Enge Hosen

Da bist du ja grade noch rechtzeitig gekommen, duzt ihn die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen.
Warum, fragt der Mandel zurück.
Na, weil jetzt bald die Jodhpurhosen da sind.
Die was, bitte?
Das sind diese MC Hammer-Hosen. So pluderartig, sagt die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen.
Super, denkt sich der Max Mandel. Jetzt hat er sich nach zwei Jahren mal dazu überwinden können, sich so eine enge Hose zu kaufen, weil das jetzt ja alle tragen, die noch jünger sind, und jetzt kommt schon wieder was Neues.
Pluderhosen, das klänge fürchterlich, sagt der Mandel zu der Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen. Ob man da drum herumkäme und ob es sich rein modisch noch rentiere, eine enge Hose zu kaufen.
In Independentkreisen ist das ein zeitloser Klassiker, versichert ihm die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen, was den Mandel ungemein beruhigt. Nicht, dass er sich jetzt zu einem Independentkreis gezählt hätte. Er ist schließlich schon längst zu alt für einen Kreis, ausserdem darf man sich da als Schreiber auch nie so festlegen. Aber der Mandel weiß, dass ein Independentkreis so rein stilistisch nie so daneben liegt, wo doch die Independence einfach nur ein Etikett für die neue Generation von Rockstars geworden ist, die wirklich jedes Mädchen gut findet. Von der Ku’Dammschnickse bis zur Elektromaus: wie die Strokes auszusehen, da spricht heutzutage gar nichts dagegen. Mandel lässt sich von der Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen ein paar enge Hosen geben und geht in die Umkleidekabine.

In der Umkleidekabine zwängt sich der Mandel dann in die enge schwarze Hose und fragt sich, ob ihm das damals in den 80er Jahren vor dem Metallica-Konzert auch so schwer gefallen ist. Master Of Puppets war da erschienen, der Mandel war 14 und hatte sich eine blaue Stretch-Jeans gekauft, weil damals hieß das noch nicht Skinny Jeans. Aber Angliszismen hatte man damals schon ganz verschwenderisch benutzt, da muss man sich nichts vormachen. Weil die Leute sagen ja immer: jetzt, die Nullerjahre, alles so schlimm mit Anglizismen. Stimmt gar nicht. Da schauen Sie in die Achtziger: Laserdisc, sag ich nur. Das war auf jeden Fall die erste enge Hose vom Mandel gewesen und dann hatte er sich aus abgeschnittenen Socken Schweißbänder gebastelt. Weil solche trugen die Männer von Metallica auch. In Schwarz. Und vor dem Spiegel hat er mit dem Zirngiebl Andi Headbangen geübt. Damit man Abend nicht blöd dastand, wenn alle anderen professionell headbangten und man selbst war unsicher in der Kopfbewegung. Sehen Sie, schon wieder ein Anglizismus. Headbangen.

Der Mandel hat jetzt die Hose an und die war um die Hoden herum schon arg eng, findet er. Also noch nicht so eng, dass es weh tut, aber schon so, dass er gesagt hätte, muss jetzt nicht sein. Er sieht sich im Spiegel an und findet, dass seine Beine zu kurz sind für die Stretchhose, die jetzt Skinny Jeans heißt. Er geht aus der Kabine hinaus und marschiert im Umkleidebereich auf und ab. Die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen beobachtet ihn und sagt: Das sieht aber ganz gut aus, oder?
Das Oder irritiert den Mandel. War das nicht die Aufgabe von so Verkäuferinnen, solche Oders gar nicht erst aufkommen zu lassen?
Ich nehm die, sagt der Mandel, weil er zu faul ist, die enge Hose wieder auszuziehen. Das wird abends vorm Bettgehen schwer genug werden. Und so packt die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen die alte weite Jeans vom Mandel in eine Tüte mit dem Logo von der Boutique mit den engen Hosen und der Mandel zahlt schon in der neuen Hose. Und in der neuen Hose geht er auch auf die Straße und denkt ein bisschen darüber nach, warum ihn die Veronika Malleck jetzt eigentlich gestern gesiezt hat, wo sie doch nur fünf Jahre auseinander sind.