Meine Generation

Indie-Leute, Musikfans und erweiterte Bekannte, die Scooter tolerabel, lustig, cool oder gar kultig finden, haben keinen Anstand und keine Vision. Keine Idee, was sie mit ihrem Leben anfangen (oder wie sie es beenden) sollen. Überhaupt habe ich selten so einen selbstbeweinenden, jämmerlich unideellen, langweiligen Haufen gesehen wie meine Generation. Ich muss nur das Facebook aufschlagen oder den Gesprächen in Berlin Mitte lauschen, die Visionslosigkeit, schlägt einem überall hart ins Gesicht. Statt einer Idee nur panische Eitelkeit. Der Unterschied zu früher ist allerdings, dass mir das früher scheißegal war, was meine Generation treibt. Dass ich mich jetzt darüber aufrege und überhaupt analysiere, was andere Leute tun, ist schon ein Schritt in die ganz falsche Richtung. Natürlich kommt das von der guten alten Existenzangst. Familie versorgen und all der Unsinn, der süddeutsche Spießer sitzt tief drin in der Schaltzentrale, auch bei mir. Aber deshalb schreib ich das hier auch auf, als Warnschuss. Und eigentlich, weil ich immer schon mal folgenden Satz zitieren wollte. Weil es nie jemand besser und schöner auf den Punkt gebracht hat als die Band Seaside Stars.

„My generation’s arranging time generating mine.“
(Seaside Stars: My Generation)

Und das ist weiß-Gott kein Protestsong. Es geht eher darum, sich ein wenig in der schönen Nichtsbedeutung der eigenen Person zu verlieren. Ein bisschen über die Girls nachdenken, wie sie über den schmelzenden Asphalt schleichen, darüber wie es jetzt wohl am Meer wäre. Wie großartig es ist, jeden Tag neben solchen Leuten wie Dir aufzuwachen, neue Schnapssorten zu probieren, mit dem besten Freund am Tresen sitzen und zu beobachten, wie die Zeit sich nicht bewegt und nur das Glas immer leerer ist. Dem Bart beim Wachsen zuschauen. Sex tun, schwimmen, laufen, schlafen, scheißen. Aussortieren ohne Zeitdruck, wissen, wem man vertrauen kann, ohne seinem eigen Urteil zu misstrauen. Zeit schaffen, Zeit Zeit sein lassen. Schreiben, aufschreiben. Aufnehmen. Abspielen. Ganze Alben hören, alte Fotos verbrennen, weil vorher egal ist – und dabei Gras rauchen. Weißwein saufen wie Wasser, zum Franzosen gehen, zum Italiener, zum Griechen, zum Spanier, solange es die alte Welt noch gibt. Sich in den Regen stellen bis einen das Wasser aus den Schuhen hebt und nie über die Hitze klagen. Nächtelang wachliegen und fernsehen, sich keine Gedanken über die Maschinenseele von Facebook machen, nicht twittern, belanglos sein. So belanglos, wie wir geworden sind, als wir zuhause ausgezogen sind. Sich vorstellen wie es am Meeresgrund ist. Die Tür zumachen. Das Fenster aufreissen. In den Abgrund lachen und alt werden.

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  1. Im ersten Absatz war ich noch froh, nicht zu dieser Generation zu zählen und überlegte, ob meine denn besser sei, um im zweiten aufgeklärt zu werden, dass es ja überhaupt keine Rolle spielt, welcher man angehört.

  2. Scooter scheiße finden ist zwar auch nicht unbedingt visionär, aber immerhin hochanständig. Hoffentlich lassen sich noch viele neue Schnapssorten und sowas entdecken.

  3. Also für mich war das früher definitiv eine Vision, solche Bands, die sich über Musik lustig machen, zu verleugnen. Und Schnaps hört ja wie die Liebe nimmer auf. Entdecke gerade Brandy für mich.

  4. Bin auch den High Spirits verfallen. Momentan beim Gin. Ein weites und interessantes Feld. Sollten mal ein Tasting machen…

  5. Mac: sag deinen Gin! Ich kann unter Bombay Sapphire und Tanqueray eigentlich keinen mehr trinken im Gin Tonic. Hendricks ist natürlich auch eine Klasse für sich, aber ich bin offen für Vorschläge.

  6. Ich dachte eher an Gin den ich niemals als Gin’n’Tonix trinken würde, weil er pur und bei Zimmertemperatur genossen der Hammer ist. Hendricks ist gut, aber die Offenbarungen ist bspw. „Gin Mare“! Den kannst du beim Blindtasting vermutlich nicht mal als Gin identifizieren!

    Für den Gebrauch im GinTonic lasse ich eigentlich nur Tanqueray zu, weil er markant genug ist und dem Drink einen eigenen Charakter aufdrückt. Hendricks finde ich da schon fast zu lieblich und verspielt, den kann man auch pur gut trinken.

    Ja, ja… ich bin schon an der Grenze zum Fanatismus was Gin angeht…

  7. und Bombay Sapphire ist jetzt nicht schlecht, aber irgendwie etwas ohne Profil und zu beliebig. Aber das Marketing richtets schon.

    Und bei „Monkey 47“ hat das Marketing wirklich unglaubliches geleistet: Schon interessanter Gin und eine wahre Geschmacksexplosion, aber einfach viel zu teuer für das was er kann…

  8. und zurück zu den Tatsachen des Lebens:
    am Ende desselben kommt eh‘ niemand da lebend raus.
    „Nichts lebt, das würdig wär‘ deiner Regungen,
    und keinen Seufzer verdient die Erde.
    Schmerz und Langeweile ist unser
    Sein und Kot die Welt
    – nichts anderes.“
    Und darauf einen Gin!

  9. Mac: Jetzt wirst du mich gleich entbookmarken, aber ich halte Gin für einen reinen Mischschnaps. Pur schmeckt er mir nicht. Bombay ist der von Weltbarleuten (Schumann etc) empfohlene Gin, lange vor irgendwelchen Marketingkampagnen.

    Der Mandel (aus dem Buch) trinkt ja immer mit Beefeater, was ich jetzt auch nicht nachvollziehen kann, aber er brauchts erdig.

    Ich merke aber schon , dass ich im Gegensatz zur dir hier nur rumbanause und deshalb werde ich einen „Gin Mare“ probieren und dir sagen, wie ich ihn finde. Danke für das Nischen-Spamming, dafür sind doch Blogs da.

    stt: Wenn man dein Zitat googelt, kommt man auf diese zwielichtige Seite: http://www.anus.com/tribes/gnus/entry/539/Der_Eskapismus

  10. Tja, so ist das, wenn man nicht mehr in der Zwanzigern ist, ergo: wenn man älter wird und anfängt zu denken. Auch das mit der Popmusik wird eines Tages vorbei sein und nur als etwas peinliche Nostalgie in der Biographie vorkommen.
    (banales Englisches Popmusikzitat, man glaubt es kaum. Sowas gibt’s tausendfach und alles nur Binsen. Seit Dylan.
    … Lichtenberg, Valentin oder Ringelnatz wären nun im reifen Alter angebrachter)

  11. hey burnster: das ist ja hier die totale zitatenüberwachung! Es stammt natürlich vom Meister des Nihilismus dem ollen Nitzsche. Was der dann allerdings mit anus.com zu tun, geht mir am selbigen vorbei!

  12. Klaus: Ich hör ja grade wieder altes Dylanzeugs und der ist schon deutlich zitabler als viele seiner Kollegen. Feines Händchen für Worte, der Mann.

    stt: Haha. Ich kannte das Zitat eben nicht und bin durch googeln zwar auch auf Nitzsche, aber eben auch auf die betreffende Seite gestoßen. Unterstellen wollte ich damit freilich nix, eher eine Kuriosität melden.

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