Sinai

Und dann eben auf dem Sinai gewesen. In Ägypten, dann aber doch wieder nicht in Ägypten. Irgendwie. Grauenvolle Anreise mit einem bis unters Dach vollgestopften Trombosebomber (Zitat Rod Gonzales) von Air Berlin, das sind die mit dem Kerosin im Blut. Angekommmen und sofort unter 200 Touristen vom Campchef erkannt worden, in einen Jeep umgetopft und zwei Stunden ab durch die Wüste, vorbei an Dahab und bei Nuwaiba ab ins Lager, das sinnigerweise RockSea hieß. Ich vermute mal, es handelt sich nicht um einen Zufall, dass die 18jährige, allen Beduinen den Kopf verdrehende Tochter des Hauses auch Roxy gerufen wird. Dufter Typ, unser Campchef namens Micha. Früher mit Atze Schröder unterwegs aber aus gottgegebener Duftigkeit die Komödiantenkarriere gegen ein Dasein am Roten Meer eingetauscht.

Wir also mitten drin in der Wüste und gleichzeitig am Korallenriff geparkt. Mit Blick aufs gegenüberliegende Ufer des Golfs von Akaba, 20km weiter nach Saudi-Arabien. Hier wird geschnorchelt sagte man uns und geschnorchelt wurde dann auch. Bereits am ersten Tag ohne Taucherbrille schlitzte ich mir an der Koralle das halbe rechte Bein auf und ging fortan nur noch sporadisch ins Wasser. Mit Taucherbrille. Das ist dann so, als taucht man im Berliner Zoo-Aquarium. Ziemlich freakige Fischshow. Oder fischige Freakshow. Wie auch immer, wenn einem dann wie meinem Kollegen Juri ein kindsgroßer weißer Fisch widerfährt, fragt man sich gelegentlich schon, ob es die Natur hier noch gut mit einem meint. Ähnliche Fragen warfen die am Eingang zum Riff lauernden Feuerfische auf und geradezu menschenverachtend gebärdeten sich die ortsansässigen Moskitos, die sich pünktlich zum Schlafantritt in einer gut organisierten Streit- und Stichmacht aufgestellt hatten, um unsere Blutarmeen bis auf den letzten Tropfenmann aufzureiben. 40 Stiche zählte ich mal eines Morgens auf dem Rücken des Kollegen.

Dabei haben wir weder denen noch sonstwem noch überhaupt irgendetwas getan, sondern lagen die gesamte Woche auf der zutiefst faulen Haut, alternierend lesend, wattend (für die Preußen: bayerisches Kartenspiel) und schlafend. Nachts dann, mit den Füßen fast in den Wellen, zu Abend gegessen: Sagenhafte Pizza vegetarisch von Beduinen interpretiert. Ägypter haben wir ohnehin nur an den zahllosen militärischen Checkpoints gesehen, sonst nur Beduinen. An besagten Checkpoints standen dafür jeweils ca. 8 schwerbewaffnete Menschen, von denen sich jeder autark für sich ganz genau überlegen durfte, ob er die Eintreffenden denn nun durchwinkt oder nicht. Und es waren nicht die einzigen Zeichen staatlicher Willkür, denen man in einer Woche begegnen konnte. Diverse Augenzeugen berichteten von mitunter blutigen Zusammenkünften zwischen ägyptischer Polizei und Beduinen. Ein Konflikt, zwischen dessen Fronten man nicht geraten möchte. Nicht zuletzt deswegen, weil vor ein paar Jahren (u.a. im Nachbarcamp) ein paar Bomben ein paar Leute zerlegt hatten.

Zerlegt hat uns allahseidank lediglich der mitgebrachte Ouzo und das ausgezeichnete linzenzgebraute ägyptische Stella. Meine Güte, was für ein super Bier, nicht wie das belgische Stella, sondern süßlich wie bayerisches Helles. Ein Lager zum vielmaligen Einlagern in die eigene Leber. An einem der Abende wo wir nicht den Vollmond aufgehen sahen und in den Wellen dinierten, fuhren wir mit dem Campchef in seinem Jeep auf eine neu fertiggestellte Burgruine mit Pool, Tanzfläche, Luxusapartement, Edelküche und Schatzkammer. Das Ding hoch auf einer Klippe über einem riesigen Sandstrand den der ägyptische Entrepreneur gleich mit gekauft hat. Man kann überhaupt sehr viel kaufen da unten, wenn man den Klingelbeutel aufmacht und die Augen davor verschließt, dass jede weitere Bombe den eh schon spärlichen Tourismus am Sinai weitere 15 Jahre in der Zeit zurückwirft. Wie der Beduine an sich, 500 Höhenmeter unter uns so eine Örtlichkeit empfindet, ich möchte es gar nicht wissen. Robert De Niro war wohl vor kurzem da gewesen und hatte sich noch geärgert, weil man ihn von Sharm El Sheikh aus 2 Std durch die Wüste verschleppt hatte, nur damit er in einer falschen Ruine sein Bier trinken darf. Überhaupt ist das ein seltsames Land, dieses Ägypten. Einerseits rasseln die Ketten des Tourismus so laut, dass man bald nichts anderes mehr hört, andererseits wird man als Tourist per se als Ungläubiger wahrgenommen und ohne den Ansatz eines schlechten Gewissens nach Strich und Faden verarscht. Wobei ich die Beduinen und freilich unsere Campfamilie explizit ausnehmen will.

Nach einer Woche wars dann aber auch genug mit mittelos im Mittlerem Osten, denn auch wenn ich mal dachte, dort wo es nie regnet, kann es nur super sein, hab ich mich tatsächlich über das schaurige Wetter in Berlin gefreut. Bevor wir das allerdings in Empfang nehmen konnten, wurden wir noch fast verschleppt. Zumindest war mir so, als unser an sich liebenswerter Raybantragender Taxifahrer Saad mitten in der Wüste angehalten hat und uns zwang in einen fremden Wagen einzusteigen. Gut, war sein zutiefst freundlicher Bruder, der den Rest der Strecke zum Flughafen weiterfuhr, aber hätte ja sein können. Als wir uns dann wenige Stunden später in der Air Berlin Schlange in Begleitung von Heerscharen ledergesichtiger und herummaulender hässlicher Deutscher widerfanden, tat uns jedes schlechte Wort leid, das wir über die Araber verloren hatte. Die Kulturen mögen grundverschieden sein und die meisten Länder dieser Welt unzivilisierte Wallachei, aber Arschlöcher sind sie überall zu gleichviel Prozent.