Dylan Thomas

O may my heart’s truth
Still be sung
On this high hill in a year’s turning.
(Dylan Thomas – Poem In October)

So you watch the sunrise sinking, and she’s talking in her sleep. Das läuft im Autoradio. Auf der Rückfahrt. Weil ich ja dort im ersten Industrieort nach den zig Kilometern aus der Stadt heraus erst die CD kaufen werde. In meinem Szenario sind wir aber noch auf der Hinfahrt, wie das halt oft so ist mit Erinnerungen, reinste Eigenkomposition. Es ist vermutlich schon Anfang Oktober, aber ich schwöre, das ist der einzige Oktober, der das Prädikat golden verdient hat seit ich in der Stadt bin. Alleen, Alleen, die Bäume streicheln die Straße, so tief und grün hängen sie. Von Herbst keine Rede und keine Spur. Perspektive, nichts als Perspektive.

Nach einem Monat Berlin bin ich high wie der Mond über dem Boxhagener Platz, wo ich fast wohne. Nicht schön da, aber ein fast krimineller Gegensatz zur toten Idylle Schwabings noch vor einem Monat. Ich bin am Leben wie eine Seuche und das in zwei Welten. Diese Tage in Berlin ohne Idee, die erst dann aufhören, wenn man es will und in den Zwischentagen in München, dieser innerhalb von vier Wochen völlig fremdartig gewordenen Stadt. In Haidhausen bei der blonden Freundin, die in einer Agentur gearbeitet hat. Die süße blonde Freundin in der blinden Stadt. Diese Idylle im unverschämten Sonnenlicht, hinter dem sich angeberisch die anmaßenden Alpen abzeichnen, wenn man einmal nicht aufpasst. Über den in Sonnenlicht ertränkten Platz gehen und immerhin ist da ein Laden auf dem Hell steht.

Und in wenigen Stunden wieder in der neuen Welt, auf Parties, zu denen man nie eingeladen werden wollte, endlich wieder wildfremd und voller Idiotien. Eine Weile keine Ahnung haben und dabei keine Angst, das ist eine Gauklerei, die mir danach nur noch in den zwei Monaten Barcelona gelingen wird. Noch sind alle Türen ausgehängt, alle Wege offen. Und in die Nächte hineinversinken mit Medizin und Gin Tonic, das geht eine Weile gut, aber am Ende wird es nicht gut ausgehen. Und am nächsten Ende ein paar Jahre später dann vielleicht doch wieder. Und dann…, wer weiß. Aber jetzt einmal noch das Fenster aufmachen – im Auto von dem einen Freund, der mitgereist ist – und an der goldenen Luft fast ersticken. Just one More drink and then I should be on my way home. I’m not entirely sure what you’re talking about, sagt das Autoradio und zuhause kriecht schon Dylan Thomas aus den Startlöchern.

4 comments / Add your comment below

  1. Wunderbar! Dieses besondere Gefühl hatte ich nur einmal, eben auch als ich
    nach Berlin gezogen bin – nach dem Wechsel in die Schweiz war da nichts
    dergleichen.

  2. Schön, dass sich jemand kommentieren traut. Weil so komplex ist das Thema ja nicht. Es ist einfach nur genau so wie der Doc sagt: umziehen und sich besonders fühlen. Merci!

  3. Nochmal ankommen, das wär’s. Die Stadt noch einmal spüren als wäre sie gestern aus dem Meer aufgetaucht, rauh und schuppig und dreckig und laut und ganz und gar zum Verlieben.

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