San Francisco

Erste Amtshandlung: Hotel verlassen und ein paar Schritte den Berg in Nob Hill rauf. Die Straße ist tatsächlich so steil, dass ich nach zwei Blocks schon pausieren muß. Dafür sieht man nach wenigen Minuten schon das Meer. In North Beach hat alles zu an einem Mittwoch Nachmittag. Am Pier 13 stinken die Seelöwen vor sich hin und jaulen wie die Weltmeister. Sieht aus wie eine Mittagspause. Es ist neblig und kühl. Wie schon in New York trifft man hier Hundertschaften von Deutschen. Der Dollartourismus floriert.

Die Stadt ist ruhig. Der Verkehr hält sich in Grenzen, die Leute sehen genügsamer als in anderen Städten aus. Der Financial District belästigt niemanden in Haight-Ashbury und umgekehrt. Alles scheint im Lot. Nebel umwabert die Golden Gate erst und am späten Nachmittag zieht er sich zurück. Niemand scheint der schwere Nebel und die Kühle zu stören. Niemand raucht, niemand hat Feuer. Nur vor der literarischen Fakultät, die an einer derart grotesken Steigung liegt, dass man sich festhalten müsste, raucht ein Mädchen und leiht mir ihre Zigarette zum Anzünden meiner. Dann was essen. Hier wird man nicht überall mit Portionen bedacht, für die man einen gefräßigen Collie als besten Freund braucht und es gibt vereinzelt Salatgerichte ohne gegrillte Hühnberbrust. Was meine Frau freut.

Abends sind wir in diesem unfassbar prunkvollen Hotel, weil sich im Erdgeschoss eine hawaiianische Cocktailbar befindet, ein umgerüstetes Hallenbad aus den Dreissigern. Dort trinke ich einen Blue Irgendwas und seh mir eine Band an, die inmitten eines künstlichen Sees auf einem Boot Hits der 50er, 60er und 70er zum Besten gibt. Um uns herum tanzen Leute ab 40 und sehen dabei aus als hätten sie Schüttelfrost, der Spaß macht. Mir tut die Hüfte weh und der Blue Irgendwas und meine Schmerzmittel werden keine Freunde mehr in diesem Leben.

Die Sonne kommt auch morgens nach Sancisco, merke ich, als wir früher aufstehen. Schichtdienst. Mit der Sonne sieht die Stadt aus wie ein kleines Inselkönigreich. Cortes und Drake haben einen gut bei mir, das werde ich in den nächsten Wochen noch zur Genüge denken. Auf Alcatraz in der Bay ist es wieder kühl und ein wenig unwirtlich, aber das passt ja dann auch. Ich hab keinen Clint Eastwood-Film vor Augen, aber tatsächlich lebt das Gemäuer noch mit seinen Geschichten. Die Audiotour ist exzellent und ich erinnere mich erst jetzt wieder an die Episode von der indianischen Besetzung der Insel.

Zurück am Festland verlieren wir uns im Golden Gate Park. Riesiges wildes Ding, keine fein säuberlich angelegte Angelegenheit. Fantasiereiche Museumsbauten. Haight-Ashbury dahinter ist asozial und es kratzt mich nicht, dass hier der Summer, Winter, Herbst und Frühling Of Love stattgefunden haben will. Es sieht aus wie in der Simon-Dachstraße in Friedrichshain. Ich erinnere mich nicht, was wir gestern gemacht haben oder vor fünf Minuten. Man kann nichts Genaues sagen, man fließt zwar nicht dahin, dafür ist es zu steil, aber man kugelt so bergauf, bergab und weiß am Ende nicht mehr genau wo man ist oder wo man war.

Die Transamerica Pyramid ist nur eine von vielen Pyramiden die uns auf der Reise begegnen. Als Spitzen von Hochhäusern, als Symbole, Ornamente oder ganze Gebäude, die wiederkehrende Form der alten Ägypter nährt Freimaurer-Fantasien und ist eine Gemeinsamkeit mehr mit den alten Römern. Die hatten auch einen Pyramidentick, wie man an fast jedem bedeutenden römischen Großplatz bezeugen kann. Den Petersplatz inbegriffen. Das alte Ferry Building ist ein Spiel aus Art Deco und Hyperneoklassizismus, aber die für mich unvorstellbarste Sehenswürdigkeit taucht eigentlich in keiner Touristentour auf: Das Exploratorium Museum, ein Irrsinn, den sich selbst Speer verkniffen hätte. Zumindest vor dem Endsieg. Sancisco, das hat einen gewissen Feingeist, der nicht typisch für amerikanische Städte ist. Manche nennen so etwas europäisches Flair. Das ist es nicht. Es ist nur nicht ganz so großschlächtig.

Ach ja, die Cable Cars. Whatever.

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