Das falsche Tagebuch: 21. Oktober 2015

Ich fürchte, ich weiß nicht mehr, was da draußen wirklich passiert.

Ich konnte der allgemeinen Hirnverbranntheit zum Thema Flüchtlinge bisher immerhin abgewinnen, dass sie der Gesellschaft, die richtige Reaktion abverlangt, nämlich die pauschale Verdammung der völkischen Verdummung, die sofortige Instandsetzung eines moralischen Walls gegen die anachronistische, ja barbarische Existenzangst der „kleinen“ Leute, die sich in Fremdenhass und idiologischem Rückschrittsglauben ausdrückt.

Dann aber habe ich diese Pegida-Feier gesehen und diesen schrecklichen Möchtgernstaatszersetzer Pirinçci und mir ist flau im Magen geworden, weil diese Bilder nicht mehr nur den Effekt haben werden, dass die Leute sich ihrer kleinmütigen Angst und ihrer irrationalen Wut schämen, sondern bestätigt fühlen.

Und eben nicht verstehen, dass der Mensch nicht der Mensch ist, nur weil er der Mensch ist. Dass seine Gefühle und Bauchmeinungen weder Bestand noch ewige Deutungshoheit besitzen. Der Mensch hat einen Intellekt, der sich über die Jahrhunderte weiter entwickelt hin zu einem bisher noch nicht definierten Zustand, von dem ich aber zumindest weiß, dass dieser hosenschissige Neid auf alles, was man angeblich auch selbst verdient hätte, keinen Platz mehr hat. Sollte ich mich irren und Europa ins rechte Nichts absinken, wohin zieht man am besten? Kanada?

NACHTRAG: Hab jetzt erst kapiert, dass der Pirincbums im selben Verlag wie ich auswirft. Bevor ich aber meine Abscheu brieflich aufsetzen konnte, las ich das hier. Besser als nichts.