Das falsche Tagebuch: 26. August 2015

Endlich in der Westernstadt El Dorado, Templin gewesen. Keinen Eintritt bezahlt, weil als „Authentiker“ durchgegangen, siehe Foto unten. Gute Kulissen. Wie aus einem Farbfilm von 1952. Viele Details. Keine Fassaden, sondern Häuser. Mit Interieur. Zweckdienlichkeit. Ein Theatersaal, am Saloon angeschlossen, dass du Howdy sagst. Mit ausgestopftem weißen Panther oder Puma oder was das ist. Alles an einem See, umringt von urzeitlichen Bäumen. Wirklich schön. Das Publikum: Schwamm drüber. Die Stunt-Show: Schwamm drüber. Das Essen: ok. Die Auswahl an Cowboyhüten: Frechheit. Mit System-Authentizität a la Westworld (übrigens bald eine vielversprechende HBO-Serie) hat das nix zu tun, aber ohne Kinderspielplatz, Currywurst und Quadfahren kommen ja keine Familien da draußen in der Brandenburger Prärie. Hab mich gefragt, ob es so naive Wild-West-Spektakelchen noch in den USA gibt. Politisch korrekt ist das Cowboy-und-Indianer-Spiel meiner Jugend ja nicht mehr. Damals wollte ich der Indianer sein: listig, behende und mysteriös. Heute eher der Cowboy: gebrochen, alkoholabhängig und ruchlos.

Danach an den See. Eine gemähte Badestelle, Sandstrand, keine Leute, kein Eintritt, kein Stress, niemand im Wasser. Von sowas träumt man als Stoderer (tiefsüddeutsch für Städtler). Dann umständlich nach Hause gefahren, viel gesehen, aber wenig Leute. Durch die kleinen Orte in Brandenburg fahren ist wie langsam durch die ehemalige Goldgräberstadt reiten, bei offenem Fenster kann man jeden persönlich grüßen, der auf seiner zerfallenen Veranda sitzt.

Dann im Stau gestanden und eine CD aus dem Fenster geworfen, die mich genervt hat. Im Radio kam was von einer brennenden Turnhalle neben einem Flüchtlingsheim in Reinickendorf. Ich hab mich immer vor dem Moment gefürchtet. Dem, wo das faschistische Grollen wieder aufsteigt. Weil ich seit meiner Jugend in Bayern mit den Lichterketten und den Republikanern (REP) nie geglaubt habe, dass das hässliche Grollen ganz weg ist. Man muss es nur wecken. Mein Vater sagt: Du willst nicht wissen, was die Leute nebenan über Ausländer denken, du willst es einfach nicht wissen. Niemand will es wissen. Und das ist das einzig Gute an der Misere jetzt: dass wir jetzt wieder dran erinnert werden, was für ein Deppenhaufen dieses Deutschland doch ist, wenn ein jeder sein Maul aufreissen darf. Und Achtung jetzt kommt’s: bedingungslose Meinungsfreiheit ist was für eine utopische Gesellschaft. Die grausigen Massen muss man erziehen. Mit Staatsgewalt und autokratistischer Faust, wenn’s pressiert. Weil dem Mensch an sich halt nicht über den Weg zu trauen ist.

Ich will mich aber nicht einreihen in die Heerschaaren der Neupriester auf Facebook und Konsorten. Ich muss auch nicht betonen, wie wenig fremdenfeindlich ich bin. Ich bewundere jeden, der was tut, is all I’m saying. Und selbst wenn er’s aus Geltungsdrang tut, scheißegal, wenn es Leuten nutzt, ja wenn es der Menscheit und den paar wenigen unantastbaren Idealen wie Großzügigkeit, Toleranz und Friedliebigkeit dient. Jetzt hab ich ja doch gepredigt. Sorry. Und ach ja, spendet doch auch was an die Leut in Syrien, oder die grade daherkommen. Hört man viel zu wenig in den Nachrichten über den Irrsinn da.