The Town And The City

Ein allegorisch arg eklektisches Potpourri zum ewigen Thema Land & Großstadt. Lässt nicht nur stilistisch zu wünschen übrig. Zitate aus Kerouacs gleichnamigen Erstlingswerk erspare ich den Lesern. Stattdessen Musik in Worten:

Feels good to be here again
In the cool air and the driving rain
In the first light that morning brings
High five to future things
(Teenage Fanclub – The Town And The City)

Für ein paar Tage in Deckung gehen, Rückzug, die ganze Seelenkompanie Halt und umkehren. Zurück in den Schoß der bayerischen Heimat oder das was davon übrig blieb. Diese Stadt hier ist doch eh verflucht. Wer hat denn die Mädchen hier so kaputt gemacht? Waren wir das? Oder wars der Kommunismus? Zuhause ist die Welt noch in Ordinalzustand. Eine grundkatholische Taufe lässt mich vielleicht eine Regelhaftigkeit spüren, die ich vermisst haben könnte. Vorbei die ständig rasenden Sekunden der Multioptionalität. Dieser Zustand, der uns hier in der Stadt langsam aber sicher alle um den Verstand bringt.

Jetzt spreche ich es an, so sehr hinkt mein Verstand schon: Grafentraubach, wie ich ich dich einst verspottet und liegen gelassen habe. Dann habe ich dich benutzt, um schmutzige Wäsche zu waschen und um mein Image aufzupolieren. Jetzt bin ich dir dankbar, dass du mich überhaupt noch kennst, so blöd wie ich mich aufgeführt habe. Wie es wohl wäre, bei dir zu bleiben? Überhaupt nicht mehr in den Bauch des Biests zurückzukehren? Der Nordstrand steht bei diesem unsteten Wetter ohnehin kurz vor dem Konkurs.

Wie wäre es also, einfach zu Hause zu bleiben? Jeden Morgen aus dem Dachfenster auf den großen Garten und das Haus meiner Großeltern zu blicken. Nach Jahrhunderten wieder von jemand zum Frühstück gerufen zu werden. Mit dem Auto zum Einkaufen zu fahren und vielleicht einen neuen Hund zu kaufen. Vielleicht wieder Fußball im Verein zu spielen, morgens in den Wald zu laufen und abends ins Wirtshaus. An manchen Tagen in die Stadt zu fahren?

Ich werde es schon noch herausfinden eines Tages, aber soweit sind wir noch lange nicht. Die Köpfe zurück in die Schusslinien. Die Schützen aus den Gräben. Die ganze Kompanie Halt. Es geht zurück nach Berlin.

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21 comments / Add your comment below

  1. Mir blüht sowas im September, allerdings grundprotestantisch. Aber ich weiß jetzt schon, dass ich mich ins Auto setzen und wieder verschwinden werde aus dem Nest, in dem das passiert.

    Es ist doch so: Wenn man lang genug weg ist und erst einmal richtig gespürt hat, was einem fehlt und wo man hingehören mögen tät, wenn man nur könnt, wie man wollt, dann hat die Seele vor lauter zeitlang schon solche derben Luftwurzeln getrieben, dass der Boden von früher keine Heimaterde mehr sein kann. Nie mehr.

  2. Ach ja, die Parallelweltengeschichte.
    Kenn ich gut, lieber Burns, kenn ich gut.

    Aber zurück kann ich nicht. Ersticken würd‘ ich mitten im schönsten Weltkulturerbelandschaftsidyll.

  3. ja, genau so ist es. die gedanken spielen. was sagt mein soundtrack? fragen sie herrn corgan.

    watch me
    death defy
    defile my life
    i don’t need
    i don’t care
    please

    i want to go home
    i want to go home
    i want to go home
    i want to go home

  4. Bernhards Thomas meint, „Ich habe mein Herz nun mal an Österreich gehängt. Und da hängt es jetzt. Was soll ich machen?“. Schon schwer genug.

    Wenn das Herz aber irgendwo in der Luft hängt, dann – Sie sind doch ein Studierter – lassen Sie einfach patria est, ubicumque est bene greifen.

  5. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn Du als Landei geboren bist, hast Du keine Chance diesen Mantel jemals ganz abzulegen.
    Alles andere ist nur eine flüchtige Illusion, die Dich irgendwann einholt.
    Aber zurück: Niemals.
    Erinnerungen sind wehmütig-schön, gehören aber leider meist in eine andere Zeit, die sich nicht mehr reanimieren läßt.
    Ich bin nach einem Besuch jedesmal froh, wenn ich wieder auf der Autobahn bin und mit jedem Kilometer weg aus der muffig-schmutzigen Wäsche wird es mir leichter ums Herz.
    Da verfolgt mich immer ein irrationaler Gedanke: Tank leer, Auto kaputt, kein Zug geht: ich muss bleiben.
    Irgendwoanders ist auch schön.

  6. Es gibt keine Möglichkeit zur Flucht, kein Entrinnen aus diesem Strudel, und was käme schon danach? Nur hier ist dem Ernst ein Schnippchen zu schlagen, kann dem, was sonst hätte werden müssen mit fast unpeinlicher Attitüde jahrelang der Mittelfinger entgegen gestreckt werden. Hier wird es ausgetragen, hier wird es auch zu Ende gehen. Auf welche Weise wird sich zeigen. Also, wieder durchladen und los!

  7. „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn Du als Landei geboren bist, hast Du keine Chance diesen Mantel jemals ganz abzulegen.
    Alles andere ist nur eine flüchtige Illusion, die Dich irgendwann einholt.
    Aber zurück: Niemals.“

    Ich fühle mich so verstanden wie selten…

  8. Den ururalten Antagonismus…

    auf den Punkt gebracht, Herr Price!

    Es ist die Multioptionalität, die den ganzen Mann fordert…
    Das „Vollglück in der Beschränkung“ zu finden, muss wohl dem Traum eines schwedischen Pfarrers bei Jean Paul vorbehalten bleiben…

    Ich hab ja durchaus meine eigenen Erfahrungen mit Metropolen
    und erlebe seit einigen Jahren mein Leben in der ehemaligen Hauptstadt in gewissem Sinn als Mangel…,Mangel an Verschwendung…, an Überfluss…, an Potentialität…
    Dabei gäbe es durchaus mannigfaltige Möglichkeiten, von denen ich mich aber irgendwie „gekränkt“ abwende…
    Die Scham der ehemaligen Hauptstadt, es nicht mehr zu sein, ist dabei kein ausreichender Erklärungsgrund; wahrscheinlich liegt es wieder einmal mehr an mir:

    Mich in das Dasein eines „schwedischen Pfarrers“ einzuschicken, will mir einfach nicht gelingen!

  9. auch ich habe meiner heimatgegend nach verlassen den mittelfinger gezeigt, und nun geht mir genau das in den letzten monaten ständig durch den kopf, was du beschreibst, lieber burnster: wieder zurück ins grüne? wieder dorthin ziehen, wo es weniger autos, weniger abgase, hundescheisse und schrott am straßenrand gibt?
    und dann das gefühl: da gehöre ich (noch) nicht hin.

  10. Ich bin ja schon mit 4 nach München gekommen. Also das was mich geprägt hat war hier. Heimat und Wahnsinn. Von allen ein Zuviel, so dass man gar nicht erst loskommt, hinaus in eine andere Stadt. Nur die Schwerkraftzentren haben sich verlagert, durch die Stadtteile, durch die Kneipen, durch Beziehungen. Auswärts ist in erster Linie dann, wenn man nicht bei sich ist, denke ich. Also ist es immer noch gut hier zu sein.

  11. Die Frontlinien räumen hieße ja nur eine Kapitulation vor, äh, diesem und jenem.
    Manchmal können auch kurze Touren ins Umland die Batterien kurzfristig wieder aufladen. Es gibt ja seit der Wende die Möglichkeit die schöne Mark Brandenburg zu erkunden. Märkische Schweiz mit Schermützelsee (Brecht-Weigel-Haus), Neuruppin auch mit einem See und viele andere schöne Gegenden. Man spaziert durch kleine Dörfer, wandert um einen See oder juckelt einfach mal ein bißchen durch die Gegend und hält Ausschau nach einem pittoresken Plätzchen. Und am Abend gehts frohgemut und aufgetankt zurück in den Moloch.

  12. Die abendliche Rückkehr ins urbane Nest ist sowieso das allerschönste Heimkommen. Das antizipiere ich für morgen abend aufs intensivste und habe auch dieses Mal wieder gelernt:

    Heimat missen mag ich sehr, in die Heimat müssen weniger.

  13. Auch für ein Großstadtkind, das in eine andere, noch größere Stadt gezogen/geflohen ist, ist das Heimkehren ausgesprochen ambivalent. Permanenter Stadtvergleich, obwohl schon klar ist, wer dabei gewinnt, sonst wär ich ja nicht weggezogen. Und dann doch jedesmal, so auch am vergangenen Wochenende, der immer wieder überraschende Schlag mit dem unsichtbaren Hammer auf das jedesmal unvorbereitete Gemüt: Du bist von hier.
    Schwierig.

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