This Land Is My Land

Ich weiß noch, wie ich losgelaufen bin als Kind. Über die große Wiese bis hinunter zum Fluß. Oder zur Reichermühle. Am liebsten war mir die Wiese nach dem Regen im Frühling. Der Heuschnupfen ließ noch auf sich warten, das Gras war gerade erst im Wiederaufbegehren gegen die fliehende Kälte, noch erschöpft von Schneedruck und Niederschlag. Ich war der Erste hier.

grafi1.jpg

Aus sicherer Entfernung war die Kirche für mich keine Bedrohung. Ich konnte zwar nie verstehen, wie man diese billig bemalten verkitschten Zwiebeltürme unserer Provinzen schön finden konnte, aber ich akzeptierte die zentrale Stellung des Gebäudes in unserer Dorfgesellschaft. Der Zwang, den sonntäglichen Gottesdienst nicht nur zu besuchen, sondern auch auszuüben war, was mich das Gotteshaus als so unangenehm empfinden ließ, dass ich ihm nicht freiwillig zu nahe kam.

grafi1.jpg

Ein Traum, den ich mir nie erfüllte, war, die Wiesen mit einem Rucksack und einem Zelt zu überqueren. Und mit genug Wurstsemmeln, um ein paar Wochen durchzuhalten. So ausgerüstet wollte ich die Wiesen durchschreiten, über Flüsse gelangen und Wälder durchkämmen, ohne in die Nähe von Dörfern oder Städten zu kommen. Der Blick der sich hinter dem Haus meiner Großeltern freigab, erinnert mich noch heute an den Wunsch, einfach nur loszuziehen und meine Umgebung kennenzulernen, fernab aller niederbayrischer Spießigkeit und herzlosem Siedlungsgehabe.

grafi1.jpg

Viele Jahre musste ich lernen zu vergessen, wie sehr uns unsere Heimat und der Begriff davon eingeschränkt und eingesperrt haben. Dann lernte ich zu akzeptieren, wo ich herkomme. Und jetzt begreife ich langsam, was es bedeutet, überhaupt woher zu kommen. Und gerade lerne ich, es zu mögen.

grafi1.jpg

21 comments / Add your comment below

  1. Von Steinbeck nach Woody Guthrie auf Niederbayerisch, arg schön. Danke. (Und Notiz an mich selber: Was mit der Überschrift Unter unserem Himmel schreiben, wenns wieder losgeht.)

  2. Heimat iwird auch für mich immer mehr von einem Wort zu einem Ort. Dort, wo meine Heimat liegt, gibt es keine Zwiebeltürme, keine Berge, höchstens Deiche. Aber dafür einen Horizont zum Himmel leer trinken. Ich möchte bis auf Weiteres nicht wieder in meiner Heimat wohnen und leben, aber jederzeit dorthin zurück kommen können.

  3. Der letzte galt dem Razzy.

    Dir, Ole, wünsche ich einen gesunden Durst. Der Himmel hat ein paar Hektoliter, soweit ich weiß. Das reicht für ein paar Jahre Nachhausekommen mit ordentlichem Brand.

    BG: Iwo.

  4. Burnster, Du hast doch wohl nicht am Wochenende Deine Eltern um den Anbau angewinselt?

    Aber trendig issa ja, so mit knapper Röhre, trés chic!

  5. Erschreckt muss ich feststellen dass ich nie ein gespaltenes Verhältnis zu meiner Heimat hier am Würmsee hatte. Total uncool also, dass ich’s hier immer nur super fand und ich mich jedesmal auf meine Rückkehr freute, wenn mich mal wieder Arbeit, Lernen oder gar eine Frau ins nicht-oberbayerische Ausland gelockt hatte…

  6. Irgendwie kann ich nicht anders als neidisch sein auf die Leute, die so ein Heimatgefühl für irgend eine Provinz entwickeln können. Da gehört ein gehöriges Gefühl Familientradition zu, und die muss man erst einmal haben!

  7. Viele Jahre musste ich lernen zu vergessen, wie sehr uns unsere Heimat und der Begriff davon eingeschränkt und eingesperrt haben. Dann lernte ich zu akzeptieren, wo ich herkomme. Und jetzt begreife ich langsam, was es bedeutet, überhaupt woher zu kommen. Und gerade lerne ich, es zu mögen.

    Oh, ja! Es drängt mich wieder nordwärts. Ich sollte dem nachgeben.

  8. Yep, früher konnte ich nicht schnell genug aus der Provinz weg und jedes Jahr das ich älter werde lerne ich genau diese Provinz mehr und mehr zu schätzen. Nicht nur die Natur (damals „Scheiss Wald“ / heute „Irre Landschaft“) sondern auch die verminderte Geschwindigkeit mit der dort das Leben fliesst…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert