Ich schreibe aus dem Wellness Kurzurlaub hier am Flesensee. Hotel gut, Essen superb, gibt ausnahmsweise gar nix zu meckern. Aber halt, da war doch was. Und zwar, dass der Hundsfott von Körper jedes Mal denkt: Aha, Wellness, da kann ich ja abschalten. Und dann fährt er runter, reduziert seine Arbeit auf Minimialfunktionen, die grad so zum Überleben reichen. Während ich also zunächst noch frohen Mutes saune, schwimme und spazieren gehe, mich massieren und mit Hochwertkost füttern lasse, verabschieden sich nacheinander Kreislauf, Verdauung und Immunsystem. So bin ich den ganzen Tag todmüde, muss aber dauern aufs Klo, kann aber nicht, bekomme Pickel am Rücken und trockene Haut im Gesicht. Meistens werde ich dann im Anschluss an das Wellness-Wochenende ganz fürchterlich unwell, von Keuchhusten bis Grippchen ist da eigentlich alles drin. Von meinem Bandscheibenvorfall inkl. hämmerndem Ichia-Schmerz will ich gar nicht reden. War ich noch während einer arbeitsamen letzten Woche fast schmerzmittelfrei, könnte ich mir die Ibuprofen-Dose jetzt eigentlich gleich direkt mit allen Pillen im abendlichen Lübzer vom Fass auflösen. Kein Wunder, dass ich mich mittlerweile vor Wellness-Aufenthalten mehr fürchte als vor einem Termin beim Finanzamt.
Sicher sagt der eine oder andere (ich hab da so Kandidaten im Auge) jetzt, was fährst du auch in Wellness, du Depp. Erstens sauspießig und zweitens solltest du doch aus der Erfahrung gelernt haben, dass dein Körper nicht für Wellness gemacht ist. Also bei „erstens“ stimm ich zu, aber dass ich meinem Körper nichts Gutes tun soll, das sehe ich noch nicht so schnell ein. Weil mittlerweile ist es leider so, dass wenn ich ihm etwas Schlechtes wie verrauchte Kneipenabende antue, er ganz genauso bockt. Das ist ein blödes Limbo, in dem ich mich befinde. Ein unauffälliges Mittelmaß in der Lebensweise ist mir quasi verordnet. Kann man sich ja vorstellen, dass mir das nicht ins Konzept passt. Und den Lesern natürlich auch nicht. Nicht umsonst flohen die Leser in Scharen vor der Gutbürgerlichkeit, die dieses Medium 2007 in Beschlag nahm. Meine pathosgeschwängerten Elegien über die Finsternis in Berlin erfreuten sich rein zugriffstechnisch bester Gesundheit. Aber schon als ich nach Barcelona exilierte, um dem Exzess den Rücken zu kehren, kehrten auch einige Leser um und suchten Trost bei anderen Leuten, denen es noch schlechter ging als ihnen selbst. Die Freud an der Inszenierung der Misere ist eben eine verlässliche Größe im Leben eines Lebemann. Vorausgesetzt, die Misere ist nicht zu groß und nicht mehr hausgemacht. Ab dann wird’s selbst den hartnäckigsten Katastrophentouristen zu trist.
Aber halten wir fest: Gesundheit bekommt weder dem Autor, noch der Publikation. Krankheit will er aber jetzt auch nicht direkt einfordern. Ein Vorschlag zur Güte: ich fahr einfach nicht mehr in Wellness-Urlaub, dann wird alles gut.