Das falsche Tagebuch: 01. Februar 2017

Kurz was über Musik.

Mit 11 oder so war ich unglaublicher Fan der ersten Dire Straits. Die mit „Sultans of Swing“, drauf, was aber noch nicht einmal mein Lieblingslied war. „Down To The Waterline“, „Lions“, „Water Of Love“ und „In The Gallery“ schlugen Sultans in letzter Instanz wegen dem Groooooove, nur beim Gitarrensolo gewann Sultans wegen dem schnellen Lauf am Ende, den ich bis heute nicht sauber mit Fingertechnik nachspielen kann. Aber auch sonst nicht. Die Platte war eh schon angekratzt als ich sie von meinem Dad übernahm, als ich mit ihr fertig war, war sie nur noch weißes Rauschen.

Einige Zeit danach, vielleicht Jahre, schenkte mir mein Onkel die „Making Movies“ als CD (meine erste CD) und von da an dachte ich, das wär das zweite Album der Dire Straits. Zunächst war ich schockiert über das viele Klavier, die weniger gewordenen Knopfler-Alleingänge, den aufziehenden 80er-Vibe, den Ansatz zum Epischen im Gegensatz zum Spartanischen und den gänzlich fehlenden rotzigen Jazz-Swing der 70er. Natürlich haben mich „Tunnel of Love“, „Romeo & Juliet“ und später auch „Expresso Love“ (der Song war schuld daran, dass ich jahrelang nicht korrekt Espresso bestellen konnte) schnell mit der Platte versöhnt, aber so richtig konnte ich trotzdem nicht verstehen, wie die Knopfler-Brüder (die sie mittlerweile ja gar nicht mehr waren) sich so schnell in Richtung Industrie-Rock wandeln hatten können und zwar nicht ihr gutes Songwriting, aber eben ihre Lässigkeit und den verlotterten Sound verlieren.

Irgendetwas fehlte da doch. Irgendein Übergang. Genau den entdeckte ich, als mich meine Eltern mal mit in die METRO (gab’s da CDs oder spielt mir die Nostalgie einen Streich?) nahmen und ich völlig achtlos im Regal eine blaue CD stehen sah, auf der „Dire Straits – Communique“ stand. Mittlerweile hatte ich die „Love Over Gold“ mit ihren Mini-Opern über emotionale Privatermittler und Industrialisierung gekauft und die extrapolierte „Brothers In Arms“ zu Weihnachten bekommen, hatte also im Grunde mit den alten Dire Straits abgeschlossen. Deshalb konnte ich eigentlich gar nicht glauben, dass diese unscheinbare blaue CD ein reguläres Album war und schaute auf die Jahreszahl der Veröffentlichung: 1979 – köpf mir einer ’nen Storch – also unmittelbar nach dem Debüt.

Ich konnte es wirklich nicht fassen, kaufte sie für ca. 20 Mark, hätte aber auch 50 dafür ausgegeben, und legte sie zuhause in den CD-Player meines Vaters. Und es war, als würde ich die Grabkammern von Nofretete entdecken. Einen verloren geglaubten Schatz, den missing link der Dire-Straits-Epochen, nochmal eine ganze Platte mit der rhythmischen Abgehangenheit der späten 70er. Dass die Songs bei weitem nicht so gut waren wie auf dem Debüt – drauf geschissen. Wochenlang hörte ich die CD rauf und runter, während ich auf dem C64 Miami Vice spielte.

Ich habe mich nie wieder in meinem Leben so über den Fund eines Albums so gefreut wie damals. Für andere wäre das vielleicht eine verlorene Dylan-Platte oder so, aber ich war ein Knopfler-Homer, wie es keinen zweiten im Landkreis gab. Ich schreib das jetzt, weil ich grade zufällig „Portobello Belle“ von der „Communique“ höre und mich frage, ob das Leben vor dem Internet noch ein bisschen mysteriöser war. Nicht, dass ich es vermisse, ich hatte Pickel und niemand hätte je ein Buch von mir veröffentlicht.

9 comments / Add your comment below

  1. Ja, definitiv mysteriöser. Wenn man mit seinem mühselig zusammengekratzten Geld höchstens alle zwei Monate eine neue Platte (ja, Platte) kaufen konnte- und überhaupt keine Ahnung hatte, ob sich das lohnte, weil man bestenfalls einen Song davon kannte. Jedesmal ’ne Wundertüte.

  2. Bruder im Geiste, ich grüße Dich ;-)
    Empfehlenswert ist dann für Dich vermutlich auch die „Live at the BBC“-Doppel-CD. Würde ich mal vermuten. Die hatte bei mir einen ähnlichen Effekt in the aftermath of „Brothers in Arms“ wie bei Dir „Communiqué“.

  3. Hab ich selbstverständlich. Gudes Ding. Hat vor ein paar Jahren ein Revival ausgelöst, im Zuge dessen ich mir endlich die Knopfler-Technik auf der Gitarre draufgeschafft habe. Na ja, in Ansätzen zumindest.

  4. Ich bin kein Experte für Jugend und weiß nicht, wie sich das heute verhält, aber in den Zeiten vor dem Internet gab es – zumindest in der unterfränkischen Provinz – noch das Phänomen der Langeweile. Diese jugendliche Langeweile wurde gemeinhin in der Ödnis einer Bushaltestelle weggeraucht. Manchmal brach dann eine neue LP oder auch ein Konzert wie ein Orkan in diese Langeweile, und das macht diese Musik meiner Jugend wertvoll. Dire Straits gehören dazu, King Crimson, viele andere, und merkwürdiger Weise auch Saga. (Erstes Erlebnis einer Lasershow, 1984 oder so, und du hast gedacht, du bist in einem anderen Weltall.)

  5. mq: Lasershows oder überhaupt Bühnenshows waren was Magisches. Das ist jetzt keine Nostalgie, das ist eine Frage der Zugänglichkeit. Wenn du in der Provinz einsitzt und an sich auch zu jung für „Eventreisen“ bist, dann sind die ersten Konzerte der reinste Hirnbrand. Ich war mit 14 bei Metallica und die hatten eigentlich nur eine mickrige Ausgabe ihrer Justitia-Statue dabei und ich dachte so: GIGANTO-KULISSE, DAS GESAMTE ALBUM WIRD VISUELL UMGESETZT. REISE IN EINE ANDERE WELT. ICH BANG MAL LIEBER MEINEN KOPF BEVOR NOCH AUFFÄLLT, DASS ICH VÖLLIG AUS DEM HÄUSCHEN BIN.

  6. Hirnbrand kommt hin. Lustigerweise war mein erstes richtiges Konzert (also nicht mit Schülerbands aus der ziemlich überschaubaren lokalen Szene) tatsächlich mit den Dire Straits (und mit Police und Whitesnake und den Talking Heads) – falls es eine Bühnenshow gegeben haben sollte, kann ich mich jedenfalls nicht dran erinnern, aber ich war trotzdem GEFLASHT.

  7. Darf ich fragen wann das war? Ich hab Dire Straits erst auf ihrer „On Every Street“-Tour gesehen als die Musik schon beyond marginal war. Der einzig „magische“ Moment war, als sie ganz vorne auf der Rampe (im Olympiastadion München) das ganz kleine Besteck aufgebaut haben (ohne Keyboard) und „Sultans Of Swing“ spielten. Aber selbst das haben sie nicht so hingekommen wie früher. Schon auf der „Alchemy Live“ hat die (Al)Chemie der alten Songs nicht mehr so ganz gestimmt.

  8. Im Sommer 1979 auf der Loreley, bei einem Ereignis, das sich „British Rock Meeting“ nannte (aber ohne die Talking Heads, da habe ich vorhin was durcheinander geschmissen, ist lange her). Die Dire Straits sind, glaube ich, im Rahmen ihrer ziemlich ausgedehnten Communique-Tour dort aufgetreten. Meine Vergleichsmöglichkeiten waren zwar ausgesprochen bescheiden, trotzdem war aber sogar meinem ahnunglosen 15-jährigen Ich klar, dass es sehr, sehr lang dauern würde, bis ich wieder so einen Gitarristen zu hören bekäme.

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