She’s Got The Whole World..

Dein Blut gefror manchmal wie der Mond
in der unausschöpflichen Nacht breitete dein Blut
seine weißen Flügel aus über
die schwarzen Felsen, die Schatten von Bäumen und Häusern
mit einem schwachen Schein aus unserer Kinderzeit

(Giorgos Seferis)

Als du da warst, ging es mit dem Land bergab. Kein Mensch vertraute mehr auf die Regierung. Niemand baute mehr auf die einstige Stabilität unseres Systems. Unsere Leute wurden arbeitslos und eine große Depression machte sich breit. Das Ausland wunderte sich, warum wir als ehemaliger Motor plötzlich all unseren Antrieb einbüßten. Wir ermüdeten und erlahmten schließlich ganz. Matt und ausgebrannt, voller Mißtrauern und mit leeren Mägen lagen wir am Boden der neuen, schrecklichen Tatsachen und konnten keinen Schritt mehr gehen. Uns kamen die Ideen abhanden und gingen die Visionen verloren. Es waren Jahre, in denen Altbauten verfielen und Neubauten nicht mehr zuende geführt wurden. Die große Sicherheit, die wir kannten, war von uns gewichen. Niemand wusste warum und wie schnell das geschehen konnte. Ich habe es erst erkannt, als es zu spät war. Wir beide hatten die Geschicke dieses Landes in unserer Hand und die Geschichte nahm ihren Lauf, der uns alle in eine tiefe Rezession stürzte.

Jetzt wo du weg bist, erblühen langsam ein paar neue Gedanken. Wir haben wieder angefangen zu bauen, wir sprechen wieder von der Zukunft, ohne dabei in den Boden zu starren, wir gehen wieder aus dem Haus, ohne Angst zu haben. Das Land liegt noch darnieder, aber es ist gerade dabei sich zu erholen. Wir haben Federn gelassen und doch bildet sich im Lauf der kommenden Jahre wieder ein Paar Flügel. Jetzt wo du weg bist, spielen wir sogar wieder ordentlichen Fußball.

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21 comments / Add your comment below

  1. „(…) wir sprechen wieder von der Zukunft, ohne dabei in den Boden zu starren (…)“ erinnert mich an „Lieber aufrecht sterben, als knieend leben.“
    Aufrecht in die Zukunft sehen: ein weiser Vorsatz.
    Außerdem: schöner Schnappschuss von dem meditierenden Engel auf der Startrampe.

  2. Soviel Zuversicht, nur wegen des Erfolges bei der WM scheint mir ein wenig weit hergeholt. Wir sind aber auch ein Land der Miesepeter.

  3. Dir Ratze, unterstell ich jetzt mal, dass du mich schon verstanden hast. Herr Bateman dagegen hat scheinbar einen ganz exotischen Sinn für Humor, oder denkt tatsächlich, es ginge in dem Text um Fußball.

  4. Wie hat der Schubeck Fonse im Werbespot einmal gesagt? Eben drum! Des is ja auch grad die Verständniskrux. I mecht des net sehng, dass de ausgschamte Mistpritschn a no dafia verantwortlich is, dass ma mia des Fuaßboifesterl gwingan. De schreibat se des a no seiba zu und dad recht gscheat lacha.

  5. ‚ …oder denkt tatsächlich, es ginge in dem Text um Fußball.‘

    Ooch ’ne schöne Variante. Wär‘ ich so gar nicht drauf gekommen … Ich finde ja wir sollten unsere Deutschzustände von unserem eigenen Daumen abhängig machen, den wir wahlweise hoch- oder runterhalten können. Dazu braucht’s doch keinen Obergesichtsträger der Nation, gelle…? Feine Textur. Dennoch.

    Ach und Sie sind der junge Mann, der mir ständig auf Friedhöfen vor der Linse äh Skulptur rumspringt …? Angenehm, creezy!

  6. Und scho samma wieder beinand, Razby. Dass du gerade den Schubeck Fons zitierst, rechne ich dir sehr hoch an. Mein Seferis nimmt sowieso jedem die Butter vom Brot, bis aufn Schubiduh, versteht sich.

    Und Sie Herr oder Frau Crazy kann ich nur bekräftigen in der Aussage, dass zumindest ich keinen Obergesichtsträger und auch keinen Oberlippenbartträger als Daumenhalter brauche. Was ich brauche, ist die pure, die großartige Liebe meiner Mitmenschen.

    Und wenn ich Ihnen das nächste Mal vor der Linse herumspringe, sagen sie doch einfach Hallo zu mir. Ich würd mich freuen.

  7. Meine Liebe, rein platonisch, bekommst Du. Mein Verständnis nicht, denn trotz aller feinen Geschliffenheit und umschmeichelnden Feinheit der Sätze schickst heute Du mich in die Verwirrung. Zumal ich grützmüde bin und zumindest für heut keine Besserung mehr zu erhoffen ist.

  8. Lieber Ole, für dich mache ich jetzt mal eine Riesenausnahme. Ich kommentiere meinen eigenen Text. Also zünd dir schon mal eine Gauloises an.

    Normalerweise erklär ich ja nichts und oft ist auch nichts zu erklären, weil jeder selber frei assoziieren darf und soll. Oft sind meine Texte auch wie Songs, die Melodie zählt mehr als der Inhalt.

    In diesem Fall gehe ich von der Idee aus, eine zwischenmenschliche Konstellation sei von so großer Bedeutung, dass sie die Geschicke eines gesamten Landes mitbeeinflusst. Der Sog der verzweifelten Liebe reisst das ganze Land mit in die Depression. Ein Gedankenspiel, wenn du so willst.

    Den Hintergrund bestücke ich mit ein paar systeminhärenten Problemfällen wie man sie auch aus Deutschland kennt oder kennen könnte und am Ende kommt ein kleiner Relativgag wg. der Fußballweltmeisterschaft.

    Auf einer religiösen Ebene steht der gefallene Engel für das Bild eines flügellahmen Glaubens und die Überschrift für die Vorstellung, das Mädchen, das einem das Herz gebrochen hat, sei für das gesamte Unheil auf dieser Welt zuständig. Das Gospelzitat unterstreicht den Aspekt eines Glaubens, bzw. Aberglaubens an das Phänomen Schicksal.

    Und fertig ist der Schabernack.

  9. Nobs, jetzt versteh ich dich net.

    Sillerbetrachter, sie und Novalis verstehe ich dagegen nur zu gut, aber was kann man dagegen unternehmen? Beides mit nach Hause nehmen?

  10. Na der Hamlet halt. Und die Ophelia. Und der Polonius. Is aber auch net weiter wichtig, da ist mir der Kommentar ein bisserl zu forsch in die Tastatur gerutscht. Zur näheren Erläuterung dennoch:

    Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe,
    Die, ungestüm von Axt, sich selbst zerstört
    Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen,
    So oft als irgendeine Leidenschaft,
    Die unterm Mond uns quält.

  11. Burnster, „gegen“ die Liebe kann man nichts unternehmen. Die ist da oder nicht :-) Höchstens „für“ die Liebe. Die fängt bei der Liebe zu sich selbst an..

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