Meistens beginnt es mit einer Gesangslinie. Plötzlich bemächtigt sie sich deines Kopfes und verzombiet schreitest du zu deiner Akkustikgitarre. Freilich ist die Gesangslinie von irgendeinem anderen Song, den du gerade gehört hast, beeinflusst. |Komponieren| = Mopsen. Du legst ein paar abgegriffene Akkordfolgen unter die nun nicht mehr nur platonische Hookline und siehe da, es scheint eins ins andere zu greifen. Aus schlechtem Gewissen baust du noch zwei weitere Akkorde ein und versiehst die bisher dagewesenen mit leichten Variationen, schließlich willst du dir ja nicht nachsagen lassen, du wärst einfallslos oder noch schlimmer: du spielst nicht gut genug Gitarre.
Nun, sobald du von der Qualität deiner Spontanschöpfung halbwegs überzeugt bist, lügst du dir in die Tasche, dass man das ganze ja mal schnell eben in den Rechner hauen könnte, quasi als Skizze. Doch ab hier beginnt bereits der körperliche Verfallsprozess. Ab jetzt zählt nur noch der Song im zähen Ringen mit deinen begrenzten musikalischen Fähigkeiten, deinen laienhaften Recording Skills und der teuflischen Unberechenbarkeit deines Rechners und seinem widerborstigen Umgang mit Sound-Plugins. Etwaig aufkeimende Gefühle wie Hunger, Harndrang, Durst, Müdigkeit, Hygiene geschweige denn soziale Kontakte oder Kanzlerduelle werden aufs sträflichste negiert.
Aus einem kurzen Schlagzeugloop wird ein ganzes Rhythmusgeflecht, aus einer Frisur eine Clownsperücke. Aus einer Rhythmusgitarre werden vier, aus deinem Arbeitszimmer eine Kraterlandschaft, aus dem Zwischenteil wird leider nichts und auch das Abendessen wird auf den nächsten Morgen verschoben.
Irgendwann, so gegen vier Uhr früh, ist man viel zu aufgepeitscht, um schlafen zu gehen. Und für den Fall, dass man dann mal heil in der Heia läge, fällt einem garantiert noch ein Backgroundgesang für den zweiten Teil der ersten Strophe ein, denn man schnell noch aufnehmen könnte. Dann hörst du deinen Song ungefähr noch 15 mal Probe und kannst nicht aufhören, dir – mittlerweile schon gänzlich wirrköpfig – auf die eigene Schulter zu klopfen.
Am nächsten Morgen stehst du auf, hörst dir den Song an und stellst fest, dass du echt schon mal bessere Einfälle hattest.