Im dritten Jahr seit Gründung der Four Horsemen waren wir nur noch zu dritt. Buffalo Pete, der waffenlose Skianorakträger hatte es nicht bis nach Berlin geschafft. Aber wo will man in Berlin schon auch auf einen Faschingsball gehen? Am Samstag rufen Doc Vulture und ich auf verschiedenen Faschingsbällen an, während wir unsere Cowboyoutfit schon griffbereit auf der Couch liegen haben. Immer wenn jemand rangeht, habe ich das Gefühl im Hintergrund befinden sich circa zehn Gäste, die traurig um einen viel zu großen Tisch herumsitzen. Frustriert gehen wir schlafen und lassen unsere Hoffnungen auf einen Faschingsball in Berlin schon fast gen ewige Jagdgründe fahren. Oh, past glory.
Am Rosenmontag sitze ich im Büro und die Uhr zeigt High Noon. Mein Telefon klingelt und Doc Vulture ist dran:
„Howdy Man in Black, der Kid und der Doc gehen jetzt in die Ständige Vertretung zum Kölschen Karneval und du kommst mit.“
„Spinnst du? Wie soll ich das machen? Ich bin hier im Büro, außerdem habe ich keinen Bock auf Kölner Narretei in Berlin“ maule ich.
„Das ist deine letzte Chance, Cowboy. Ich erwarte deinen Anruf in fünf Minuten“, macht der Doc seine Ansage und legt auf.
Ich überlege fieberhaft, was zu tun ist. Dann gehe ich kurzentschlossen aufs Klo, imitiere einen Brechhusten, lasse mir kaltes Wasser übers Gesicht laufen und sage zu meinem englischsprachigen Chef:
„I’m sick. I’m about to totally throw up. I have to go home.“
„Oh yeah sure, please go.“
Gesagt, getan. An der Kreuzung zur Oberbaumbrücke holen mich der Doc und der Kid im schwarzen Alfa ab und wir fahren an den Nordstrand wo ich in das schwarze Hemd, die schwarze Hose, die schwarze Weste und die schwarze Lederjacke schlüpfe und mir meine schwarze Krawatte umbinde. Jetzt noch den Colt eingesteckt und den Hut aufgesetzt und schon breitbeinern wir los in Richtung Spreeufer in die Ständige Vertretung, kurz StäV.
Es ist zwei Uhr nachmittags als wir dort ankommen. Nach vier(zehn) Runden Kölsch fangen wir langsam an, bei De Höhner mitzuwippen und nach weiteren vier, singen wir mit. Eine ältere, aber elegante Dame aus tausend und einer durchzechten Nacht photografiert uns und zwinkert mir verführerisch zu. Schon bald gesellen sich zwei junge Russinnen an den Tisch der älteren Lady und sie kommt zu mir und rät, ich solle mich doch lieber an die Glasnostjugend halten als an sie. Wie bitte?! Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und während ich mich in der Folge des Nachmittags mit der Tochter eines Moskauer Milchmagnaten austausche, bestreitet Doc Vulture mehrere erfolgreiche Wettbewerbe in Armdrücken mit rheinländischen Frohnaturen. Doc und Kid räumen gegen zehn Uhr abends rabenvoll das Feld, während ich bis zwei gar nicht mehr Eastwoodmässig „Viva Colonia“ gröhle und dabei meinen Hut verliere. In der Pizza nebenan hole ich mich mit der Milchmagnatentochter Zigaretten und stelle fest, dass mein Schwager dort arbeitet.
Später verabschiede ich mich herzlich von Nikita, oder wie sie auch immer heißen mochte und gehe nach Hause, denn am nächsten Tag wird eine ganz andere Lady mit ihrem Koffer vor der Tür stehen und bei mir einziehen. Das ahne ich jedoch noch nicht, als ich mir meinen Gute-Nacht-Döner schieße und ihn in der kalten Berliner Prärie in mich hineinstopfe. Die Luft um mich herum ist schwarz wie meine Kleidung.