Brennerpass Bundesliga 2013/2014 (22)

brennerpassLIGA1

Hamburg – Dortmund 3:0 (1:0)
Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass der Brennerpass mit dem Hamburg- statt mit dem Bayernspiel beginnt. Aber wenn der Brennerpass eins über den FC Bayern stellt, dann ist das Situationskomik. Und anders kann ich dieses Spiel nicht beschreiben. Angefangen bei der ganz grundsätzlichen Tatsache, dass ein wiederaufgerüsteter BVB inklusive Reus gegen einen alles andere als rüstigen bzw. abgehalfterten HSV deutlich und sogar verdient verliert, ist dieses Spiel eigentlich nicht zu glauben. Ausgerechnet der zuletzt so von Vorstandsebenen genervte Slomka kommt auf die Titantic und umsurft lässig den Eisberg. Klar war Dortmund zunächst im kommoden „ach, der Absteiger kommt“-Modus, aber selbst mit Powerplay war der HSV nicht wieder einzusargen. Dafür sorgte vor allem auch der zuletzt so gerupfte Adler, aber auch die neu formierte Innenverteidigung, die beweist: je weniger Verantwortung Heiko Westermann trägt, desto besser spielt er. Dann natürlich ein Glanzspiel für den bereits ausrangierten Jiracek, ein handelsübliches Spiel für Lasogga (trifft krisenunabhängig und jubelt wie ein Wrestler) und ein im wahrsten Sinne des Wortes freidrehender Calhanoglu. Für solche Tore wurde die Torfabrik (der Ball, nicht die Fabrik) erfunden: einmal schief anschauen und schon ändert ein 40-Meter-Strich auf den letzten 5 Metern seine Richtung um 90 Grad. Selbst Klopp kann da nur noch schief lächeln und akzeptieren, dass der Fußball Kapriolen schreibt, denen selbst er keine Lakonie mehr hinzufügen kann. Für mich das Beste nach dem Spiel: Erklärbär Manuel Friedrich am Mikrofon, wie immer hochpathetisch, unbremsbar melancholisch, zutiefst schuldbewusst und irgendwas von „Leben und Tod“ faselnd.

Nürnberg – Braunschweig 2:1 (0:1)
Für jeden, der’s nicht gesehen hat, ein kurzes Protokoll dieses irrlichternden Wahnsinns:
Braunschweig startet smart und unverkrampft (also das Gegenteil von Lanz am Samstag), der Club steht neben sich mit Stock im Arsch (siehe vorheriger Vergleich). Dann berechtigtes Rot für Nilsson im Zweikampf mit Nielsen (das hab ihr abgesprochen, gebt’s zu). Kurz darauf köpft der neuerdings torwürtige (drei im Spiel davor) Kumbela ein. Nürnberg schläft weiter und nur Torwart Schäfer verhindert mit Gewalt, dass Kumbela nachlegt. Das gibt Gelb und den ersten von drei Elfmetern im Spiel. Kumbela tritt selbst an und özilt den Ball genau auf Schäfer. Halbzeit. Wiederanpfiff und 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Sekunden später steht es 1:1, weil Kiyotake Lust auf einen Kunstschuss hat. Einer Minute später geht der dezimierte Glubb durch einen gelangweilt freistehenden Pekhart in Führung. Braunschweig sieht natürlich nicht ein, warum es in Überzahl verlieren soll, aber Raphael Schäfer beschließt, den besten Tag seiner Bundesligakarriere zu haben. Dann das obligatorisch dumme Piñola-Foul und berechtigter Elfer für Braunschweig. And guess what? Schäfer hält. Weil er es kann. So darf das natürlich nicht weitergehen, denkt sich Braunschweigs Keeper Petkovic und hält jetzt seinerseits einen Elfmeter von Kiyotake. Damit steht ein neuer Bundesligarekord von drei verschossenen Elfmetern in einem Spiel. Braunschweig greift weiter an, aber ist aufgrund der Umstände verständlicherweise zu verwirrt, um noch zu treffen, und geht weinend in die Kabine. Im Interview nach dem Spiel sieht Schäfer in etwas so glücklich entspannt aus, als käme er gerade von einer dreitägigen Body-To-Body-Massage.

Hannover – Bayern 0:4 (0:2)
Still und heimlich ist Bayern Meister geworden. Selbst rechnerisch dauerts ja vermutlich nur noch drei Wochen. Und so definiert sich dann vermutlich Dominanz: Bayern eher nur halbkonzentriert und Hannover fast fanatisch drauf aus, mindestens ein Tor zu schießen – und es geht trotzdem 0:4 aus. Das Schweinsteiger-Comeback war recht souverän, das reicht für einen Stammplatz in der Nationalmannschaft, bei Bayern weiß man das freilich nicht. Toni Kroos‘ Lichtgestalsleistung gegen Arsenal hat da neue Maßstäbe gesetzt. Aber wer Pässe wie den auf Thiago zum Zuckerbäckertor (0:2) spielen kann, der muss auch nicht rennen können wie ein Irrer. Martinez kommt langsam wieder in Schwung, hat sich im Lauf des Spiels zum Rustikalausputzer entwickelt, der manchmal etwas linkisch wirkt, aber dafür deutlich uneitler verteidigt als Dante. Ganz großartig finde ich im Moment Rafinha, der einen Druck auf den rechten Flügel bringt, den der unter Pep im Mittelfeld wiedergeborene Feingeist Lahm auf dieser Position nicht erzeugen könnte. Auf zur WM, Raffi. Gute Partie von Müller und Mandzukic und selbst ein unaufälliger Götze bringt das Spiel der Bayern weiter. Tollkühnster Hund des Spiels war Tom Starke, der beinahe eine Parodie des mitspielenden Torhüters, wie man ihn von Neuer kennt, geliefert hat, das aber unglaublich unterhaltsam und effektiv.

Wolfsburg – Leverkusen 3:1 (1:1)
Dieser Robin Knoche hat ja nicht nur den Monate lang von Hecking umworbenen Timm Klose verdrängt, sondern drängt sich auch als Post-WM-Depressions-Alternative für die Innenverteidigung der Nationalelf auf. Besagter Knoche bricht dann Leverkusen mit einem knochentrockenen (ja, ich weiß) Präzispass das Rückgrad. Der Rest des Spiels war überwiegend „schwere Kost“, wie der Kicker das in seiner Altherren-Flapsigkeit so treffend formuliert. Auch hier wurde übrigens wieder ein Elfmeter vergeben (ist das so eine Charity-Sache, von der ich nichts wusste?), allerdings saß der Nachschuss von Rodriguez. Apropos Charity: Los Abschenkwochos bei Leverkusen. Ibrahimovic hatte aufgrund von mangelnder Gegenwehr schon kurz überlegt, ob er sich das Rückspiel nicht schenkt und stattdessen den Verein kauft.

Freiburg – Augsburg 2:4 (1:1)
Von diesem Spiel ist mir hauptsächlich in Erinnerung geblieben, dass Altintop versucht hat, das Tor in zwei Hälften zu zerschießen. Es war aber auch ein Spiel, das beweist, dass es nicht mehr reicht, guten Fußball zu spielen und eine gute Strategie zu haben, um nicht abzusteigen. Viel ist Freiburg als Tabellenvorletztem in dieser Saison nicht vorzuwerfen. Das ist halt die Saison der eiskalten Hunde, Konzentration ist König und der Tobias Werner sein liebster Hofnarr. Und zugegeben, das Glück haben die Freiburger auch nicht gepachtet: Ein Handelfer übersehen, der andere sogar mit einer Schwalbenkarte verspottet, da kann selbst der erlesene Mehmedi nicht mehr viel ausrichten. Was mir übrigens grade bei diesem Spiel an der Sky-Berichterstattung wieder aufgefallen ist: Die Statistik-Manie. Geht übrigens ganz leicht zum Zuhausenachmachen. Beispiel gefällig? Auch ich konnte bisher noch nie in Freiburg gewinnen. See what I did here?

Stuttgart – Hertha BSC 1:2 (1:1)
Auch hier war der Schiedsrichter nicht unbedingt dem Heimteam gesonnen, oder wie Schneider es formuliert: der „nicht regelkundige“ Offizielle. Abstiegskampf muss kein Spektakel sein, wie dieses Spiel beweist. Lange langweiligen sich beide Mannschaften gegenseitig, dann entscheidet Sandro Wagner das Spiel. BITTE WER?! Stell dir vor du steigst ab, das ist ja eh schon furchtbar. Aber wenn es dann auf drei Punkte hinausläuft, die dir Sandro Wagner geraubt hat, dann kannst du wirklich von einer menschlichen Tragödie sprechen. Hat sich auch der Schiedsrichter gedacht, als er Wagner in der Nachspielzeit die rote Karte gab.

Gladbach – Hoffenheim 2:2 (2:0)
Die Hochphase von Gladbach ist ja schneller verpufft als man Lucien Favre buchstabieren kann. Nachdem man in der Vorrunde zuletzt so erfolgreich auf Offensivfußball umphilosophiert hatte, steht man jetzt in der Defensive vor den großen Fragen der Menschheit. Wo kam dieser Ball her und warum steht keiner bei Volland? Und übrigens: An die Özils, Rodriguezes, Kiyotakes, Kumbelas und Alabas dieser Welt: blicket auf Sejad Salihovic, denn so schießt man Elfmeter.

Schalke – Mainz 0:0 (0:0)
Es hätte so schön sein können mit Schalke in der Rückrunde. Andererseits war der Termin für ein fades Unentschieden gut gewählt, schließlich hatten sich die CL-Mitaspiranten auf eine Nullrunde an Spieltag 22 geeinigt. Nur diesem Max Meyer kann man nicht genug zuschauen. Ich halte einiges von Draxler, bin aber nicht mehr sicher, wer hier das größere Talent ist. Draxler ist filigraner, aber das Herz am vernichtenden Fleck hat eindeutig der Meyer.

Frankfurt – Bremen 0:0 (0:0)
Nach dem furiosen Auftritt bei Porto ein kleiner Dämpfer für die überlegene Eintracht. Bremen ist wieder da, wo sie am Anfang der Saison waren, bei einer defensiven Ausrichtung unter Vernachlässigung der Offensive, was nach Kroos‘ roter Karte in dem Fall nachvollziehbar ist. Dazu fällt mir auch gar keine Pointe ein. Vielleicht mal Jens Lehmann irgendwas zum Thema Schwulsein fragen.

TIPPSPIEL
Gratuliere zum Tagessieg, Joe_Public, das war weiß Gott nicht leicht zu tippen! Und hui, das feinschmeckerle hat ob des obskuren Spieltags sogar die eherne Tabellenführung abgegeben. Übrigens formiert sich langsam das Gewinnerpaket für diese Saison. Aus aktuellem Anlass schon mal ein Buchtipp daraus (denn es kann ja nur einen Sieger geben): Samba tanzt der Fußballgott vom geschätzten Kollegen Mirco Drewes.

1. martin 273
2. feinschmeckerle 272
3. Thomas_Pfa 270
4. ClintsStuhl 267
5. megadrive_fcb 264

Die Tipptabelle für den aktuellen Spieltag
Die Tipptabelle in der Gesamtübersicht

brennerpass_tippspiel

11 comments / Add your comment below

  1. Ich bitte noch mitaufzunehmen: laut Sportschau sind zehn Sekunden nach Anpfiff schnellstes Tor nach Halbzeitpause ever. Nur fürs Geschichtsbuch. (Und Pinola hat keine Schlange überm n und ist außerdem unfehlbar und darf ungefähr alles. Und ist nie schuld! Und ich bin vollkommen objektiv!)

  2. stilhäschen: Ach so, ich dachte, das hätte sich eh schon rumgesprochen mit dem Rekord. Zu Pinola sag ich lieber nix mehr. (Ein Königreich für ein Lama lief heut übrigens auf dem Disney Channel.)

  3. Und noch mitaufzunehmen: Der FCN hat in den ersten fünf Spielen der Rückrunde schon mehr Punkte eingefahren als in der ganzen Vorrunde.

  4. Also ich glaube ja, daß der Klopp heimlich bei oddset auf eine Niederlage gegen den HSV gesetzt hat, weil Dortmund in der nächsten Saison nicht CL spielen und schon nach zusätzlichen Einnahmequellen gesucht wird.

  5. fuxbeck: Klar, und damit in der Rückrundentabelle CL-Qualifikant. Der Witz ist, dass die Nernbercher unter Verbeek in der Hindrunde kein bisschen anders gespielt haben und auch unter Wiesinger nicht unansehnlich waren. Karma is truly a bitch.

  6. stt: Ich glaube ja eher, dass Leverkusen auf Platz vier abrutscht und Dortmund ganz sicher den zweiten Platz hält. Auch in der aktuellen CL-Saison befürchte ich noch eine Wembley-Revanche.

  7. Ich verstehe einfach nicht, wieso Leverkusen immer wieder am Ende verkackt. Meine einzige Erklärung ist die patentrechtliche Sicherung des Begriffes „Vizekusen“.Quasierfolg verpflichtet sozusagen zu Quasileistung in der BuLi. CL nehmen wir mal aus- bin gespannt von wem Bayer nächste Saison den Hintern Triple XXX zu null versohlt bekommt.

  8. Anderl: Ehrlich gesagt fand ich das Patent auf Vizekusen eher unglücklich als selbstironisch oder geschäftstüchtig. Das ist die Geldwert gewordene selbsterfüllende Prophezeiung.

  9. „Auch in der aktuellen CL-Saison befürchte ich noch eine Wembley-Revanche.“ Woher solche Sätze kommen werde ich nie verstehen. Es stimmt wohl das die Verarmungsangst auch bei Superreichen nicht verschwindet.

  10. Hennes IX.: Gar wohlfeil formuliert, lieber Hennes, aber was ich damit in aller (und keinerlei falschen) Bescheidenheit sagen wollte, ist, dass und Dortmund an einem guten Tag immer noch auf Augenhöhe begegnet und auf Augenhöhe kann man auch mal ein entscheidendes Spiel verlieren. Und wenn ich als Fan keine Angst mehr vor Niederlagen hätte, wäre ich saturiert. Oder verlangt man jetzt plötzlich von Bayernfans, dass sie saturiert sind, nur weil es mal zwei Saisonen super läuft? Das ist ja nichts Neues, und auch an den BVB war zwei Saisonen lang nicht hinzuschnuppern. Die Dominanzängste erlangen doch frühestens nächste Saison ihre Gültigkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert