Ich schreibe ein Buch.
Es geht um Misstrauen, Angst, einen Ort im Süden Mitte der Achtziger, es geht um Liebe und Katholizismus. Es ist meine kleine Version von „To Kill A Mockingbird“. Es ist kein Krimi und keine Popliteratur, es ist auch kein Houellebecq. Es hat was Autobiografisches, aber ist in der Hauptsache eine Erzählung und Parabel. Es ist meine Version einer Southern Gothic Tale.
Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der man uns gesagt hat, dass jederzeit jemand auf den roten Knopf drücken kann. Dass man die Großeltern lieber nicht nach dem Dritten Reich fragt. Dass Atomkraft nur im Kommunismus unsicher ist. Dass wir bald viel größere Probleme als lapidaren Liebeskummer haben werden, sobald wir erwachsen sind.
Das Buch hat noch keinen Titel, aber erscheinen wird es mutmaßlich im Herbst. Manchmal hab ich Spaß beim Schreiben, es ist durchaus an Stellen lustig, aber oft ekelt es mich regelrecht, bevor ich mich morgens ransetze. Das Schreiben tut in der Hauptsache weh, anders als noch bei den Mandel-Büchern, obwohl es da auch unangenehme Wahrheiten gab, um die ich nicht herumkam. Aber ich hoffe, dieser Geburtsschmerz macht das Buch besser. Es fühlt sich auf jeden Fall wie mein erstes Buch an, aber das ist auch das Perfide: sobald ich schreibe, fühle ich mich wie der größte Scharlatan und möchte am liebsten den Leuten, die mich bezahlen ihr Geld zurückgeben. „Ich kann doch gar nichts“, will ich zum Fenster hinausschreien.
Kann sich noch jemand erinnern, wie ich mich letzten Sommer hier künstlich darüber aufgeregt habe, dass sich die Facebook-G’schaftler gegenseitig tätscheln in ihrem Bestreben gegen fremdenfeindliches Gedankengut? Wie ich das für einen überwiegend überflüssigen Show-Off hielt? Ich dachte, das ist doch nicht notwendig, die meisten Leute haben unseren Gesellschaftsentwurf doch verinnerlich. Boy, was I wrong.
In meiner kleinen Welt zwischen Schreibtisch und KiTa hatte ich tatsächlich mein antikes Negativcredo „People are shit“ verdrängt. Wie hat ein Freund neulich geschrieben: „Wenn die meisten Menschen hierzulande schon Probleme haben, jemandem im Straßenverkehr die Vorfahrt zu lassen, wie wahrscheinlich mag dann ein freiwilliger Verzicht auf ein Teil ihres Wohlstandes sein?“ Und doch will ich mich nicht mehr absondern, mich für was Besseres halten, denn genau das ist ja der Irrglaube, dem jeder unterliegt, der heute gegen Flüchtlinge wettert.
Und deshalb kommt jetzt die schwierigste Aufgabe: Den Menschen nicht aufgeben. Die rasende Egomanie im Kopf der Leute in andere Bahnen lenken, ihnen ein schlechtes Gewissen machen. So wie man Kinder erzieht. Sich jeden Tag erneut hinsetzen, auch wenns einen ekelt.