischen Bauruinie pseudogesellschaftliche Funktionalität verleiht, schauten wir uns die zweite Hälfte an und das ohne Luft, Bildqualität und sympathische Menschen dafür aber mit spontanen Bildausfällen. Weil aus dem Spiel, ähnlich wie aus dem Gebäude, kurzzeitig die Luft raus war, beschloss ich, mich auf die Suche nach dem Herrenbadezimmer zu begeben. Ich verließ das Gebäude, betrat es durch einen Nebeneingang erneut, ging eine Treppe hinauf und fand mich in einem leergeräumten Stock mit diversen offenbar sanitär ausgestatteten Zimmern. Keine Menschenseele war zu sehen oder zu hören und eilig hatte ich es dann mittlerweile auch. Also nahm ich mir das erstbeste Scheißhaus vor, aber so richtig.

Als ich fertig war und meinen erleichterten Gesichtsausdruck nochmal im Spiegel sehen wollte, öffnete ich die Tür, damit das Licht vom Gang mein Anlitz erhellen konnte und der Durchzug meine ungeheuerliche Duftmarke in die Weite der Kreuzberger Nacht verscheuchen konnte. Doch was muss ich sehen, als ich die Tür zum Gang öffne? Ein vorlautes Mädchen steht mitten im Ausströmungsfeld meines Dampfhammers und quäkt etwas von:

„Jibt et hier Klopapier?“
„Ja, ja.“ antworte ich ertappt und der Stinkerei überführt. Und dann fällt mir nichts Besseres ein, als zu sagen: „Sorry, ist noch nicht ganz geruchsneutrale Zone hier.“
„Ach, man riecht nüscht.“ stößt sie hervor weil sie die Luft anhält.
„Ich wasch mir noch schnell die Hände.“ setze ich die Peinlichkeitenparade fort.
„Na klar und du könntest doch ooch noch mit Seife runter spülen, wa.“ meint sie.
„Äh, ich weiß nicht genau was du meinst.“ gerate ich langsam ins Stammeln.

Auf einmal stürmt ein weiteres Mädchen heran und schreit:
„Ach hier biste. Und hier ist auch das Klo. Ist das jetzt endlich mal frei?“
„Ja, der Typ hier ist, äh, gleich soweit.“ entgegnet sie mit einem despektierlichen Blick auf meine Hände unter dem laufenden Wasserhahn und dann wirft sie ihrer Freundin einen Blick zu, der nur heißen kann: „Puh…“
Als ich das Klo verlassen will, um endlich aus diesem Schlund von einem Fettnapf heraus zu klettern, versperrt mir plötzlich auch noch die Barkeeperin des Lido den Weg und sagt zu den anderen Mädchen:
„Habt ihr’s jetzt gefunden? Das ist das andere Klo.“ Und dann gerät auch sie, beziehungsweise ihr Atem, ins Stocken:
„Ach, äh, da ist ja jemand drin.“
Jetzt stehe ich also mittlerweile schon drei Mädchen gegenüber, die kollektiv die Nase rümpfen und eine davon arbeitet auch noch hier und kennt Leute, die ich auch kenne.

Während ich mich endlich aus der immer-noch-nicht-geruchsneutralen Zone verdrücke, denke ich trotzig: „Neuer Club, denen haste aber gleich mal gezeigt, wo der Burnster den Most holt.“ Wir sind dann nach dem Spiel trotzdem sehr schnell aus dem Lido hinaus gegangen. Aber ist eh ein Kackladen. Und eigentlich war ja alles wunderbar in dieser milden Kreuzberger Nacht. Es roch sogar schon so ein bisschen nach Sommer.