Das dunkle Berlin

So, Captain, please consider me.
Let the boats deliver me.
When I close my eyes,
drive, captain, drive.
It’s time.

(Jets To Brazil – Cat Heaven)

I

ch habe es gesehen, das dunkle Berlin, das Schwarz der Stadt, das man nur selten sieht. Das sich an den nasskalten Tagen, die den Winter einfach nicht abschütteln können, in ihren Nacken gebissen hat und das sich als schwarzes, nasses Blut über ihre Schultern bis hinunter auf den Asphalt windet. Das sich dann offenbart und aus den alten Gemäuern kriecht, das einen mit wilhelminischer Schwere erdrückt und einem den Platz zum Atmen abspenstig macht. Weil es da ist und da seit Jahrzehnten hingehört. Weil es dort vermutlich schon immer war. Weil es vermutlich einst dem slavischen Sumpf entstieg, der diese Stadt am Anfang ihrer Zeitrechnung war. An kalten Regentagen, die Säbelzähne des Winters noch im Nacken, zeigt es sich jenen, die es sehen wollen und jenen, die nichts anderes mehr sehen können. Es steigt aus der Spree pechschwarz und rabenhaft setzt es sich auf die Museumsinsel.

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Wie ein Schwarm schwarzer Vögel nimmt es Platz auf dem Pergamon-Museum und bleibt sitzen bis die Nacht anbricht. Es umwebt den Turm der Charité und hüllt die kettenrauchenden Patienten auf der Hauptterasse ein. Ein schwarzer, öliger Film und der Wind trägt ihn weiter. Das dunkle Berlin wartet unten auf der Straße und ich traue mich nicht die Treppen hinunter, warte an meinem Fenster, warte und warte darauf, dass es endlich wieder hell wird. Weil ich mit dem Licht sonst auch den Verstand verliere.