Nobody knows what’s gonna happen at the end of the line,
so you might as well enjoy the trip.
(Manny Calavera in „Grim Fandango“ von Lucasarts)
14.12.2012 Köln, 1LIVE Klubbing
Es ist ja jedes Mal ein Kulturreisen der beinahe höfischen Art wenn man vom WDR bzw. 1LIVE eingeladen wird. Man wird geflogen, chauffiert, untergebracht und am Ende sogar noch bezahlt. Für einen reisenden Lesenden ist das wie ein eigener Nightliner. Am Ende verfällt man beinahe noch in den Irrglauben, man wäre schon eine Persönlichkeit. Dementsprechend irrgläubig gut gelaunt komme ich an einem Freitagabend an, aus dem eisigen Berliner Dezember hinein in das zehn Grad wärmere Köln. Das schöne an jedem Kölnbesuch ist, dass ich danach immer bis ins Detail über den Effzeh Bescheid weiß und das verdanke ich den Taxifahrern. Kurioserweise läuft genau wie beim letzten Mal als ich bei 1LIVE war gerade ein Bayernspiel im Fernsehen und analog zum letzten Besuch schaue ich mir auch dieses Mal die zweite Halbzeit im Sender an, wo man Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um mir in die Redaktionsräume einen Sky-Sport-Empfang zu legen.
Pünktlich nach Abpfiff (ich glaube aber, das man jetzt nicht extra gewartet hat, bis ich mit Fernsehschauen fertig war) bin ich dran und betrete minutiös geplant unter donnerndem Applaus (man darf träumen) die Lesebühne, wo mich Mike Litt gerade wärmstens angesagt hat. Und dann gehe ich wieder. Weil ich nämlich meine Brille vergessen habe und ohne das Buch einen halben Kilometer weit weg halten müsste, um aus Buchstaben einen Sinn zu bilden. Zwanzig Sekunden später bin ich dann allerdings wieder da und bekomme so als erster Klubbing-Künstler einen doppelten Antrittsapplaus.
Nach der Lesung ist mir noch ein wenig nach Vollabschuss und ich nutze eiskalt ein paar junge Leute aus, die den Fehler gemacht haben, mir nach dem Auftritt eine Frage zu stellen. „Was macht ihr denn jetzt noch so?“, frage ich zurück und schon haben sie mich und meine Whisky-Wut am Hals. Erster Stop: Privatwohnung mit Glühwein und original Salzwedeler Baumkuchen, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Baumkuchen, der Exzess kennt keine Grenzen! Danach entspinnt sich ein angenehmer Irrlauf in der lauwarmen Kölner Dezembernacht zwischen Büdchen und Bars, der auf meinen Vorschlag hin im Underground endet, weil ich Pennywise mit „Fuck Authority“ hören möchte. Stattdessen tanzen wir zu Reggae, was spaßiger ist, als es sich anhört. Das alles endet dann so spät, dass ich eigentlich umgehend zum Frühstück gehe. Als ich mich auf den Weg zum Hauptbahnhof mache, ist es bereits T-Shirtwarm.
(Foto aus der Kassette von Martin Svitek, danke)
15.12.2012 Düsseldorf, Kassette
Komischerweise ist es in Düsseldorf aber immer noch kalt und es ist ein unwahrscheinlicher Glücksfall, dass mich Veteranenbloggerin und Veteranenbloggerpflegerin Lu ein paar Stunden bei sich aufnimmt und mich mit Tee, Kaffee und scharfem Essen wiederbelebt und anschließend in die Düsseldorfer Altstadt bringt wie einen ABC-Schützen. Bis es allerdings so weit ist, sitze ich drei Stunden lang leblos auf einem Stuhl und warte, dass dieser wahnwitzige Kater weggeht. Und damit meine ich nicht die Katzen von Lu. In der Kassette ist es recht gemütlich, was meinem Erschöpfungszustand entgegen kommt. Ich spiele auf der verstimmtesten Gitarre der Welt „Outdoor Type“ und tatsächlich war ich selten weniger Outdoor-Type wie an dem Abend. Ich gebe ja zu, dass jetzt nicht ganz Düsseldorf auf meiner Lesung ist, aber im Verhältnis zur Zuschauerzahl werde ich nie wieder so viel Bücher an einem Abend verkaufen wie in der Kassette. Nach der Lesung erfahre ich, was eine Trichterbrust ist, tausche mit den Besitzern Lieblingssketche von Badesalz aus und rauche in der Gästewohnung eine Kräuterzigarette, die mich so irrsinnig werden lässt, dass ich anfange, Logik- und Anschlussfehler in einem Brosnan-Bond zu beklagen. Es ist Zeit fürs Bett.