Hinter dir, ein dreiköpfiger Affe! (2013)

„Guybrush? Is that a French name?“
„No, actually it’s a fictional name.“

(Was jetzt gleich folgt, ist die Neuabmischung eines alten Blogeintrags vom 7. August 2006, wieder ausgegraben zu Ehren des jüngst verschiedenen Spielestudios LucasArts)

Mein Mitbewohner und ich waren uns nicht sonderlich ähnlich. Er war ein Bär, ich ein Hemd (zumindest vor meinem Ferienjob als Bierfahrer bei Thurn & Taxis). Er las Bukowski, ich Anne Rice. Er hörte Van Morrison, ich Rancid. Er ging ins Irish Harp, ich in die Alte Filmbühne. Er kam aus Oberbayern, ich aus Niederbayern. Trotz dieser entzweienden Unterschiede fanden wir unsere Gemeinsamkeiten. Da war zum einen das Saufen und zum anderen die Weiber. Da war unsere Liebe zum FC Bayern und zur Formel 1 und unser Wettbewerbsgeist, den wir in „Wer kommt später und besoffener nach Hause“ auslebten und uns aber auch als Verlierer sportlich gaben, indem wir versöhnlich nachts im Vollrausch Darts spielten und/oder nackt durch die Wohnung tanzten. Im Grunde genommen hatte ich bei diesem Gesamtwettbewerb sowieso nie eine wirkliche Chance und kam über Etappensiege nicht hinaus. Wie soll man auch gegen jemand gewinnen, der drei Tage lang nicht vom Trinkengehen wiederkehrt, nachdem er sich an einem x-beliebigen Sonntag Nachmittag kurz mit „Ich geh schnell auf eine Halbe zum Kneitinger“ verabschiedet?

Letztlich passten wir uns sowieso immer mehr aneinander an, so dass ich mit ins Irish Harp und er mit in die Filmbühne kam, ich Van Morrison und er die Mighty Mighty Bosstones hörte, und wir uns beide gleichzeitig die Haare abrasierten und Drehbücher für unseren Anrufbeantworter schrieben. Wir erfanden Rituale wie die feierliche Ventilatorprozession, an der wir jeweils am Sommeranfang und Ende unsere Ventilatoren vom Dachboden holten, bzw. zurückbrachten, und wir entdeckten eine gemeinsame Leidenschaft, die uns an manchen Tagen zu einer unkontaktierbaren Wohngemeinschaft machte und die ebenfalls unserem Faible für Wettbewerbe entsprach: Das simultane Lösen von Adventure Games aus dem Hause Lucas Arts.

Wir haben sie wirklich alle gespielt: The Dig, Indiana Jones, Sam & Max, Full Throttle, Day Of The Tentacle, Maniac Mansion, Zak McKracken etc. Doch am eindrucksvollsten war für uns immer die Monkey Island Reihe. Sie ging mit all ihren merkwürdigen Charakteren in unsere Alltagssprache und unseren Humor ein. Stan, der nervige (Schiff/Sarg/etc)Händler wurde beispielsweis zum Sinnbild für enervierende kaufmännische Angestellte im echten Leben.

Angefangen hat alles mit einem langweiligen Sonntagnachmittag, an dem ich meinen Mitbewohner fragte, ob er nicht ein Computerspiel für mich zum Zeitvertreib hätte. Er überreichte mir geradezu feierlich The Curse Of Monkey Island und als ich ein wenig die mangelnde Aktualität beklagte, wurde er leicht mürrisch und versprach mir nicht nur einen hochgradig humoristischen Spielverlauf sondern auch nervenzerfetzendes Verzweifeln an diversen Rätseln. Er behielt in beiden Aspekten Recht, wobei ich diesen Teil noch auf eigene Faust lösen konnte, und das war mir auch ein Anliegen wegen des Wettbewerbsgedanken. Schließlich wartete Teil zwei, Le Chuck’s Revenge, längst auf mich und hier wurde ich von meinem Mitbewohner gezwungen, die Variante mit den extrabrutalen Rätseln zu spielen. Er spielte parallel mit, um sich zu beweisen, wie intellektuell überlegen er mir war. Aber auch ich kam aufgrund von vermehrten Nachteinsätzen an seinem PC langsam aber sicher voran, vor allem wenn er mal wieder drei Tage nicht auftauchte.

Ich kam zwar voran aber eben nur bis zu einer gewissen vermaledeiten Stelle. So sehr ich mich mental abmühte und grübelte – und ich grübelte an der Uni, in den Kneipen und zwischen den Haxen meiner Liebschaft -, kam ich einfach nicht auf den entscheidenden Lösungsschritt, der den weiteren Handlungsverlauf von Monkey Island 2 auslöste. Wochenlang steckte ich fest, ich war kreuzunglücklich. Ein Internet kannten wir in jenen Tagen nur in Zeitlupe aus dem sogenannten ZIP-Pool an der Uni, Suchmaschinen nur vom Hörensagen und Lösungsbücher waren mit 16 DM eindeutig zu teuer. So gab es nur einen, der mir aus meiner Misere hätte helfen können. Aber ich wollte lieber von Le Chuck, dem Geisterpiraten aufgefressen werden, als meinen Mitbewohner um Hilfe zu bitten. Und das wusste er.

Und so legte er mir eines Tages einen kleinen Briefumschlag auf den Rechner, auf dem in blauer Tinte fein säuberlich geschrieben stand:

„Monkey Island Hint Letter. To open means to capitulate.“

Was für ein hinterlistiger und leider auch gewiefter Sportsmann. Ich trank ohnehin nicht gerade wenig zu der Zeit, aber ich begann, noch mehr zu trinken und zu kiffen und hoffte auf toxische Träume, in denen mir die Vision vom richtigen Handeln kam und ich am morgen das verschissene Spiel lösen konnte, ohne diesen verfickten Brief zu öffnen. Selbst der Sex war nicht mehr derselbe, so sehr lag all mein Streben und Denken in diesen düsteren Sommertagen auf der Lösung meines Monkey-Island-Problems. Doch egal, wie groß meine Pein auch war, ich schwor mir, den verschissenen Lösungsbrief meines Mitbewohners nie und nimmer zu öffnen.

Zwei Tage später öffnete ich den Brief. In derselben säuberlichen Schrift und der edelblauen Tinte stand in Gedichtform geschrieben, dass ich einfach das Guybrush-Wanted-Poster gegen das Flugblatt von Käpt’n Kate hätte austauschen müssen, ab da ergab sich der Rest quasi von selbst. Es war eine simple Frage von „Benutze X mit X“ gewesen.

Mein Mitbewohner verkniff sich fairerweise die ganz große Häme, aber ich weiß, dass er bis zum heutigen Tag triumphierend in unserer ehemaligen Altstadtwohnung hoch oben über der Stadt thront und sich in die Freibeuterfaust lacht. Wir haben dann Teil drei und vier gleichzeitig gegeneinander gespielt und gewonnen haben wir abwechselnd, je nachdem wer am meisten Zeit hatte, nicht saufen zu gehen. Entsinne ich mich recht, haben wir uns sogar gegenseitig Dates zugeschanzt, damit der andere abgelenkt war und man wieder eine Nacht den PC und das Spiel für sich hatte.

38 comments / Add your comment below

  1. ja, das waren noch zeiten… als die qualität von spielen noch nicht an der anzahl der polygone pro spielfigur festgemacht wurde. als das noch kopfnüsse waren, an denen man sich nächtelang die zähne ausgebissen hat.

    ich glaub, heute abend hol‘ ich monkey island aus der kiste.

  2. Ah. The God of Games. Äh, tschuldigung, wollte sagen:
    Wie passend, Du kämpfst wie eine Kuh.

    (Und ich schau nachher mal zuhause, ob ich sie finde & Dir schicken kann)

  3. Ihr Lieben, insbesondere Chris,

    ich nehme die Spiele sowas von gerne. Ich vermisse die Dinger. Ich kann sie mir ja auf den Rechner ziehen und die CDs zurückschicken. Die Scumm Software für XP braucht nicht unbedingt eine CD. Bei Sam&Max hab ich das zumindest so gemacht.
    Also Chris, go 4 it!

    Und du, lieber Diät, gehörst ja sowieso in meine Blogroll:)

  4. Ich meine, es gäbe inzwischen Seiten, auf denen Du Dir Monkey Island I und II kostenlos (und legal?) herunterladen kannst. Freunde von mir haben das gemacht. Ich kann ansonsten, wenn ich wieder in Leer bin, meine alte Originaldisketten durchwühlen, sie in einer ZIP-Datei zusammenfassen und Dir schicken…

    Monkey Island (v.a. 1 und 2) sind nach wie vor das Großartigste, was die Spielewelt je gesehen hat. Wie überhaupt alle frühen LucasArts-Adventures. Hach!

    Was Stan heute wohl so beruflich macht?

  5. hach ja. bei mir war der knackpunkt »benutze tiefgefrorener affe mit eingerosteter pumpe«. hab ich wochen drauf rumgebrütet. und bei dir?

  6. könnte mit einer schönen version von maniac manison dienen. und, was sehr schön zum abreagieren ist (motto: „stomp it“) einem ganz herrlichen „I was an atomic mutant“ (das aber nicht lucas, dennoch spielenswert)

  7. … zur Not kann ich auch noch jmd. fragen, Buz. Aber wie das hier so ausschaut, wirst Du das Teil auch ohne meine Hilfe zeitnah in den Händen halten. MI ging irgendwie kpl. an mir vorbei. Kann die Leidenschaft aber nachvollziehen – MANIAC MANSION! Dafür habe ich sogar mal einen Dienstag Abend (ab 21.45h) einfach Dallas sausen lassen…

    Monkey Island over Biatches – herrlich!

  8. Danke Mütze, wird schon, alter Jacuzzi-Gangsta!

    Und liebe Huslige: Der Mutant interessiert mich. Besonders in Verbindung mit dem Prädikat „atomic“. Als altes emotionales Atomic Café Wrack sowieso Pflicht!! Grüße!

  9. “Monkey Island Hint Letter. To open means to capitulate.�

    haha wie durchdrungen und gemein ist das denn :D Großartiger Satz und großartige Aktion – ihr müsst wirklich Spass gehabt haben!!!

  10. Genialer Schachzug vom Mitbewohner und die Erinnerungen an R machen mich jetzt fast bissl traurig. Wie sehr ich die Filmbühne vermisse (ok, irgendwie is das Volk dort jetzt schon sehr jung geworden, war das immer so? :))
    Burnster, kannst den Kollegen von uk-sounds mal sagen, dass sie ihren RSS Feed für dein Blog dort fixen sollen?

  11. Nun, da gibt es ja schon genügend Angebote, muss meine MI-Versionen nicht auch noch ins Rennen schicken.
    Aber danke für die Anregung, wenn das tolle Sommer-/Strandwetter in Schleswig-Holstein irgendwann mal wieder aufhört, werde ich mir Indy und Co. mal wieder auf den Rechner ziehen. Und hab ich nicht auch noch irgendwo die Giana Sisters, Pirates! und Kaiser?! *such*

  12. Decay: Wir waren halt früher auch jünger, ne? Und danke für den Uk-Sounds Tipp. Ich sag den Kameraden Bescheid.

    Daniela: Ich bin erstmal versorgt, glaub ich. Außer du hättest Fate Of Atlantis parat:)

    Danke an alle!!

  13. Chris, du bist genauso super wie der Jan. Is eh klar. Sollten technische Schwierigkeiten auftauchen, hast du mich gleich wieder am Hals. Also lass das Zeug mal lieber rausgelegt und VIELEN Dank!

    PS: habs jetzt mal als Zip bekommen. Du hättest mir doch wohl keine Originale geschickt, ne?

  14. Fate of atlantis hätte ich noch rumliegen. Das hab ich nie bis zu Ende gespielt *argh*

    Aber Monkey Island sind und bleiben die besten Adventures *haach*

    Haste Tony Tough schon mal gespielt? Ist ne Art homage an die alten Klassiker. Auch sehr zu empfehlen.

  15. Hey, das sind Zips von Originalen! Und ich hab die eh alle doppelt (Diskette/Billige Heft-CD) – also hast Du jetzt auch Originale :))

  16. Fate of Atlantis und Last Crusade (die beiden Indiana Jones-Spiele) waren wirklich auch ganz großartig, ich warte ja heute noch auf die Verfilmung von Atlantis *g*

  17. ich hab curse of monkey island 97 angefangen zu spielen. bei meinem damaligen freund.
    jetzt ist mir das spiel wieder eingefallen und ich hab eben mehrere freunde angerufen, die das spiel noch zuhause rumfliegen haben sollten. bei ebay müsste ich tage warten! ich bin jetzt ganz heiss drauf!!!

  18. Hey hat jemand von euch MI3 ich finde diesen teil einfach am besten leider hab ich den nicht „mehr“ :( wär sehr nett wenn mir jmd diesen teil sharen könnte…

  19. Da sitze ich hier vor einem Bayreuther Hell und werde fast ein wenig nostalgisch. Nicht so sehr beim Gedanken an verblichene Videogames, eher angesichts der Fehlermeldungen beim Klicken auf die Websites der Kommentatoren aus dem Jahr 2006. Aber immer noch und immer wieder ein sehr geiler Text. Play on, Burnster! Ich geh gleich auch schnell noch auf eine Halbe ins Backstage.

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