Triplé

Ich kann weder zum CL- noch zum Pokalfinale eine detaillierte Spielanalyse abgeben, dafür war ich jeweils zu betrunken, gebannt und surrealisiert. Ich kann jetzt noch nicht wirklich begreifen, was da in den letzten acht Tagen passiert ist. Deshalb meine Lieblingseindrücke im Schnellvorwärtsspringen.

Einmarsch Wembley: Thomas Müller grinst hinterhältig.

Erste Halbzeit Wembley: Entsetzen, Jameson. Den BVB haben wir noch lange nicht abgehängt. Härtester Endgegner seit den Gefechten gegen den HSV in meiner Kindheit. Hohe Pässe nach vorne wie unter Lothar Matthäus. Schlechtes Zeichen. Alle sind nervös bis auf Martinez und Müller. Arsch auf Grundeis an beinahe allen Fronten. Meine Mama trinkt einen Panikrotwein.

Zweite Halbzeit Wembley: Dortmund, es hat sich ausgepresst. Ich habe bei der ersten Robben-Großchance gesagt, dass er das Spiel entscheidet und zwar dieses Mal zum Positiven. Nicht wegen der tollen Geschichte, sondern wegen der Stochastik. Und schon auch, weil er ein großer, großer Spieler ist, der die Offensive der Bayern mehr belebt hat als Kroos, und sogar besser in der Defensive ausgeholfen hat. Lewandowski will Boateng zertreten, da merkt man dann doch, dass dem Eisigen langsam was durchbrennt. Was verständlich ist angesichts der in der Luft hängenden Transfersituation und dem Druck des wichtigsten Spiels in seiner Karriere. Ansonsten angenehm fair und auch Kloppskapadenfrei.

Siegesfeier Wembley: Die sedierte Abteilung Attacke gefällt mir hervorragend. Uli Honeß‘ leicht beschämte Freude hat viel mehr Erhabenheit als sein anachronistisches Gerumpel. Steht dir gut, alter großer Mann. Ansonsten sitze ich in Italien und kann es kaum glauben. Eine halbe Flasche Jameson ist leer, ich bin meiner Mama um den Hals gefallen. Ich will in den Pool oder ins Meer springen, aber das Wasser ist um den Gefrierpunkt. Toskana Mai 2013 ist kein Zuckerschlecken.

DFB-Pokalfinale: Beim Einmarsch grinst Thomas Müller schon wieder so diabolisch. Ich habe keine Angst mehr. Der VfB spielt gut aber ist selbst in Maximalform nicht in der Lage, diese Jahrhunderttruppe zu schlagen. Angst habe ich auch in den letzten zehn Minuten nicht, es ist eher der Ärger. Dann kommen die Momente. Endlich kommen ein paar Momente, in denen ich kapiere, was passiert ist.

Berlin, Siegesfeier: Heynckes kaisert alleine über den Rasen. Franck Ribery bei Mehmet Scholl, die besten und komischsten Siebener. Bild für die Götter. Oder auch Nasi-Nasi, wie Uwe Viehmann es so treffend benannte. Ich vermisse Magdalena Neuner als Goldengel, die war leider letztes Jahr beim falschen Spiel. „Triplé“ sagt Ribery. „Triplé“ und „historique“. Das wird mein Trinkspruch werden. Irgendwas ist anders heute in meinem Leben als Bayernfan, ich finde Philipp Lahm in Interviews nicht mehr scheiße. Ein deutliches Zeichen, es muss das Triplé sein.

München, Rathausbalkon: „Wir fahren in den Puff nach Barcelona“ singt Schweinsteiger. Gomez wirkt schüchtern da oben, genau wie er am Vorabend so kontemplativ alleine aus dem Pokal getrunken hat. Es wirkt wie ein Abschied, dem medial abgehobelten Eindruck kann man sich kaum entziehen. Ich finde, das ist ein ganz prima Kerl. Als Kerl. Als Stürmer irgendwie auch. Aber eben nur irgendwie. Robben trägt seit zwölf Stunden dumme Mützen, Manuel Neuer hat nicht geschlafen und ist gleichzeitig mit mir nach Hause gegangen, wenn auch aus einem anderen Club – zumindest soweit ich weiß. Ich kotze mir immer noch die rote Seele aus dem Leib. Langsam spüre ich was. Triplé!