Der Prenzlauer Berg hat sich heute abend grotesk lieblich herausgeputzt, seine Fassaden goldgebräunt, so dass die Abendsonne ihr Licht- und Schattenspiel mit Außenstuck, französichen Balkons und Fensterfronten unter Idealbedingungen vollziehen kann. Der spanische Wein und die rauchige Chorizo legen einen weiteren Weichzeichner über meine Auffassungsgabe und mit mulmiger Faszination ruhen meine Augen auf einem Typ Frau, der mir eines Tages noch den endgültigen Garaus bereiten wird.
Während falsche Hoffnungen und verfrühte Aufgabegedanken sich im mahlzeitsbegleitenden Gespräch ins Gehege kommen und man verbale Türen vor der Nase zugeknallt kommt, obwohl man noch die Klinke in der Hand hält, während man selbst aus dem Vollen schöpft und andere aus dem Nähkästchen plaudern, während all dieser Zeit wechseln sich zahlreiche Anwärter auf den Titel Müllcontainer des Abends ins Spiel mit dem garausenden Typ Frau ein, die da in dem weißen Rock im Sand sitzt.
Seinem Gegenüber die Blickestreue zu halten, fällt schwer, wenn das Fräulein bei jedem Griff in die Tasche zwischen ihren Wildlederstiefeln die Farbe ihrer Unterwäsche in den Raum wirft. Der Isländer rügt mich zurecht, ich würde ihn aus einer Konversation herausblocken, die er ohnehin nur mit sich selbst führt. Diese Zigarette ist der nächste logische Schritt hinein in diese Nacht, denke ich und bestelle einen neuen Gin & Tonic an der Außenbar.
Es herrscht schon tiefe Nacht hier im artifiziellen Sandareal und ich frage mich, wer denn nun endlich einmal „Norman Three“ verdient hat. Das Liebeslied mit dem repetetivsten Refrain, den ich kenne. Ich glaube, elfmal singt Norman Blake am Ende „Hey, I’m in love with you. And I know that it’s you“ und mit jedem Mal klingt es intimer. Aber keine Kandidatin hat sich dieses Songs als bisher würdig erwiesen, denke ich verbohrt und während ich in Kandidatenkategorien denke, huscht bereits der Nächste an das blonde Fräulein heran und doziert Unsägliches über den Berliner Nachthimmel. Ich will es doch gar nicht hören.
Wenn ich die Augen schließe, kann ich mich bei dem Spanier an den goldbraunen Fassaden mit jemand anderem als dem Isländer weiterunterhalten und doch gelangen Teile der Strandbar in die Konversation. Zudem tauschen sich die Statisten immer mehr aus. Der Sand vermengt sich mit dem Straßenstaub und die feiste Dämmerung der Sredzkistraße verliert aus pseudochronologischen Gründen gegen die sich ausbreitende Dunkelheit über der Museumsinsel. Und immer noch bin ich in zwei Nächten gleichzeitig, was ein ganz wundervolles Gefühl ist.