Gestatten Sie, mein Name ist Saint Burnster

Und um endlich mal bei der Wahrheit zu bleiben, bin ich nicht der für den ich mich ausgebe und genau der, für den Sie mich halten. Natürlich denken Sie jetzt: „Was spinnt er sich denn da jetzt wieder zusammen?“ und Recht haben Sie. Ich spinne mir was zusammen, wenn ich hier schreibe. Das meiste ist aus Versatzstücken der Wahrheit komponiert, das Wenigste frei erfunden. Was am meisten dem Alpdruck der Selbstbestätigung ausgesetzt ist, ist das transportierte Image. Das Image des arroganten Snobs, des larmoyanten Trinkers, semi-talentierten Musikers und passionierten Frauenheldens. Ich habe lange genug beim Bund für Selbstschutz gedient, um mir eben dieses durchaus passable Image anzudienen. Aber irgendwann fängt man an, unter der Ewartungshaltung seines Fremdbildes zu leiden. Das passiert dieser Tage und deshalb ist es Zeit für einen Exkurs in Sachen Demut, der mich am Ende – fürchte ich – noch cooler als zuvor aussehen lässt. Aber warten wir ab, während die Selbstkritik ihr hässliches Haupt gen Berliner Himmel erhebt.

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Gestatten Sie, mein Name ist Saint Burnster und ich bin 32 Jahre alt. Ich stamme aus der finstersten niederbayerischen Provinz, lebe seit einigen Jahren in Berlin und kann immer noch nicht akzentfrei Hochdeutsch sprechen. Ich bin mit 1,76 nicht der Größte, aber vermutlich auch nicht der Kleinste, meine Haltung ist tendenziell bucklig und ich neige zu faltiger Haut und Schweissausbrüchen. Meine Haare sind noch überwiegend schwarz, werden aber rapide grau und immer weniger und meine Zähne sind ein Minenfeld aus Amalgan. Ich ernähre mich falsch und ohne Vitamine, ich nehme in der Regel keine Drogen, aber ich rauche schon seit viel zu langer Zeit, trinke Unmengen an Alkohol seit ich 14 bin und bin deshalb meistens kränklich. Abends trifft man mich überwiegend in Kneipen oder auf Konzerten und ich habe noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen. Tagsüber gehe ich einem Bürojob nach und sehe zu, dass ich immer pünktlich bin. Ich bin single und die letzten Jahre gab es auch keine Indizien für eine Änderung dieses Status. Ich verliebe mich manchmal in viel zu junge Mädchen, ich werde hin und wieder abserviert, manchmal serviere ich ab und ganz oft bleibe ich monatelang ungeküsst und vom Sex wollen wir gar nicht reden. Ich weine oft, bin unglaublich sentimental und pathetisch bis zur Armutszeugnisgrenze. Ich bin ein arroganter Klugscheisser, ungeduldig, aggressiv und grobschlächtig. Ich habe kein Feingefühl und kein Faible für Details. Ich bin im falschen Moment albern und im noch falscheren ernsthaft. Ich bin eitel und selbstverliebt, aber tödlich unsicher und beständig auf Applaus angewiesen. Ich bin alles andere als ein Gewinnertyp, aber ich hasse Verlierer und bin dazu noch ein missgünstiger Neidhammel. Ich bin pedantisch, herrisch und streitsüchtig. Wenn jemand nicht nach meiner Pfeife tanzt, kann ich ihm ein schlechtes Gewissen zaubern, das ihn wochenlang plagt. Ich bin ein Opportunist und ein feiger Lügner, wenn es darum, geht meine Interessen zu verwirklichen und selbstverständlich bin ich käuflich. Mein falscher Stolz ist die tonangebende Komponente in meinem Leben und er paart sich nur allzugerne mit meinem verbissenen Selbstgerechtigkeitssinn.

Das bin ich, ein durchaus widerlicher Zeitgenosse, wenn Sie so wollen. Sie wollen mir weder im Dunkeln, noch kurz nach dem Aufstehen begegnen. Und doch wollen sie mich. Sie alle. Und wenn sie mich fragen wer ich bin, wissen Sie ja jetzt, was ich ihnen antworten werde.