Brennerpass WM-Studio 2014 (12)

Niederlande – Chile 2:0 (0:0)
Kamerun – Brasilien 1:4 (1:2)
Kroatien – Mexiko 1:3 (0:0)
Australien – Spanien 0:3 (0:1)

Langsam werde ich ein bisschen fußballmüde. 36 Spiele in 12 Spieltagen gehen an die Substanz, zumal ich ja auch versuche, alles anzuschauen, um meiner kolumnistischen Verantwortung gerecht zu werden. Dass die späten Spiele jetzt um zehn anfangen, kommt zwar dem Familienmikroklima zugute, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich einpenne, wieder um eine Stunde. Am Ende muss ich doch noch zum Public Viewing, aber wenigstens ist das unsägliche Mitternachtsspiel erst einmal von Tisch, das ich mir im Vorfeld noch so romantisch vorgestellt hatte. In der rauen Wirklichkeit hat es nur dazu geführt, dass ich um zwei Uhr früh in den absurdesten Verrenkungen auf der Couch aufgewacht bin und mich gefragt habe, wer ich bin und warum so spät noch ein Fußballspiel läuft.

Zum Spieltag: Es erscheint mir ganz folgerichtig, dass die Niederlande Chile niederjokert, denn das ist die bessere Mannschaft nicht zuletzt wegen dem Luxussturm, bei dem jemand wie Huntelaar eine Nummer ziehen muss, um überhaupt in den Kader zu kommen. Die Holländer werden es noch weit bringen mit ihrem Abwarten, den schlauen Kontern und den langen Bällen auf die Genies, vor allem wegen Robben, den ich noch nie so gelöst jubeln habe sehen. Chile hat eigentlich alles was man braucht: einen Tresor von einer Abwehr, einen wendigen Sturm ein Löwenherz und einen gut gekleideten Trainer ohne Hals. Und doch fehlt mir irgendetwas, das ich nicht benennen kann. Ich fürchte, das reicht alles nicht gegen den FC Neymar im Achtelfinale, und ich hoffe, ich täusche mich.

Ich weiß nicht so recht. Einerseits ist Neymar schon ein As und die WM braucht seine Show, andererseits ist mir das alles auch ein bisschen zu viel Kasperletheater. Es sind halt diese Spieler vom Schlag Ronaldo, die mir atmosphärisch nicht so liegen. Bei allem Respekt vor ihren Leistungen: Scheiß Frisur und mit den Armen immer beim lieben Gott. (Gute Frisur und Bart dagegen bei Fred) Summa summarum ein Erweckungserlebnis der Brasilianer allerdings gegen einen unausgeschlafenen Gegner. Wo Brasilien wirklich steht, wird sich wohl erst gegen Chile zeigen, ich bin allerdings fast sicher, dass die Selecao da eine Schippe drauf legen kann. Randnotiz: Es freut mich für Matip (Schalke), dass er dieser zerfaserten kamerunischen Mannschaft wenigstens den Ehrentreffer bescheren konnte.

Ich mag sie, aber die Kroaten sind Honks. Klar ist Mexiko ein starker Gegner, aber keinesfalls ein überlegener, weder auf Papier noch auf Rasen. Genau wie bei den bosnischen Kollegen war das ein zielloser, zerhackter Auftritt, bei dem man einfach so lange gewartet hat, bis es den Mexikanern zu dumm wurde. Die haben ja auch nicht ewig Geduld. Der Schiedsrichter hat den Mexikanern schon wieder ein Tor (einen Elfer) gestohlen, man muss sich ernsthaft wundern, dass die überhaupt noch im Turnier sind.

Spanien spielt erneut eher dröge, verewigt sich aber immerhin mit Villas Hacke in den Video-Highlights dieser WM. Australien hat sich in der Vorrunde gut verkauft, auch wenn die Ergebnisse nicht danach aussehen.

In other news: Das Rumgehacke auf den Kommentatoren geht mir auf die Nerven und ich halte es auch für unfair. Für mich ist das eher ein Twitterthema. Leider setzen sich Medien wie Spiegel Online jetzt auf jede sozialmediale Sau drauf und reiten mit ihr durchs Dorf. Ich kann zum Beispiel Tom Bartels ohne Probleme ertragen, sogar Bela Rethy stört mich längst nicht mehr. Ich hab in der Vergangenheit selbst oft massiv an den Sky-Kommentatoren herumgemotzt, aber mittlerweile alle persönlich kennengelernt. Nein, das war ein Scherz, ich habe einfach kapiert, wie schwer das ist, rhetorisch immer in Bewegung zu bleiben, dabei aber sowohl die in Deutschland immer so sehnsüchtig eingeforderte emoción als auch die Fachkenntnis im Gleichgewicht zu halten. Was ich nicht mag, ist die Selbstreferenz, die Hybris, die Automanie, und nichts davon kann man Bartels unterstellen.

2 comments / Add your comment below

  1. Wenn Kommentatoren rhetorisch in Bewegung bleiben, in dem sie deutsche Schiedsrichter zu guten Schiedsrichtern erklären, weil sie deutsch sind, dann will ich lieber gar nichts mehr hören.

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