Das falsche Tagebuch: 8. Oktober 2014

Am Wochenende bin ich durch Deutschland gereist, es hat alles recht friedlich gewirkt. In Frankfurt, in Karlsruhe, sogar in Berlin. Am Montag früh in Karlsruhe wieder in den Zug gestiegen und auf Höhe Frankfurt sind dann Leute in Flammen aufgegangen. Im übertragenen Sinn freilich. Oma will an einer Frau vorbei, die ihre Tasche neben sich in den Gang gelegt hat. Oma stolpert minimal, Oma schreit Unverschämtheit, als hätte sie sich etwas gebrochen. Frau sagt genervt, andere hätten es doch wohl auch geschafft, über die Tasche zu steigen. Oma holt aus als wäre sie eine Tippkick-Figur und drischt mit dem Fuß gegen die Tasche der Frau wie am Ende aller Tage. Frau schlägt mit der Handtasche nach der Oma, Oma hat nur noch Weiß in den Augen und schreit elendiges Miststück. Dann kehrt Ruhe ein, alle wenden sich wieder ihren Zeitungen zu. Es ist neun Uhr morgens, kurz nach Frankfurt.

Ich sitze beim Kaffeetrinken, der Hauswart, der die Kühlschrankscharniere reparieren soll, ruft an, dass er vor der Tür steht und ich nicht da bin. Er sagt das so ruhig und ohne Wut in der Stimme, dass ich sofort losrenne wie ein Blöder. Ich renne, bin eine Minute später da. An sich ist dieser Hauswart tatsächlich ein seelenruhiger Typ, aber man merkt ihm an dass er am Ende ist. Wir haben keine Zeit mehr, begrüßt er mich. Es ist fast zu spät, sagt er kaum hörbar. Je höflicher ich zu ihm bin, desto ruhiger wird er. Es ist zum fürchten.

Das ist kein gutes Jahr bisher. Bisher.