Es wird ganz langsam Nacht über der Wüste. Auf dem Weg nach Vegas sehen wir ein Gewitter, Blitze und Tonnen von Wasser über den fernen Rocky Mountains niedergehen. Dann einen Regenbogen kurz bevor die Sonne sich hinter die Felsen verzieht. Als der Verkehr auf dem Freeway dichter wird und wir den Stratosphere-Turm sehen können, ist es bereits Nacht. Ein paar Minuten später fahren wir den Strip in seiner ausgewachsenen Länge bis zum anderen Ende, fast bis zum Flughafen. Dort thront das Mandalay Bay und eins daneben wohnen wir: im Luxor, im 20. Stock. Ein Hotel, bei dem die geringste Besonderheit ist, dass es aussieht wie eine Pyramide und eine originalgroße Sphinx den Eingang bewacht. Ein Hotel, das seinen Gästen zumutet, eine halbe Stunde an der Rezeption in einer 50m langen Warteschlange zu stehen und dann aber noch 15 Minuten von der Lobby bis zum Zimmer zu benötigen. Ein Hotel ohne Facilities, aber dafür mit Platz für eine Latte an Shops und Restaurants, wie sie sonst nur in einem Einkaufszentrum Platz finden. Dabei ist das Luxor noch ein harmloser Witz gegen die Gigantomanie eines Caesar’s Palace, das einzige Hotel bei dem ich mich in der Lobby verlaufen habe und erst nach einer halben Stunde wieder den Ausgang gefunden habe.
Die Hotels sind eh eine Stadt für sich. Viele sind über Gänge, Rolltreppen oder Trambahnen verbunden. Man geht manchmal kilometerlang durch die Lobbys der Hotels ohne Tageslicht zu sehen. Die in erster Instanz alle gleich aussehen, weil man vor lauter Spieltischen und einarmigen Banditen kein Inteurier mehr erkennen kann. Die in zweiter Instanz die bizarrsten Malls darstellen, die ich kenne (Behold, Alexa!). Eins ist Venedig, das andere Paris, das dritte das antike Rom, im vierten wuchert die Karibik, unseres ist eine Pharaonenstadt und das sechste ist ein Nachbau von Manhattan. Egal, welches man besucht, es sind Shopwälle, die sich vor einem auftürmen. Und ich frage mich anfangs: wie soll ich gleichzeitig nachmittags am Pool der kolossalen Badelandschaften entspannen, shoppen gehen, Shows besuchen und nebenbei noch mein Geld verspielen? Ich glaube, das nennt man Überangebot.
Schnell stellt sich heraus, dass einen im Verlaufe eines Vegas-Tags und vorausgesetzt man ist kein Spieler nur noch wenige Dinge interessieren. Rumlaufen, den Kopf schütteln und sich dann schnell wieder vor den Fernseher legen. Na gut, den Banditen ein bisschen die Hand schütteln, geht. Und dann bekomme ich für meinen 2 Dollar Einsatz 10 wieder und ärgere mich, dass ich nicht 100 eingeworfen hab. In einem Satz das gesamte Businessmodell für Glücksspiele erfasst. Und weil man es nicht den ganzen Tag aushält in der Stadt und schon allein die Musik die überall her zu kommen scheint, muss man raus in die Wüste.
Und zum Hoover Dam. Eine Art Deco Wucht von einem Staudamm, der den unbezwingbaren Urzeitfluss namens Colorado River zwingt, 7 Staaten mit Wasser zu versorgen und Gebiete, die so unfruchtbar sind wie Mondlandschaften in Prachtgrundstücke zu verwandeln. Der Hoover Dam teilt nicht nur Nevada und Arizona, er unterteilt auch in zwei verschiedene Zeitzonen. Ein paar Meter links ist es also später als hier wo ich grade stehe. Die bauen da zudem gerade eine Brücke über den Canyon, die Staaten, die Zeitzonen. Ich muss an Bob Mould denken, der mal gesungen hat:
standing on the edge of the Hoover Dam
I’m on the centerline/right between two states of mind
Vegas hat mich zu kaputt gemacht um noch 5 Stunden bis zum Grand Canyon South Rim draufzupacken und der Hubschrauberflug dahin ist zu teuer, Dollarkurs hin, Weltwirtschaftskrise her. Somit noch eine Nacht in Vegas, die Füße und der Schädel tun mir weh, aber ich kann nicht aufhören zu gehen und vor Ungläubigkeit den Kopf zu schütteln. Der Wahn ist ein schöner, aber wirklich schön ist nur das Bellagio. Die Wasserspiele kannte ich bisher nur aus Ocean’s 11, aber in Wahrheit hat das eine sehr echte und anschauliche Erhabenheit.
Vorbei ist bald die Zeit der Themenhotels, Pyramiden und Eiffeltürme. Das Stardust und das Boardwalks sind schon seit 2006 Geschichte und es wird nicht der letzte Traditionskomplex sein, der fällt. Die Baustellen für die neuen Luxushotels (Citycenter und Echelon Place) überflügeln schon jetzt auf halber Höhe ihre Vorgänger in Ausmaß, Luxus und Kühle.