Berlin und der Sex

Ich drehe langsam durch hier in dieser Stadt. Ich erinnere mich an ein Lächeln von ihr, als sie sich schnell und geräuschlos auszog, um mir ihre Loyalität zu beweisen. Dieses Lächeln kann ich nicht vergessen, solange der Fernsehturm geräuschlos und rot durch die Nacht funkt und ich im Hinterhof liege, ebenso geräuschlos und in Quarantäne, isoliert von den Kalamitäten der Straße und die Straße bewahrt von meinen gräßlichen Gedanken. Ich drehe langsam durch und alles, an was ich denken kann, ist dieses Lächeln. Und an die Turnhalle, in der wir uns noch mit einem Lachen bekriegten und die Siegermacht am Ende geküsst wurde. Ich drehe langsam durch mit diesem Lächeln, das sich so eingefressen hat in mein Bewusstsein, dass ich vermutlich nachts schlaflächle, während ich im Traum über ihren Busen und ihren Bauch wandle. Ich drehe langsam durch, wenn mir nicht bald jemand verrät, wer mich im Sommer ans Meer begleiten wird, wenn mir nicht bald jemand sagt, dass ich aufhören kann, im Fieber alles niederzuschreiben, wenn mir nicht bald jemand garantiert, dass ich nicht durchdrehen werde.

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Dieses Um-die-Wette-Verlassen muss endlich aufhören. Ich werde alt und langsam, so schnell kann ich gar nicht mehr Ciao sagen, so schnell haben sich die guten Ideen schon wieder verabschiedet. Es ist ein Hochgeschwindigkeitsrennen, ein gnadenloser Wettlauf mit der Zeit und wer gewinnt, darf sich einen Moment setzen. Aber was red ich und vor allem, was schreib ich? Ich drehe langsam durch in dieser Stadt. Wer als erster Heimatstadt sagen kann, ohne rot zu werden, darf hier bleiben. Wer als erster eine Familie hat, darf mit den fürchterlichen Drogen aufhören. Wer mir als erster die Uhrzeit sagen kann, darf an meine Brust. Ich drehe langsam durch in dieser Stadt und ich fürchte, es liegt nur an diesem Lächeln, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Vielleicht liegt es auch an dem Sex. Es liegt immer irgendwie an dem Sex.

17 comments / Add your comment below

  1. ganz berlin is eine wolke / und man sieht sich wieder mal auf der flucht…
    der hölzel johann, der weiß es halt – wie immer. natürlich bringt einen diese ewige raserei zum durchdrehen irgendwann. ich schalte gerade immer weiter runter, so weit runter, wie’s nur geht.

  2. Creezy: Du musst vermutlich wirklich nicht rot werden, das stimmt. Und du hast Recht, ich zier mich. Ich bin mir zu fein zum Verlieren. Ich muss mal an meinem Sportsgeist arbeiten.

    Frl. Fuchs: Schön, mal wieder von Ihnen zu lesen hier. Die Flucht ist eine ganz schlechte Angewohnheit und man sollte sie so lange nicht zugeben, solange sie von außen betrachtet auch als Jagd interpretiert werden könnte. Gerast wird freilich in beiden Fällen und Unfälle passieren selten im Schritttempo.

  3. Stimmt, ich werde nicht rot aber wann werde ich schon mal rot …

    Was ich vorhin sagen wollte: sehr sehr sehr sehr gutes Foto meiner kleinen Meinung nach.

  4. Ich weiß nicht warum, aber „an dem“ stört. Das klingt nach spitzen Fingern, nach Grundschullehrerinnen oder Leichenfledderei, je nachdem.
    Nein, man will’s nicht wissen.
    Aber das Foto ist allerdings ein verdammter Burner, Mann.

  5. richtig. verlieren ist nicht hier! heimatstadt IST nicht (ohne rot zu werden)! umdiewetteverlassen ist hier (weil hier ja niemand verliert!). falsch ist: „und wer begleitet mich im sommer ans meer?“. hier gibts kein meer, verdammt! genauso, wie es immer irgendwie an dem sex liegt. dafür gibts hier jede menge siebziger-turnhallen und grundschullehrerinnen. die können einen nur nicht ans meer begleiten, im sommer, ohne rot zu werden. oder nicht nur. und der letzte, der familie hat, wird blau werden beim rotwerden…

  6. „Der “ Sex erhält ein Stigma. Das ist emphasierend zweckdienlich, sonst nix. Ich mag „ihn“ sehr gerne. Weil er sehr toll sein kann, auch wenn er durchschnittlich ist. Und man lernt nie aus. Ikea Bettwäsche. Gute Nacht, Berlin.

  7. Also, da kann ich jetzt aber nicht still bleiben. Mittelmäßiger Sex mag besser sein als gar keiner, aber toll?! Überhaupt, Durchschnittssex (meinetwegen auch DER Durchschnittssex) kommt bestenfalls in Vergleichen gut weg.
    Ich jedenfalls würde ein hervorragendes Essen jederzeit durchschnittlichem Rein-Raus vorziehen. Essen ist der Sex des Alters (hier auch mit Artikel), soweit isses schon mit mir. Sixtas, des kommt davon, wenn man in der Provinz lebt.

  8. Sixtas, so ausgehungert sind wir Großstädter.

    Was ich eigentlich meinte, selbst wenn der Sex rein fachlich gesehen durchschnittlich ist, kann er immer noch großartig sein, weil der Emofaktor so brutal hoch ist. Ich für meinen Teil behaupte jetzt einfach mal, noch nie für durchschnittlichen Sex verantwortlich gewesen zu sein. Entweder ganz oder gar net von meiner Seite aus.

  9. Is klar. Zur zweiten Hälfte sag ich mal fast nix (das denkt eh jeder), aber am Anfang hast natürlich schon arg recht. Wir Weibsen sagen halt Nähe oder Vertrautheit oder wenn Kuschelrock dazu läuft Zärtlichkeit und hätten nie ans Messen gedacht.

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