Das falsche Tagebuch: 9. November 2016

Trump. Nur ein paar Worte.

„What the fuck America“ ist ein falscher Reflex. Wir predigen ständig nur zum eigenen Chor und kehren vor der eigenen Haustür. Genau das machen auch Trump-Wähler. Genau das machen auch Nichtwähler und Politikverdrossene. Niemand übernimmt Verantwortung, vor allem nicht für den Teil der Bevölkerung, der man nicht sein will. Ich wünschte manchmal, ich hätte keine Kinder. Ich würde die Faust aus der Tasche nehmen und durch die Welt reisen und über sie schreiben. Aber ich habe Kinder und eins davon ist schwerkrank. Meine Familie ist meine Prioriät.

Meine Lektion aus dem zurückliegenden Jahr muss aber lauten, erst recht aktiv und aufmerksam zu bleiben. Sich was zu trauen, das Risiko einzugehen, Verantwortung zu übernehmen. Meine Frau hat das gerade getan, sie ist öffentlich sichtbar gegen den Pflegenotstand in der Charité aufgestanden, natürlich weil das unsere Tochter betrifft, aber auch, damit andere Eltern was davon haben, die wir nie kennenlernen werden und mit denen wir sicher auch nie befreundet wären. Vielleicht sogar AfD-Wähler, wer weiß.

Es ist ja schön, wie ihr euch jetzt alle Pointen und Befindlichkeits-Bonmots aus der US-Wahl herausquält, aber noch schöner wäre, ihr macht da was draus. Denn obwohl Trump dieses Konzept völlig dekonstruiert hat, glaube ich daran, dass unsere Gesellschaft nach wie vor von Etikette und moralischem Konsens zusammengehalten wird. Das Verhalten jedes Einzelnen gegenüber dem anderen Einzelnen ist ein politisches Verhalten. Also seien wir politisch oder wie Gottes einziges Gebot in John Nivens Jesus-Satire „Second Coming“ lautet: Seid nett zueinander.

Und außerdem: ein furchtbarer Tag für alle Frauen auf dieser Welt. White men are the dirtfuck worst.