Eine Weile nichts in das falsche Tagebuch geschrieben, weil alles zu echt war. Ich bin kürzlich das zweite Mal Vater und das erste Mal Vater einer Tochter geworden und die Monate davor waren wie ein schlechter Traum. Es hat sich neben der Schlaflosigkeit – die jeztige ist ein Scheißdreck dagegen – eine Unsicherheit bei uns breit gemacht wie ein heimatloser fetter Verwandter. Der Verwandte ist wieder ausgezogen und an seiner Stelle liegt jetzt so ein tolles menschlisches Mini-Gerät. Ein bisschen Zerissenheit ist geblieben, weil man das Gefühl nicht los wird, dass man seinen Kindern keinen Gefallen tut mit dieser weitgehend brotlosen Schreiberei. Das ist natürlich Paranoia und resignativer Schwachsinn, aber es stimmt auch.
Das nur als Vorgeschichte zu dem, was mir neulich auffiel, als ich (beruflich) an diesem autobiografischen Terry-Gilliam-Text herumübersetzt habe. Natürlich ist Gilliam fast 75 und damit überwiegend ein lebendes Relikt aus einem anderen Jahrhundert, und vielleicht mag man ihm deshalb nachsehen, dass er Züchtigung, Schlachthausbesuche und auch Frauen am Herd für nichts verwerfliches hält, die Frage ist eher, was für eine Einstellung vermittle ich im Jahr 2014 zu antiquierten Gesellschaftsmodellen und Frauenbildern.
Es kommt mir vor, als ob Männer – insbesonders solche, die sich autobiografisch artikulieren – ihr Bedauern über ihr ständiges Unterwegssein, also die klassische Absenz des Vaters inklusive gloriosen Comebacks gegen 21:00 Uhr oder auch nur am Wochenende, meist mit einem Schmunzeln überliefern. Also eigentlich damit kokettieren, dass sie die Erziehung – und damit meine ich die tägliche Scheiße – gerne den Frauen überlassen. Die großen Entscheidungen über Gut und Böse trifft dann freilich der Patriarch.
Ich kaufe nie im Biosupermarkt ein, weil er mir zu weit weg und zu teuer ist, ich habe mich gegenüber Frauen und Männern nicht immer politisch korrekt verhalten und ich scheiß auch meinen Sohn manchmal recht lautstark zusammen (was Gilliam gutheißen würde). Ich bin also weiß-Gott kein Vorzeigemensch, und verlange das ja auch von niemand. Was mir allerdings Rätsel aufgibt, ist die Selbstzufriedenheit der Menschheit als selbstsüchtiges und im Grunde bis auf die Knochen opportunes und von Angst in die Vorverurteilung getriebenes Gebilde, ein einziges anti-humanistisches Mia san mia. Aber wenn wir schon in einer absoluten und adhoc-geilen Optimierungsgesellschaft leben, warum dann nicht auch den eigenen Charakter optimieren?