Die Lethargie ohne Maria

While you’re waiting,
Be thankful for your fingers,
I’ll be fading
With the colors of your pictures
‚I’m not crying wolf,‘ you whisper,
‚I’m really dead this time…‘
I’m not joking when I tell you
I’d miss you all the time
I already miss you all the time
(Alkaline Trio – While You’re Waiting)

Das ist eine so tödliche Langeweile, die sich am Wochenende in meine Wohnung geschlichen hat. Mann könnte glatt von einer Sterbenslangeweile sprechen. Irgendwann hilft auch das Laufen nicht mehr, irgendwann nicht mehr das Essen. Die Muskeln erschlaffen und man liegt still, während links der Fernseher und rechts das Notebook läuft. Der letzte Anruf von dir scheint Wochen her zu sein, gehen die Stunden doch wie die Regenwälder zugrunde. Langsam und stetig aber nie ganz. Die Vorstellung andere Leute zu sehen, gleicht einer Fieberphantasie und die Erinnerung an jenen längst vergangenen Abend, wo du die ganze Zeit zu mir herüber geschaut hast in der Kneipe, die Erinnerung wirkt fremd, so als hätte ich sie irgendwo aufgelesen. In irgendeinem Buch, in dem ich von meiner glorreichen Zeit vor der Lethargie lese. Als ich draussen war, jung, prächtig und voller Willen. Ich trank literweise Pastis, redete hier mit jemand, flirtete da mit einer, ich war der König vom Prenzlauer Berg. Und je mehr ich Nachlese betreibe, desto unwirklicher werden meine Möglichkeiten und desto reeller meine Einzelhaft hier.

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Zwischen 15 und 16 Uhr quält sich der Zeiger, als müsste er bergauf ticken. Es ist kaum auszuhalten wie langsam die Zeit vergeht und wie schändlich schnell die guten Zeiten zurückbleiben. Ich wünschte, du wärst hier, mit deinen Launen und deiner wütenden Art, meine volle Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich wünschte, du könntest deine Sätze hier in den Raum stellen und ich könnte mich damit beschäftigen, sie drehen, sie wenden, sie zerbrechen, sie verwenden, sie beenden. Ich könnte ins Kino gehen, ich könnte ein Schwimmbad besuchen, auf einem Konzert sein, oder entfernte Bekannte sehen. Aber alle Orte scheinen mir zu weit entfernt und alle Bekannten noch entfernter. Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Wenn ich nicht bald die Matratzengruft verlasse, werden meine Muskeln so weich werden, dass ich nicht mehr von alleine aufstehen kann. Und ich bin mir nicht sicher, ob das nicht schon längst passiert ist. Am längsten Wochenende des Jahres. In den langweiligsten Stunden meines Daseins. Höchste Eisenbahn, dass du dich hier blicken lässt, Maria, wer immer du auch mittlerweile sein magst.