Brennerpass: Bundesliga 2011/2012 (7)

Spieltag 7: Ausgebrannt

Ich will im Zuge des Rücktritts von Rangnick nicht so tun, als hätte ich jemals besonders viel für ihn und seine Art übrig gehabt. Ich halte ihn nach wie vor für einen unentspannten und humorlosen Fußballirren, aber wenn jemand einem Druck erliegt, dann hat er in der Regel mein Verständnis, selbst wenn er sonst ein Arsch ist. Leid tat mir in dieser Wochen aber fast noch mehr der Breno, denn was immer der für Probleme hat und egal, ob er sein Haus angezündet hat oder nicht, ihn sofort in den Knast zu stecken und was von Verdunklungsgefahr zu faseln, deutet auch auf einen Burnout bei der Münchner Staatsanwaltschaft hin. Und überhaupt: das ist ein freies Land, man wird doch noch seine eigene Villa anzünden dürfen, oder?

Bremen – Hertha BSC 2:1 (1:1)
Der Fußballgott ist ein Arschloch. Man verstehe mich nicht falsch, ich bin froh, dass die Bremer sich wieder eingekriegt haben und dass sie wieder oben mitspielen, obwohl der derzeitige zweite Platz eine unerhörte Schmeichelei für die Chaostheoretiker von der Weser ist. Und ich bin nicht im geringsten der Hertha zugetan, aber dieses Spiel war eine größere Farce als die nach hinten verlegte Tagesschau wegen des Papstbesuchs (Fick dich ARD!). Von vorne bis hinten verpfiffen, meist zu Ungunsten der Berliner. Gravierendste und einschneidendste Fehlentscheidung war die Gelb-Rote von Ramos (die Rote von Lell ging voll okay), und überhaupt hab ich eine solche Kartenschlacht zuletzt beim WM-Endspiel zwischen Spanien und Holland gesehen, wenn man vom letzten Zweierwatt („Watten“ = bayr. Kartenspiel) mal absieht. Die Hertha hat vor den Platzverweisen schon guten Fußball gespielt, wenn man von Krafts Patzer und der verwirrten Abwehr beim Gegentor mal absieht, aber erst zu neunt sind sie über sich hinausgewachsen. Zerstreute Bremer mussten Raffael teilweise zu fünft hinterherlaufen und selbst dann half nur noch ein nicht gegebenes Foul. Unglaublich aber wahr: die Berliner hatten zu neunt sogar noch eindeutige Torchancen. Und dann im letzten Zipfel der Nachspielzeit doch noch der unverdiente Treffer für Werder. Ich wiederhole mich, die zwei Punkte hinter Bayern werden nicht lange halten, bald geht’s wieder zurück ins Mittelmaß, denn die Mannschaft gibt so eine hohe Platzierung überhaupt nicht her.

FC Bayern – Leverkusen 3:0 (2:0)
„Mia san Mia“, das auf dem Trikot eingestickte und auf dem Platz wiederbelebte Selbstbewusstseins-Dogma des FC Bayern, klingt in dieser Saison noch nicht einmal mehr für den gemeinen Preussen fremdsprachig. Mit fremder Zunge sprach bei diesem Spiel sowieso nur Robin Dutt und damit meine ich nicht sein Schwäbisch. Die Mannschaft versteht ihren Trainer offenbar nicht, denn das Chaos, das die Leverkusener vom Mittelfeld abwärts entfesseln, kann so nicht von Dutt verordnet worden sein. Ich bleibe dabei, Dutt ist überfordert und die individiuelle Klasse der Spieler verpufft wie ein Fluch von Kiesling einsam in der gegnerischen Hälfte an einem lauwarmen Septemberabend in der Allianz Arena. Bei Bayern haben sich auf diesem hohen Niveau trotzdem ein paar Fehlpässe eingeschlichen und auch im Abschluss wird mehr gedümpelt als gedübelt, dennoch fällt auf, dass die Raumaufteilung in der Abwehr nahezu perfekt ist und dass man im defensiven Mittelfeld extrem nah am Mann steht und die Zweikämpfe gewinnt, und das macht einen Dimensionssprung zu der laxen Van-Gaal-Abwehr aus. Das Lebkuchenherz des Tages geht natürlich an Robben für sein Comeback-Tor und an Schweinsteiger für den besten tödlichen Pass der bisherigen Saison. Im Interview nach dem Spiel lobt Dutt dann noch seine bräsige Truppe für ihre Standhaftigkeit und prophezeit baldige Siege und selbst wenn man durch den schwäbischen Sprachvorhang blickt, versteht man nicht, wovon der Mann spricht.

Gladbach – Nürnberg 1:0 (0:0)
Der Club hält hinten dagegen, bringt aber vorne nix zustande trotz der Rückkehr von Pekhart (den ich auch jedes Mal anders schreibe). Alexander Stephan im Nürnberger Tor ist ein weiteres Beispiel für den ewigen Torwart-Frühling der über die Bundesliga hereingebrochen ist. Guter Mann, aber Gladbach spielt robotisch sein Spiel zuende und erneut reicht es zum Favre Classique, alias 1:0. Gute anderthalb Stunden lang war Gladbach Tabellenführer und ist nach Bayern die momentan beste Mannschaft in der Liga. Nicht Werder.

Köln – Hoffenheim 2:0 (1:0)
Podolski spielt alles in Grund und Boden und Solbakken hat eingesehen, dass in Köln Spielkultur niemals über den Instinktfußball obsiegen kann und ein System in Köln immer nur so gut ist, wie ein Podolski es findet.

Mainz – Dortmund 1:2 (1:0)
Der Tuchel hat einfach nicht mehr das Personal, um da oben mitzuhalten. Dortmund musste seine erste Krise seit der Meisterschaft bewältigen und sich mit Gewalt dagegen zu stemmen, war das richtige Mittel und deshalb das späte Tor vom vorher patzenden Piszczek hoch verdient.

Schalke – Freiburg 4:2 (1:1)
Super Spiel von Schalke zu Ehren des ausgebrannten Ralf Rangnicks inklusive einer Raul-Gala. Dank Interimstrainer (Kandidat zum Unwort des Jahres) Seppo Eichkorn darf auch Jurado wieder ran und tut der neulich noch einfallslosen Schalker Offensive gut. Verdienter Sieg und der erste Nagel im Sarg von Freiburg.

Wolfsburg – K’lautern 1:0 (0:0)
Langweiliges Spiel und beschämend, dass die Lauterner Überzahl wegen roter Karte für Kyrgiakos lediglich dazu führte, dass der FCK noch langweiliger spielte und letztlich zurecht verlor.

Augsburg – Hannover 0:0 (0:0)
Wenn es am Ende der Saison einen Sonderpreis für die meisten Unentschieden gibt, dann ist Augsburg auf einem guten Weg. Andernfalls nicht. Furchtbar langweiliges Spiel und noch Glück für Augsburger.

Stuttgart – HSV 1:2 (1:0)
Auch wenn sein Name so klingt und er aussieht wie ein schmieriger Magier aus den zwanziger Jahren, hat Rodolfo Cardoso dennoch ein Kunststück hinbekommen, das man in Hamburg beinahe für schwarze Magie gehalten hätte. Er hat mit dem HSV ein Spiel gewonnen und das sogar noch verdient. Ich hab mich in der Woche mit einem sehr netten Kollegen von der 11Freunde unterhalten und unsereins tut sich ja immer leicht mit den populistischen Gehässigkeiten, und da war es gut, dass ich jetzt weiß, dass der Oenning eigentlich ein prima Typ ist, was natürlich nichts daran ändert, dass er mit der Mannschaft nichts Halbes und nichts Ganzes hinbekommen hat. Wer kommt jetzt? Huub Stevens? Are you serious, Bro? Soviel zum Thema Umbruch in der Spielkultur. UPDATE: Huub zu Schalke, denn in Geilsenkirchen wurde zuletzt auch ein bisschen zu schöner Offensiv-Fußball gespielt, oder?

21 comments / Add your comment below

  1. Hier wird mittlerweile Baldrian statt Bier gereicht, wenn Bremen spielt. Hertha hat sich vielleicht zu früh im Spiel auf engmaschige Abwehr und Konter verlagert. Die schnellen Angriffe von Ebert, Ramos und Raffael waren zwar schön, trotzdem sehe ich zwischen Herthas früher Führung und Lells roter Karte Bremen als dominante Mannschaft. Hunt, Arnautovic und Pizarro haben ordentlich Druck gemacht. Warum dann nach den Platzverweisen die Hauptstadt auflebt und die Heimmannschaft sich in einer konfusen Idiotie über den linken Flügel ein ums andere Mal verrennt, mag der Himmel wissen. Auf’s gesamte Spiel gesehen, wäre ein Unentschieden sicher gerecht gewesen, aber, wie letzte Woche schon angemerkt, Bremens taktische Ausrichtung heißt offensichtlich Zufall. Leider ist Sport nicht immer gerecht, sonst hätte Hertha den Elfer bekommen. Schieben wir es auf die Statistik, denn Pizzaro hat im grün-weißen Trikot noch nie gegen Berlin verloren.

    Während dem HSV-Spiel befand ich mich gerade auf einer ausgelassenen Geburtstagsfeier. Eine Bekannte bemerkte dort, mit Blick aufs Smartphone: „Das Fußballuniversum hat sich offenbar schon vor uns unter den Tisch gesoffen. Hamburg hat gewonnen.“ Vielleicht sollte man Cardoso einfach machen lassen, schließlich hat er den HSV schon einmal bis in die Champions League geführt, als der Verein ihn eigentlich gar nicht haben wollte.

    Der Hinrichtung Leverkusens durch die Bayern und der willkommenen Gladbacher Effizienz ist nichts mehr hinzuzufügen.

  2. Ich sehe halt keine Evolution bei Bremen. Es ist seit ein paar Jahren ein Bauchspiel nach vorne ohne Hirn für hinten. Und so amüsant die Spiele auch ausfallen mögen, so sehr ist es doch ein „same old“ mittlerweile. Momentan können sie sich für den zweiten Platz hauptsächlich bei Pizarro bedanken, aber auch der wird sich wieder verletzen und dann bleibt ihnen nur noch Rosenberg, weil Arnautovic in diesem Leben kein Goalgetter mehr wird. Cardoso darf interims noch zwei Spiele leiten, dann ist Feierabend, weil er keinen Trainerschein hat. Steht so im Regelwerk.

  3. Die Tatsachen, dass derzeit bis zu sechs Spieler auf dem Platz stehen, die letzte Saison nicht für Werder gespielt haben, Arnautovic gerade anfängt zu lernen, was Mannschaftssport ist und Marin und Hunt Formmitläufer sind, lässt mich hoffen, dass da noch Evolution möglich ist. Andernfalls lacht halt ganz Hamburg in ein, zwei Jahren über Bremen, weil sie die A-Jugend von Arsenal im Kader haben und im Tabellenkeller nach Luft schnappen. Vielleicht gibt es langfristig doch so etwas wie Gerechtigkeit im Sport.

    (Dass der Döspaddel keinen Trainerschein hat, muss ich im Sportteil überlesen haben.)

  4. Trainerschein hin oder her, wie lange war die Fußballlichtgestalt ohne Schein (damit meine ich nicht den Führerschein…) im Geschäft unterwegs? Das sind doch alles Petitessen…
    Die Schlagzeile: Die Ausgebrannten der Woche: Rangnick, Breno (und seine Villa) habe ich bisher nur hier gelesen. Aber der Breno hat halt sein Domizil nur gemietet. Und so ein kleiner Millionenbrand wird in München halt ein bisserl anders gehandhabt, als die täglichen SUV-Brände in Berlin. Vielleicht hätte man dem Breno sagen müssen, daß eine Hausratversicherung nicht in jedem Fall zahlt; sein „eigenes“ Haus unter diesen Umständen anzuzünden, macht so viel Sinn wie beim Zweierwatten anzudeuten (o’daitn). Vielleicht wollte er auch aber nur eine Überraschungsparty machen und hat das 100l-Liter Fass mit hochprozentigem Zuckerrohrschnaps zu nahe an der Heizung stehen lassen. Und so ein echter Brasilianer, der friert nicht nur im September.

  5. stt: Ich wusste ja, dass die Breno-Villa nur gemietet ist, aber von so einem dahergelaufenen Fakt lass ich mir doch nicht die Pointe verderben. Die Analogie zum Zweierwatt könnte nicht treffender sein. Letztlich ist der Breno eine arme Sau und an dem Abend war er vermutlich noch dazu eine arme besoffene Sau. Und selbst ich hab im Suff schon mal was angezündet, selbst wenns nur meine Abi-Unterlagen auf Asphalt waren.

    Den Dränee-Schein will er vielleicht auch gar nicht machen, der Rodolfo, weil er ja bereits nach 5 Tagen darüber geklagt hat, wie stressig dieser Beruf ist. Allerdings klang er dabei nicht halb so wehleidig wie der Dutt im Doppelpass-Stammtisch, der den Trainerberuf dreist zum Sündenbock der gesamten modernen Mediengesellschaft herbeigeweint hat.

  6. Huub ist raus, er hat wohl parallel etwas zu offensiv mit Schalke geflirtet. Jetzt ist die Rede von van Gaalsen, ich bete, dass der es nicht wird. Dann ja lieber noch Bernd Schuster. :)

  7. MC: Sei froh, dass es nicht der Huub wird, das wäre ein Rückschritt. Den Tulpenmeister wünsch ich euch auch nicht, obwohl ich ihn gerne mal im Abstiegskampf gesehen hätte. Da kann er ja wohl kaum auf die Defensive verzichten. Obwohl…, der schon.

  8. Cardoso, der schmierige Magier aus den wilden 20ern – ich verrecke! Wahnsinnsbild! Und dass Pfeifen-Oenning vielleicht gar nicht so eine Pfeife ist, wie Interviews und Interimsbart stets andeuteten, dämmerte mir neulich, als er telefonisch beim Zeigler zugeschaltet war. Ich fand ihn tatsächlich, äh, sympathisch.

  9. Don Miguel: Ja, ich hab mich da ein bisschen in die Häme verrannt beim Oenning. Klar ist das hier eher das Grant als das Grand Hotel unter den deutschen Blogs, aber man muss ja nicht so persistent draufhauen. Michael, wenn du das liest, ich bin halbsorry.

  10. Für mich hat Schalke mit Asamoah und Rangnick seine Sympathiepunkte komplett eingebüsst. Klar ist Rangnick jetzt kein Charmebolzen oder – weniger milde – ein oft unerträglicher Besserwisser und Neunmalklug. Aber gerade diese offensichtlichen Schwächen im Verbund mit seiner tatsächlichen Kompetenz fand ich sympathisch. Zu Huub Stevens ist mir zu Old School.

  11. 1. „[…] wie ein schmieriger Magier aus den zwanziger Jahren […]“
    Ziemlich guter und passender Vergleich. Ich bin zwar kein hühnerbrüstiger, einsamer Nerd, der bei beim Angesprochen-Werden gleich Nasenbluten bekommt, aber ich muss mich bezüglich des Vergleichs wirklich mal für die Rehabilitation von „LOL“ einsetzen. Wirklich. LOL.

    2. Man hat den Eindruck die Bayern wollen der Liga ordentlich den Arsch versohlen und das alles lässt sich ganz prima mit einem gesunden Platz-Tribünen-Kamera-Switch dokumentieren: Ich bin dafür, dass man öfter mal die wohlgenährten Gesichter der Bayern-Bosse einblendet. Komme gerade vom Bayern-ManCity-Spiel und ich könnte mir die grinsende Saubande den ganzen Tag anschauen, vor allem den Uli mit seinem Retroschal und seinem Applaus, den er sich scheinbar (zu Recht) selbst gibt.

    Adieu.

  12. Bisaz: Ich bin an sich zwar gegen die Rehabilitation von LOL, aber dann wiederum dient sie ja als virtueller Applaus für meinen Witz und dann will ich mal ein Auge zudrücken. Was Bayern betrifft, können wir uns bei Van Gaal bedanken. Der hat die bayerische Seele nämlich dermaßen in Selbstzweifel gestürzt, dass sie jetzt das Triple holen muss, um sich wieder zu erholen.

  13. Dass die Bayern selbst in der CL die zweite Halbzeit zum kontrollierten Schonen benutzen, müsste kommende Gegner in Angst versetzen. Wenn man nicht sicher sein könnte, dass ihnen das demnächst auf die Füße fällt.

  14. Rob: Es wird und muss demnächst Rückschläge geben, damit die Mannschaft sich noch mehr konzentriert und dann samt Robben endgültig in höhere Sphären vorstoßen kann. In der Champions League wartet mit Neapel auch schon ein harter Brocken und in der Liga gibt es zwar momentan keine Konkurrenz, aber dafür setzt sicher bald die Überheblichkeit ein und dann schepperts wieder wie gegen Gladbach. Irgendwie macht mir Bremen als Bayernverfolger doch mehr Sorgen, als ich zugeben wollte. Noch nicht einmal, weil ich sie für so stark halte, aber die haben sich bis auf zwei Punkte herangeduselt und wenn der FCB dann wirklich strauchelt, duseln die sich noch an die Spitze. Und dann muss man wieder hinterherrennen. Langfristig glaube ich aber an die Schale.

  15. @Burnster
    Ich weiß nicht, irgendwie strahlt die Mannschaft so gar keine Überheblichkeit aus. Ribéry läuft zur Höchstform auf und holt so ein bisschen das nach, was ihm unter van Gaal nie gelingen konnte. Der feiert sich gerade einfach übelst ab, zu recht. Robben bekam Gänsehaut bei seinem letzten Bundesliga-Trip, die Müllers und Badstubers sind einfach aus anderem Holz geschnitzt als der peinliche You-me-fuck-fuck-Ronaldo von Real, Neuer bewährt sich bei den Ultras, Heynckes chillt viel und Gomez muss bei jedem Tor über sich selbst schmunzeln, dass er wieder an der richtigen Stelle stand.

    Ich finde Euphorie ist ausnahmsweise bei den Bayern gestattet.

  16. Bisaz: Überheblichkeit gibt’s im Moment überhaupt nicht, da geb ich dir recht. Aber kann ja noch kommen, wenn man noch drei Schwerkaliber zu Null verputzt. Und klar, ich sollte mal ein bisschen euphorisch sein, statt immer nur nach dem nächsten Stolperer a la Gladbach Ausschau zu halten. Bin halt noch etwas verschreckt von der letzten Saison.

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