Der Neujahrsbrand

In der Nacht, in der du mich verlassen hast, hat das Nachbarhaus gebrannt. Das Zimmer flackerte blau, die Wolken rasten geräuschlos, vom Wind gehetzt am Fenster vorbei, während die Feuerwehrwägen mit verstummten Sirenen auf der Straße verharrten. Der beißende Geruch von brennendem Plastik raubte mir den Schlaf und die Stille erschreckte mich zutiefst. Als hätte man der Welt den Ton abgedreht.

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Eigentlich fing diese Stille an, als du mich gehen ließt, ohne mir hinterherzuschreien, dass du mich doch haben willst. Du willst mich doch nur, wenn du mich nicht hast. Und jetzt hast du’s. Nachdem besagter Schrei ausblieb in der viel zu warmen Neujahrsnacht, wurde es still in der Stadt. Am nächsten Abend, vor dem Brand, nahm ich ein Taxi von einer Wohnung zur nächsten und glitt lautlos durch eine stumme Stadt. Dass sich später selbst die Sirenen der Rettung und der Feuerwehr an dieses infrastrukturielle Schweigegelübde hielten, war die gespenstische Erkenntnis der Nacht und ihrem Feuer. Ich war zu schwach und zu traurig, um auf die Straße zu gehen und nach dem Rechten zu sehen, so blieb ich matt liegen, diese schaurige Stille im Ohr und den Gestank von brennendem Plastik in der Nase. Dass ich irgendwann einschlief, verdankte ich letztlich nur der Tatsache, dass ich so unendlich schweren Herzens in der Matratze versank, sich der Rauch und die Sicht über mir verflüchtigten und ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel, der dein Gesicht gottseidank nicht kannte. Heute morgen, als ich auf die Straße trat, war keine Spur von einem Brand zu sehen. Dafür glühte der morgendliche Himmel über der Raumerstraße aus und ich würde in Flammen aufgehen bei nur noch einem Kuss mehr von dir, so ausgetrocknet bin ich.

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