Brennerpass: Das Leben der Anderen (2)

Um die Winterpause zu überbrücken, lasse ich hier Fans “anderer” (also anders als FC Bayern) Vereine zu Wort kommen, die ihrer Leidenschaft, Sorge oder Rage freien Lauf lassen. In Teil 2 tauchen wir ab in die zweite Liga zu einem Verein, der freilich aller Unkenrufe zum Trotz in die erste gehört. Unser heutiger Chronist und Großfan ist der ausgezeichnete Internettagebuchschreiber und Autor Mequito, der mit seinem südländischen Soul der alten Dame den Zweitligablues austreibt, und sich außerdem ab Mai einen Schnurrbart stehen lassen wird.

No Bad Feelings
von Mequito

Als Berni mich fragte, ob ich in der Winterpause etwas über Hertha BSC in der zweiten Liga schreiben könnte, las ich gerade die Ranglisten der Spieler in der zweiten Liga. Wir schlagen uns gut, sind auf allen Positionen vortrefflich besetzt. Unser defensives Mittelfeld ist mit Abstand das beste der Liga. Es geht mir gut.

Ich fühlte mich von Bernis Anfrage sehr geehrt, ich sagte natürlich sofort zu und fragte, was er genau über Hertha wissen möchte, ob ich berichten sollte, wie Scheiße es sich anfühlt (no bad feelings) zu den Spielen im Unterhaus zu gehen, oder ob ich generell einen Fitnesscheck der Mannschaft durchgeben solle. Zweite Liga ist nämlich immer ein wenig das Stiefkind. Da schaut man einige Male im Jahr rein, prüft die Tabelle und wendet sich dann wieder dem richtigen Fussball zu. Ich kenne das noch aus Erstliga-Zeiten. Auch wenn Hertha in der letzten Erstliga-Zeit nicht immer „richtiger Fussball“ war.
Eigentlich stört mich die zweite Liga gar nicht so sehr, ich habe nichts dagegen, Spiele gegen Sandhausen oder Aalen zu schauen, die kleinen Mannschaften kommen gegen die Großen oft richtig in Fahrt, das führt zu durchaus anregenden Spielen. Mich stört es nur, wenn am Samstag bei der Tagesschau beim Vorlesen der Tabelle die Hertha nicht mehr erwähnt wird. Das ist sogar meiner Freundin aufgefallen. Sie verwechselt Tabelle ständig mit Liste. Sie sagte: hey, wir stehen ja nicht mehr auf der Liste.
Ja. Das bedeutet zweite Liga.

Wir sind aber gut in Fahrt. Wir stehen auf Platz zwei mit einem Vorsprung vom zehn Punkten auf Platz drei. Wir haben eine selten harmonische Mannschaft, die sogar so etwas wie Reife ausstrahlt, wir haben wieder ein Spielsystem und wir haben zum ersten Mal eine Spielkultur. Zwar sind uns wichtige und teure Spieler auf dem Weg in die zweite Liga abgesprungen, aber mit dieser Mannschaft, die auf einzelnen Positionen vielleicht nicht mehr die sogenannte individuelle Qualität von früher hat, wären wir in der letzten Saison sicherlich nicht abgestiegen. Dass die Mannschaft der letzten Saison ein offensichtliches psychologisches Problem hatte, ist unbestritten. Dass der neue Trainer Jos Luhukay (oder J-Lu, wie wir ihn nennen) alles umgekrempelt, alles zusammengefügt, alles gerettet hat, auch. Bleibt jetzt nur die Frage: ist J-Lu ein Psychologe, ein sympathischer kleiner Diktator, oder eine Kindergartenpädagoge?

Fussball und Psychologie. Es hieß einmal, ein Drittel ist Talent, ein weiteres Drittel ist Taktik und das letzte Drittel ist Psychologie. Ich glaube ja durchaus, dass die Mannschaft im letzten Jahr aufgrund der Trainerentlassung zusammengebrochen ist. Mit einem eigentümlich unsympathisch wirkenden Chef wie Michael Preetz als Kopf der Clubs hätte ich womöglich auch nicht mehr gekonnt. Die Mannschaft hat nicht mehr für etwas gebrannt. Zudem glaubt man bei Hertha ohnehin immer unsympathisch zu sein. Aber vielleicht ist Jos Luhukay unsere bodenständige Kindergartentante, auf die wir wohl immer gewartet haben.

Fakt ist: ich bin ein bisschen in J-Lu verliebt und sollten wir im Mai wieder in die Bundesliga aufsteigen, dann lasse ich mir einen Schnurrbart wachsen.

>> Das Leben der Anderen (1) – Eintracht Frankfurt

5 comments / Add your comment below

  1. Auf einem Hertha-Blog hab ich gelesen, 2013 wird Euer „Jahr der Wahrheit“. Ich tippe dann mal auf einen Trainerwechsel im Dezember nach vier Niederlagen in Folge in der ersten Liga. Und das ist ja immer meine größte Crux mit der lieben Hertha, solange es gut läuft, ist dieser fahrige fahrige Mensch namens Preetz nicht loszuwerden. Ich freu mich aber auf deinen Schnurrbart, Mek.

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