Die Dynastie

Die Dynastie Hans Papesch stand kurz vor dem Untergang. Sie wusste es schon länger als er, vielleicht wusste er es überhaupt nicht. Man hatte sie jung verheiratet und sie nie ineinander verliebt, deshalb konnte sie auf Distanz bleiben und beobachten, wie alles in die Brüche ging.

Er bestand auf den Fortbestand der alten Werte, obwohl die Neuen ihn noch im Leben überlebten. Er war höflich und galant und doch irreparabel starr, wenn es um die Auflösung seiner Prinzipien ging. Wenn sie ihn überhaupt liebte, dann dafür, dass er blieb wie die Jahrhunderte. Doch er hatte längst die falschen Fäden von den falschen Freunden spinnen lassen, ein Netz aus Intrigen hielt ihn in der Mitte, während sich die Welt um ihn herum auflöste.

Sie hatte mit anderen geschlafen und sich nie illoyal gefühlt. Sie war nie weggegangen, sie verharrte in seiner bröckelnden Konstanz bis zum Schluss. Als sie nachts durch den kalten Park wanderte, sah sie ihn am Fenster stehen und überlegen. Er überlegte, er schrieb und er komponierte. Doch seine Symphonien stammten aus einer Zeit, die das Zeitliche bereits vor Urzeiten gesegnet hatte. Und mochte er noch so ritterlich ausgestattet sein mit einer Rüstung aus aufrichtigem Stoizismus, so trug er doch den Zeitgeist wie einen Bandwurm in sich, der alles verschlang was ihm einst die Verdauung des stetigen Wandels ermöglich hatte.

Er tat ihr leid, doch gleichzeitig wollte sie, dass er unterging. Nur Veränderung und Niedergang konnten ihn davor retten, der Ewigkeit zum Opfer zu fallen. Das Geld würde versiegen, die Ehre und das Ansehen versickern. Und dann, vielleicht nur für einen Abend könnte sie sich ihm rasch hingeben, dem alten Mann mit seinen unerschütterlichen Prinzipien. Die Zeit fing an zu rasen, sie rannte durch den Park nach Hause und das Ende fing an, zu beginnen. Endlich und Gottseidank stand die Dynastie Hans Papesch kurz vor dem Untergang.

19 comments / Add your comment below

  1. Ein trüber Spiegel, den du dem Alten da vorhältst. Sähe er hinein, würde er lachen. Nun wirst du sagen, es liegt am nachlassenden Licht seiner Augen. Und ich werde dir entgegnen: Du hast recht, aber es ist eine Gnade. Am klarsten sieht der Blinde.

  2. jetzt, ich weiß auch nicht wieso, muss ich gerade an die doku legenden über „uns uwe“ neulich in der ard dran denken.

    sie wissen ja: den runden ball in seinem lauf, hält weder halm noch gräslein auf.

  3. Ich weiß es auch nicht, Herr Und. Habe die Doku auch nicht gesehen.

    Bazi, ich mach Herrn Papesch nicht den geringsten Vorwurf. Im Gegenteil. Den Spiegel hab nicht ich erfunden, sondern die Frauen:)

    Und Danke an Doc Schein und Sabbeljan, falls die Kommentare als Kompliment gedacht waren:))

  4. Ja, ja, immer diese Ausreden ;-) Aber diesmal hat der Doktor recht. Ich gehe sogar noch weiter:

    Soundtrack – Toccata und Fugue in D minor BWV 565

  5. Wort gewordene Grandezza wie versteinerte Urtiere, aus Stein gemeißelt. Seltsames Schmunzeln am Rande bei der Erkenntnis, dass sie nicht, wie gelesen, in seiner bröckelnden Konsistenz, sondern nur in seiner Konstanz verharrte. Groß, Meister!

  6. Ohne Haare spalten oder klug scheißen zu wollen: Ich verweise hier kurz hierauf, Opa. Die Forschung ist sich inzwischen recht sicher, dass die d-Moll Toccata & Fuge gar nicht von J.S. Bach sind. :)

  7. …was natürlich nix dran ändert, dass es unter dem BWV 565 abgestempelt ist und Du insofern ja auch recht hast. Bin auch schon wieder ruhig. :)

  8. Falls es jemand interessiert: Habe gestern Nacht im Suff den Text geschrieben, der mir auf dem Nachhauseweg einfiel, und danach noch auf WP 2.03 umgestellt. Geiler Typ, der Burnster, oder:)?

  9. Ole, hör mir bloß auf mit deiner Forschung:

    … Was ihre Verdauung übrig läßt,
    das verarbeiten sie zu Watte.
    Sie spalten Atome, sie heilen Inzest.
    Und stellen durch Stiluntersuchungen fest,
    daß Cäsar Plattfüße hatte …

    Und Beethoven war schwul und gar nicht schwerhörig, deshalb ist er auch an Syphilis gestorben, aber darüber streitet die Wissenschaft wahrscheinlich noch, vielleicht war es auch Aids.

    Jedenfalls paßt der Sound. Basta!!!

    ;-)

  10. Bernie: Was meinst du, wie ich meine Telegramme aus der Gegend von Hawaii nach Norddeich losgeworden bin, oft als einziger aus dem verdammten Loch? Manchmal geht das gar nicht anders. Den seinen gibts der Herr im Suff.

  11. Das wichtigste hab ich wieder mal vergessen, was ich eigentlich sagen wollte:

    Lieber Ole, wo steht bei mir J S Bach?

    Man wird halt doch alt.

    Jetzt sagst du wahrscheinlich: das müßte aber and Fugue heißen.

    (Bin schon weg)

  12. In die Musikdiskussion misch ich mich jetzt ausnahmsweis nicht ein. Ihr werds schon wissen, von was´ reds. Die Gschicht ist wieder einmal sauber grenzwertig, Kollege. Aber was sag ich…

  13. ich stimme dem herrn sabbeljan voll und zu zu zu … genau so dem herrn winkel mal wieder, denn das hier ist wirklich „verdammt deeper shizznit“

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