Scheiß auf Freunde bleiben

smoke.jpg

Bevor die jetzige Zeit endgültig geht und die Zeit kommt, in der wir alle einhellig unverständig sind, wie man überhaupt freiwillig je so etwas Unheiliges wie eine Zigarette in die Hand nehmen konnte, möchte ich mir ein paar Minuten ausbitten, um mich zu verabschieden. Denn gesundheitlicher Leichtsinn hin, Jugenddroge her, ich habe mit Freuden geraucht. Die Momente, in denen ich aus reiner Gewohnheit zur Zigarette griff, waren rar. Zumeist hab ich es genossen. Und natürlich nicht wegen dem Tabakgeschmack, der war dann doch relativ austauschbar und ich hätte auch an Holz lutschen können, sondern wegen dem sogenannten Lebensgefühl.

Ja, jetzt unkt nur und winkt mit den Krebstoten und ich sags trotzdem nochmal: Wegen dem Lebensgefühl. Ein Lebensgefühl, ein Kulturgut und ein wenig Freiheit, sich weh zu tun dürfen und dabei verdammt cool auszusehen. Ein Lebensgefühl wie ein Kulturgut. Ich erinnere an Auster/Jarmuschs „Smoke“ & „Blue In The Face“, oder an Sam Riley im aktuellen „Control“ mit Flunte und Hate-Lederjacke. Ich erinnere an Mickey Rourke in „Angel Heart“, der ja wohl kaum als Kaugummikauer durchgegangen wäre, und selbst bei Ridley Scotts „Alien“ gabs die Zigarette für zwischendurch auf dem Raumfrachter. Aber hauptsächlich erinnere ich an mich in feisten Nächten in Bars und hinter Bars, an mich, wie souverän ich ausgesehen haben muss mit Bier und Kippe im weißen Hemd mit gelockerter schwarzer Krawatte und gegelten schwarzen Haaren. An mich mit dem letzten Gin Tonic und einer Zigarette vor dem Spiegel, nachdem ich wenige Minuten vorher dieses Mädchen mit nach Hause transportiert hatte. Nie hat eine Zigarette besser ins Bild gepasst.

Und wenn jetzt jemand sagt, es waren die Momente, nicht die Zigaretten, dann sag ich, die Momente waren auch deshalb so gut, weil ich eine beschissene Fluppe im Maul hatte. Ich war nie ein Kettenraucher, ich hab selten außerhalb der Kneipe geraucht und so gut wie nie bei Tageslicht. Ich rauche jetzt noch ein, zwei Zigaretten im Monat und in der eigenen Wohnung schon lange nicht mehr. Und es wird mir im Leben an nichts mangeln, wenn ich gar nicht mehr rauche. Aber wir hatten eine schöne Zeit zusammen und daran erinnere ich mich gerne daran. Es ist wie mit der ein oder anderen Ex-Freundin. Man muss ja nicht befreundet bleiben, der Sex war trotzdem gut.

19 comments / Add your comment below

  1. hmm. vielleicht weil die mehrheit der rauchenden den akt nicht in einen kulturellen bezug gesetzt oder dort belassen hat, haben wir jetzt verbotsdebatten. ein cowboy ohne revolver sieht auch scheisse aus, aber ich bin trotzdem froh, dass nicht jeder einen colt im gürtel trägt…

  2. Michael: Manchmal zwickts mi a. Eh klar.

    Ratze: Weil ich grad mein Nachbarn zusammengeschlagen ud ausgeraubt hab und keine Fingerabdrücke hinterlassen wollte. Die Zigarette danach hat super geschmeckt.

  3. in 7 jahren stellt die harvard medical school in cooperation mit berkley auf wunsch und unter finanzierung eines der groessten tabakunternehmens in den usa die relative unbedenklichkeit des konsums von tabak bis hin zur empfehlung des letzteren im hinblick auf postive signaltransduktionskaskaden in rap1 involvierten prozessen.
    aber zu niemandem ein wort darueber.

  4. Ich hätte ja noch mehr schreiben wollen, aber ich war so zustimmend begeistert, da brauchte ich erstmal Sex eine Zigarette. Ich bin mal rauchen…

  5. Wenn ichs auf dem Level von ein, zwei Kippen pro Monat hätte stabilisieren können, wäre ich wohl dabei geblieben. Aber weniger als sieben pro Tag schaffte ich nur unter sehr großen Mühen, von daher wars eigentlich einfacher und konsequenter, es ganz bleiben zu lassen. Zumal grade ohnehin tiefgreifende Veränderungen familiärer Natur stattfanden.

    Die Kippe nach der Geburt meiner Tochter habe ich mir aber nicht nehmen lassen. ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert