Ich hab gelesen, man müsse den Film mit Disney-Brille sehen, ihm seine Stereotypen verzeihen, das Leichtfüßige bemerken und den Umstand würdigen, dass eine Frau hier alles in Grund und Boden prügelt. Letzteres halte ich für selbstverständlich und behaupte sogar: für einen Film mit weiblicher Regisseurin, geht’s mir hier viel zu viel um den fröhlich swashbucklenden Alpha-Mann Chris Pine, der sich immer mit ein bisschen zu tiefhängendem Comic Relief aus der „Affäre“ ziehen darf. Ansonsten konnte ich den Film nicht wie „Die Eiskönigin“ schauen, denn dafür war er nicht lustig genug und hat sich auch selbst VIEL zu ernst genommen (ein Ewen Bremner ist halt kein Olaf). Man achte nur mal auf den wagneresken Soundtrack. Von der wirklich hanebüchenen WKI-Handlung aber mal ganz abgesehen. Wer weiß, wie viele Amerikaner jetzt denken, Ludendorff wäre Hitler 1.0 gewesen und die Deutschen schon vor 1933 Nazis (which is an entirely different discussion). Gal Gadot macht das gut, wirkt recht natürlich, wenn auch nicht immer so, als kontrolliere sie schauspielerisch alles, was sie da tut. Bock auf mehr Wonder Woman hab ich grade nicht. Was mich the most fuchsig an dem Film gemacht hat: Völlige Unentschlossenheit was Akzente und Sprachen betrifft. Beispiel: man unterhält sich als englischsprachiger Spion, der sich als Deutscher ausgibt, mit einem Deutschen auf Englisch mit fakem deutschen Akzent, spricht aber andererseits in einem mutmaßlich belgischem Dorf dann deutsch.
Monat: Juni 2017
Das falsche Tagebuch: 14. Juni 2017
Ich brauch Power für mein Akku.
Denn das ist ein Hochverbrauchsritt zwischen Begeisterung, Ratlosigkeit und Verzweiflung. Ein performierendes Leben im besten und ein perforiertes im schlechtesten Sinne. Es liegt ja alles so nah beinander – Tod, Sex, Aufbruch, Abbruch, Scheißhaus, Waschbecken. Mir gings wirklich selten besser und selten schlechter und ich kann nicht ewig so leben – mein Rücken begs to differ – aber eine kleine Zeit lang will ich es, muss ich es. Weil Gespräche und einzelne Vokabeln, die lexikalischen Einheiten wieder so viel bedeuten. Es ist das Zeitalter der Semantik. Weil die Zeit auch wieder wichtig ist, weil mich interessiert, wie lang die Schatten werden und der Blick auf der Uhr wie der Blick aufs Meer ist. Es sieht unendlich aus, aber nur weil man nicht weit genug sieht.
Als ich damals an der Uni Dickens‘ „Große Erwartungen“ gelesen habe, wollte ich auch zumindest einen Umriss für meine kommende glanzvolle, von mir aus auch tragikomische, Vita erahnen können. Immer ich – und immer ich vorne dran in der Aufzählung des Casts meines eigenen Lebens. Selbstdarstellung bis es weh tut, bis verdammt-noch-mal Resultate kommen. Ich hab mir das einigermaßen abgewöhnt, dachte ich. Durch Familie und so. Die Wahrheit ist aber, dass ich selbst die Familie andauernd in einen Kontext bringe, der etwas über mich aussagt. Das gibt mir Power für mein Akku, das macht mich sogar zu einem guten Familienmensch, weil ich dann gerne Familienmensch bin, aber es macht mich auch blind und rücksichtslos für andere Menschen, die ihre eigenen „Großen Erwartungen“ haben.
Dickens, Kafka, Bernhard, Zweig, Updike, Chomsky, Bronte und Easton Ellis hab ich während meiner Zeit an der Uni gelesen. Alles Geschichtenerzähler großer Desillusionierung, right? Trotzdem will man nicht wahrhaben, dass man auf dem Holzweg zur Komplettierung gehörig entgleisen wird und wahrscheinlich sogar muss. Ich will nicht sagen, ich hab das jetzt hinter mir, denn es wird noch ganz oft was rasend daneben gehen, aber ich weiß jetzt ein bisschen, wie es sich anfühlt, zu verlieren. Genauso brutal wie ich dachte, aber – hey – es ruft Aufwachmechanismen ab, die man nicht für möglich gehalten hätte.
Ich kann Erdbeeren am Kanal essen und oder in der Kantine vom Krankenhaus sitzen, ich kann singen und gleich danach bluten und schwitzen wie ein Vieh. Ich kann wieder panisch beten und ich kann mehr denn je auf meine innere Ruhe vertrauen, ich kann alles und ich kann absolut überhaupt nichts. Ich kann Grandioses schreiben und im nächsten Moment alles mit Entsetzen tiefrotstiftig wegkorrigieren wie ein Deutschlehrer den Aufsatz eines nachhilfebedürftigen Schülers. Es ist wirklich alles drin und alles draußen. Es gibt für alles einen Zugang, doch an die wenigsten Dinge kommt man in einem Leben heran. Vielleicht übernehm ich mich, vielleicht überheb ich mich – so oder so: ich brauch Power für mein Akku.