Aufstehen

Das ist schon etwas merkwürdig. Gerade träume ich noch, dass ich in dieser Redaktion arbeite. Und es ist wie in allen Redaktionen, in denen ich je gearbeitet habe. Es ist wie in der Schule. Selbst wenn man der Chefredakteur ist. Es kann auch gar nicht anders sein, wenn Menschen mit Selbstfindungsdrang sich unter Zwang mit Kultur beschäftigen. In dem Traum war es der letzte Tag vor dem Sommerurlaub, den Sommerferien, wenn man so will. Ich hatte mir vorgenommen, nach Irland und nach Holland zu fahren. Bevor ich das Büro verlassen konnte, bin ich aufgewacht und hatte diesen Zwan-Song im Ohr. Zwan war Billy Corgans etwas übermotivierter Versuch, sich im Bereich melancholischen Progrocks zu etablieren. Ich gehöre vielleicht zu einer Minderheit, aber ich mag die Platte. Ich wache also auf und habe diesen Song im Ohr und diesen Geruch in der Nase. Der Geruch ist Barcelona an einem verregneten Morgen. Die Luft ist leicht und der Regen mild. Es ist kalt, vielleicht 10 Grad, aber nie so kalt wie in Berlin bei 10 Grad. Ich schaue zum Fenster und das Stück Himmel, das ich von meinem Bett aus sehen kann, sieht genauso aus wie der Himmel an eben einem solchen Tag in Barcelona. Ich öffne das Fenster und es stimmt: es ist die selbe Luft, der selbe Geruch. Nur für ein paar Minuten, dann verflüchtigt sich der Geruch und es wird kalt werden im Lauf des Tages. Ich gehe ins Wohnzimmer an die furchterregende Batterie an Hunderten, vielleicht Tausenden von CDs in den Ikea-Türmen. Ich finde die Zwan-CD auf Anhieb und – ohne Scheiß – sowas ist mir noch nie gelungen, wenn ich eine CD mindestens ein Jahr nicht mehr gehört habe. Man muss wissen, ich habe kein System in der Anordnung meiner CDs. Vor zwei Jahren begann ich mal mit einer Katalogisierung in Musikrichtungen, aber der Versuch wurde zur Ruine, von der nur das Fundament Punk und Hardcore stehen blieb. Ich hör mir betreffenden Zwan-Song an und es ist, als hätte ich ihn grade vor 5 Minuten gehört. Noch ein paar Minuten riecht es nach Barcelona und ich reisse auch im Wohnzimmer das Fenster auf.