Bummer

Ihr werdet nie erraten, was mir mal passiert ist.

Meine Band Tri-Anger war fast drei Jahre lang tonangebend in meinem Studentenleben. Technisches Hardcore Gebolze mit der ein oder anderen melancholischen Note, das die Kleinstadt in Atem hielt. Zumindest dachten wir uns das so. In einem höchst komfortablen Zustand von totaler Selbstüberschätzung und mit dem Habitus von Rockstars ließen wir uns durch die Kulturkeller und Kneipen der Provinz treiben, mit der vollständigen Gewissheit, dass jeder unserer Auftritte ein Segen fürs Publikum war. Dabei verstanden wir uns noch nicht einmal so gut untereinander. Ole war ein Grobian, Toni ein Exzentriker und ich eine Diva. Da waren wir uns hinter dem Rücken des jeweils Anderen vollkommen einig. Doch wenn wir zusammen stockvoll eine Bühne betraten und die Maschine einschalteten, ereignete sich eine Dreiviertelstunde lang ein Gewitter, das wenigstens unsere ewige Perspektivenlosigkeit in punkto Weiber, Geld und Karriere über den Haufen brüllte. Selbstverständlich war euer guter, alter St. Burnster ganz die souveräne Bühnenpersönlichkeit. Bis auf das eine Mal.

Es stand mal wieder ein Auftritt im Keller der alten Mälzerei auf der Tagesordnung und wir saßen noch zusammen in der zugehörigen Kneipe und tranken uns bühnenreif mit hellem Bier und Ramazotti sauer. Nun muss man wissen, dass mein Magen zur damaligen Zeit dermaßen ramponiert war, dass ich sogar romantische VHS-Abende mit Mädchen auf der Couch unterbrechen musste, um mich in kasualen Magenkrämpfen auf dem Boden zu winden. Dagegen half meist nur der 45% Obstler von meinem Mitbewohner. Dementspechend hing natürlich auch mein Stoffwechsel durch und so verbrachte ich mehr Zeit auf dem Topf als andere in der Mensa. Kurz vor dem Auftritt war es folglich auch noch einmal Zeit für einen kleinen Sicherheitsschiss und so ging ich aufs Herrenklo und tat was ein Mann tun muss, wenn er mal muss. Achtung, jetzt wird’s semi-eklig. Aber nicht wie ihr denkt.

Weil nichts kam, obwohl ich das Gefühl hatte, das eigentlich was kommen sollte, stemmte ich meinen Hintern mal kurz nach oben und ließ ihn wieder auf die Klobrille klatschen. Das hatte ich hundertmal geübt, das war ein narrensicheres Unterfangen. Bisher zumindest. Denn was jetzt passierte, sprengte im wahrsten Sinne des Wortes meine Vorstellungskraft. Denn mit Eintreffen meines Hinterns auf der Klobrille, gab die gesamte Kloschüssel unter mir nach und zersprang in tausend Teile. Das Scheißding war nämlich nicht am Boden, sondern an der Wand angebracht und offensichtlich mit meinen leicht beschleunigten 70 Kilo überfordert. Jetzt saß ich zwar nicht, wie man befürchten könnte, in der Scheiße, dafür aber in einem Keramikscherbenhaufen, einer Lache Wasser und einer fast ebenso großen Lache Blut. Die stammte aus meiner linken Arschbacke, in die sich eine Scherbe von der Größe eines Kapodasters gebohrt hatte und mir übrigens eine denkwürdige Narbe hinterließ.

Guter Rat war jetzt teuer. Ich wischte das Blut auf so gut ich konnte, stopfte mir 5 Quadratmeter Kloppapier in die eh schon zu enge Hose und ging zurück in die Kneipe. Nachdem ich meinen Bandkollegen das Malheur gebeichtet hatte, schritt ich zum Wirt der Kneipe, während sich hinter mir schon die Ersten mit brüllendem Gelächter unterm Tisch ablegten.
„Äh, Alex, mir ist da was Saublödes passiert.“ stammelte ich bar jeglicher Coolness gen Wirt.
„Was denn? Hast ein Glas z’sam g’haut?“
„Nein, was Anderes. Also es klingt jetzt echt saublöd, aber das Klo ist unter mir zusammengebrochen.“
„Jetzt verarscht du mich aber.“
„Leider nicht, ich kanns dir gerne mal zeigen.“

Und so folgte mir ein ohnehin schon perplexer Wirt zum Tatort, nur um sich da mit ungläubigen Kopschütteln den wohl kuriosesten Betriebsunfall seiner Gastrokarriere anzuschauen.

„Ja, was hast denn g’macht? Hast dich draufgstellt?“
„Nein, die ist einfach so weggebrochen.“ verschwieg ich meinen rückwärtigen Swing-Out von eben.
„Des gibt’s doch net.“ Alex konnte es immer noch nicht fassen und mir wurde die Sache so unerträglich peinlich, dass ich den Schmerz von der Scherbe im Hintern schon gar nicht mehr spürte.

Und weil die Zeit drängte, wechselte ich nochmal das blutgetränkte Klopapier in meiner beigen Hose aus und betrat gegen 22.00 Uhr mit dickem Hintern die Bühne, ging ans Mikro und sagte zu den anwesenden 50 Leuten.

„Ihr werdet nie erraten, was mir gerade passiert ist.“