Schattenspiele

Gerade ist mit Brett Forrest – Schattenspiele ein Buch über Manipulation im Weltfußball erschienen, das ich mitübersetzt habe. Das ist düsterer, mitunter harter Stoff anhand der Biografien eines Spiele-Manipulators und eines Ermittlers. Danach sieht man kein Fußballspiel mehr wie zuvor. Hier die Inhaltsangabe aus dem Heyne-Verlag:

Mit der Verbreitung des Internets ist der Markt für Sportwetten rapide gewachsen. Die jährlichen Umsätze liegen im Billionenbereich. Rund siebzig Prozent davon entfallen auf eine einzige Sportart: Fußball! Diese enormen Geldsummen haben das organisierte Verbrechen auf den Plan gerufen. Im Jahr 2013 gab Europol bekannt, dass allein seit 2008 über 700 internationale Partien manipuliert wurden. Kein Spiel ist sicher – selbst im Umfeld der FIFA-Weltmeisterschaft sind die Betrüger aktiv. Jahrelang blieben die Wettsyndikate unter dem Radar der Strafverfolgung und konnten so ihren Einfluss festigen. Doch ein Mann hat beschlossen, dem Betrug ein Ende zu setzen: Chris Eaton, ein dickköpfiger Australier, langjähriger Interpol-Agent und ehemaliger Sicherheitschef der FIFA. Der Journalist Brett Forrest begleitet Eaton auf seinem Weg vom einfachen Polizisten zum international agierenden Ermittler – und auf der Jagd nach den Schattenmännern, die den Fußball bedrohen: Kriminelle, die unter falscher Indentität quer durch die Welt reisen und im Autrag der Wettmafia Einfluss auf Spieler, Clubs und Verbände nehmen.

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Kurzkritik zu The Amazing Spider-Man 2

Bis zum letzten Drittel löst der Film die beinahe unlösbare Aufgabe einen Spider-Man für alle Altersklassen ins Kino zu bringen, die Mythologie ohne Reibungsverluste in die Jetztzeit zu hieven, das Spideyversum unaufdringlich breiter und verwobener zu gestalten und somit die Sequels vorzubereiten, eine glaubhafte Liebesgeschichte unterzujubeln, einen glaubwürdig starken Antagonisten für den Endkampf aufzupeppeln, ein Action-Gewitter ohne Rücksicht auf Budgetverluste zu inszenieren und einen Spider-Man auf die Leinwand zu bringen, wie er den Comic gerecht wird (immer mit einem guten Spruch auf den Neoprenlippen).

Dann aber bricht das Kartenhaus völlig in sich zusammen, und das nicht nur, weil man sich viel zu viel vorgenommen und Zutaten für acht Filme in einen gestopft hat. Nein, es werden ein paar sehr fragwürdige Entscheidungen getroffen, was Aussehen (also Make-Up) und Fähigkeiten der Superschurken betrifft, ohne jetzt die Geschichte zu spoilern. Der Film endet zudem an der der falschen Stelle und einen Rhinozerus-Transformer sollte man dann doch wirklich besser Michael Bay überlassen. Schade um das verschossene Pulver, ich war beinahe hingerissen von dem Film, von Andrew Garfield und Emma Stone bin ich es allerdings immer noch.

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Das falsche Tagebuch: 5. Mai 2014

Ich bin Berni Mayer und ich mag keine Leihbüchereien. Ich leihe nicht gerne etwas aus. Es macht mich nervös, über einen längeren Zeitraum für fremdes Eigentum verantwortlich zu sein. Ich bin mit wilder Begeisterung und viehischer Wut für mein Eigenes verantwortlich, ich brauche nichts und ich brauche es von niemanden und wenn, dann will ich es geschenkt. Ich mag Apotheken. Allein der Gedanke, freien Willens in ein Geschäft spazieren zu können, das mir eine Verbesserung meiner Lebensumstände verkauft, gefällt mir unglaublich gut. Und ich mag die Gegensätze, ich lasse sie oft mit Vorsatz stehen.

Meinung ist Mode geworden. Egal ob zum FC Bayern oder zum FC Putin, jeder scheint einen geradezu dämonischen Zwang in sich zu verspüren, einer bestimmten Meinung zu sein. „Putin hat schon recht, der Westen ist ein oppressiver Ungeist, der sich hinter demokratischen Werten versteckt.“ Das ist die eine Variante. Die andere: „Wer Schwule verfolgt und Systemkritiker verstrahlt, kann überhaupt nicht recht haben und muss zur Raison gewiesen werden, zur Not mit dem Leopard.“ Das Schwierigste für den Menschen an sich, ist miteinander zu reden und die Allgegenwärtigkeit von multipel berechtigten Meinungen zu akzeptieren. Das gilt für jede Ehe, das gilt für jeden Krieg. Und für Fußball. Nur weil ich Bayernfan bin, muss ich nicht progromartig zu Pep Guardiola beten, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Genauso wenig muss ich ihn hassen, weil er sein erstes wichtiges Spiel verloren hat und seine Mannschaft dabei ausgesehen hat wie Deppen. Ich muss sowieso überhaupt nichts und der Bayernfan an sich auch nicht. Es ist ein Verein, keine Religion.

Ich bin Berni Mayer und ich war grade auf Lesereise. Davon erzähle ich im Detail ein ander Mal, jetzt sage ich nur, dass ich von der Lesereise ein Bluegrass-Album mit dem wundervollen Titel „Foggy Mountain Jamboree“ mitbegracht habe. Ich mag die Ideen nicht, die hinter dem traditionellen Nashville-Country stehen, aber ich mag den traditionellen Nashville Country. Ich war auch auf Rügen. Es war schön, aber arschkalt, spießig, aber beruhigend. So einfach ist das gelegentlich mit Gegensätzen. So chiastisch sie auch manchmal auftreten, ein simples Aber verschaffft ihnen die notwendige Ko-Existenz. Das ist sowieso die Grundlage des Humanismus: die Ko-Existenz im Aber. Ich bin Berni Mayer und mag keine Leihbüchereien, aber ich laufe gerne darin herum, ohne etwas auszuleihen. Und deutsche Apotheken sind mir zu kleinlich, was größere Mengen an Wohlfühlmitteln betrifft.

In other news: Im aktuellen „DAS MAGAZIN“ ist eine Kurzgeschichte von Mandel und Singer erschienen, in denen die beiden in Frankfurt am Main ermitteln und gegen Roten Libanesen, Automobil-Spionage, Skilanglauf und eine Sprinkleranlage antreten.

Der große Mandel

Folgende Sachlage: Am 14. April 2014 erscheint mein drittes Buch „Der große Mandel“ bei Heyne Hardcore und damit der dröhnende und gleichzeitig auch still melancholische Abgang der Mandel-Trilogie. Man muss die anderen Bücher nicht gelesen haben, um den „großen Mandel“ zu begreifen, aber es hilft, wenn man der Abwärts-Evolution der Freundschaft der beiden Protagonisten auf die Spur kommen will. Das Buch behandelt folgende Topoi: Heimat, die deutsche Provinz (vor allem die geistige), Showcatchen, Jazz, Frank Zander, Rock’n’Roll, Freundschaft und die Sinnlosigkeit dieser herrschaftszeiten-noch-einmal nie enden wollenden Sinnsuche im Leben eines Erwachsenen. Dabei sollte sich doch herumgesprochen haben, dass es keinen gibt.

Die Inhaltsangabe liest sich so:

Die Freundschaft der ehemaligen Musikjournalisten Max Mandel und Sigi Singer wird auf die bisher härteste Probe gestellt: Wegen mieser Auftragslage muss ihr gemeinsames Detektivbüro schließen. Um zwischenmenschlich wieder auf Kurs zu kommen, bucht Singer bei dem legendären Catcher Big Walter Wylde einen Anfängerkurs – aber bevor beide Bodyslam sagen können, müssen sie wieder als Ermittler ran. Um der Erpressung eines bayerisch-türkischen Wrestlers nachzugehen, touren Mandel und Singer mit einer kleinen Wrestling-Liga durch Deutschlands schlimmste Provinzstädte. Herzinfarkte, Hetzkampagnen und wüste Intrigen treiben die beiden immer tiefer in die kriminalistische und menschliche Krise – und schließlich in den Ring.

Wie bereits an anderer Stelle vermerkt, habe ich mit meinem guten Freund, dem Schauspieler Rüdiger Rudolph, ein Musikvideo zum Roman gedreht. Es ist ein Song namens „Destroyer“, geschrieben aus der Sicht vom Erzähler Sigi Singer.

„Mayer erzählt seine humorvollen Hard-boiled Geschichten in lakonischem Ton, melancholische Selbst-und Lebensbetrachtungen [..] und kenntnisreiche Musik-Exkurse runden die Krimis zu späten Coming-of-Age-Panoramen ab. Die Charaktere geraten nie eindimensional, eine Stimmung des Uneigentlichen schwebt über der Handlung und der Reflexion der Figuren.“
– Mirco Drewes, Zitty 08/2014

„…macht mächtig Spaß.“
– Mittelbayerische Zeitung, April 2014

„Krimis lesen, ohne von schwindsüchtigen skandinavischen Kommissaren belästigt zu werden? Es geht, dank Autor Berni Mayer und seiner genialen Mandel-Reihe. Im dritten Teil verschlägt es den Gefrierbrand-Detektiv ins Wrestling-Metier, durch und durch herrlich.“
– Business Punk, April 2014

„Einfach nur brüllend komisch. Ein wunderbarer Abschluss einer Trilogie von einem Autor, der es wirklich schafft, einen mit seiner Sprachkunst zu fesseln. Ein Buch, dass es wert wäre, als Hörbuch oder gar als Film zu erscheinen.“
– Dennis Kresse, Alternativmusik.de, Mai 2014

„Rampensau mit feinem Gespür fürs Publikum. [..] Ein Abend mit ihm hinterlässt fröhliche Kunden“.
– Buchmarkt.de, April 2014

„Er geht mit dem Business trotz seines humorvollen Erzählstils ehrlich und gerecht um, rückt es nicht in ein falsches Licht und schildert das Leben eines Wrestlers in Deutschland vermutlich ziemlich realitätsnah. [..] Von meiner Seite aus kann ich also durchaus dazu raten, sich Der große Mandel zuzulegen.“
– Wrestling-Online-Magazin Genickbruch.com, April 2014

„Sein größter Streich ist die wunderbare und irrsinnig komische Mandel“-Krimi-Trilogie…“
– Mit Vergnügen Hamburg, April 2014

„Davor zitiert Berni Mayer übrigens noch schnell ’The Great Gatsby’, Bret „Hitman“ Hart und Frank Zander. Anhand dieser Mischung lässt sich schon irgendwie ablesen, worauf es bei ’Der große Mandel’ hinausläuft: Großes Kino, Show-Time – und das alles „ohne Helm und ohne Gurt.“
– Popshot Blog, April 2014

Kurzkritiken zu Her, Captain America 2, Hunger Games: Catching Fire, Nebraska, Taken, Sinister, Hai-Alarm am Müggelsee, Insidious 2, In Fear

HER
Fällt mir immer erst im Kino auf, dass ich kein Spike Jonze-Fan bin. Auch hier: viel Gerede, viel Gejammer, aber keine Philosophie (wenn man die mit dem Holzhammer nicht mitzählt). Scarlett Johansson ist das nervigste Betriebssystem der Welt und Joaquin Phoenix wirkt wie jemand, der auch 1984 schon mit seinem Telefon gesprochen hat (oder wie die eine Frau im Film sagt: „You’re a creepy dude“ oder so ähnlich).

CAPTAIN AMERCIA – THE WINTER SOLDIER
Zu pompös und viel zu marvlig für einen Agententhriller, aber man muss dem Film zugestehen, dass er nicht stur nach Genre-Rezeptur vorgeht. Chris Evans (der Kapitän) gewinnt enorm an Profil und Scarlett Johannsson ist auch nicht so anstrengend crazy sexy cool wie befürchtet – und als sichtbare Spionin deutlich unaufdringlicher denn als unsichtbares Betriebssystem, obwohl das Aufgabenfeld ja identisch ist.

HUNGER GAMES: CATCHING FIRE
Trifft den richtigen dystopischen Ton, wird aber auch irgendwann zu moll und slowburnish, selbst für meinen Weltverneinergeschmack. Wenn dann endlich die eigentlichen Hungerspiele anfangen, ist man eigentlich schon am ausgestreckten Story-Arm verhungert. Zwischen guten Schauspielern wie Jennifer Lawrence, Woody Harrelson und dem seligen Phil Seymour Hoffman, haben sich auch Leute wie Lenny Kravitz, Josh Hutcherson und Liam Hemsworth hineinverirrt.

NEBRASKA
Hat praktisch alle Zutaten zum Kritikerliebling: Schwarz-weiß, stammt von Alexander Payne, Bruce Dern und Will Forte (SNL) spielen mit, kauziger alter Mann auf Road Trip, Familienthematik, amerikanische Provinz. Ist leider langweilig statt lakonisch und für mich ein Rückschlag nach dem grandiosen „The Descendants“. Immerhin hab ich wieder mal Lust auf Lynchs „Straight Story“ bekommen.

SINISTER
Horrorfilm, der unerhört krampfhaft und stereotyp versucht, eine neue und ikonische Schlachtermythologie ins Franchise-Geschäft zu werfen, dabei aber beinahe aus Versehen eine dermaßen beklemmende Stimmung erzeugt, dass man ihn sich anschauen sollte.

TAKEN (96 Hours)
Wurde mir in letzter Zeit öfter empfohlen, hab ich also mal nachgeholt. Fazit: Rotz. Liam Neeson – mit schlecht gefärbten Haaren und der Frisur meines Fahrlehrers à 1991 – kann sich von mir aus durch ganz Paris foltern, so lange ich da nicht wenigstens eine milde Ironie oder zumindest ein paar gute Dialoge erkennen kann, ist das reaktionäre Grütze, die man schon allein aus Bürgerpflicht und Anstand ab der Hälfte ausmachen sollte. Deshalb kann ich auch nix übers Finale sagen.

HAI-ALARM AM MÜGGELSEE
Auch hier hab ich die Hälfte verpasst, allerdings unfreiwillig, weil AppleTV inmitten des Streams seine Preise erhöht hat und mein Rechner wie vom wilden Hai gebissen abgesoffen ist. Was ich gesehen habe, war so albern, dass ich nicht wusste, ob ich weinen oder lachen soll. Man stelle sich eine Mischung aus nackter Kanone, Atze-Schröder und Kurt Krömer vor, das aber völlig ohne Druck und bewunderswert beiläufig. Was er am besten macht: einen ganz eigenen, beinahe mediterran wirkenden Müggelkosmos zu entwerfen, bei dem man sich wünscht, es wäre dort wirklich so. Dann wiederum hab ich mir bisher noch nicht die zweite Hälfte angesehen.

INSIDIOUS: CHAPTER 2
Nicht so unvorhersehbar wie Kapitel 1 und ein bisschen wie „Wissen macht Ah!“ für Spukfilme, aber sobald in einem Film unerklärliche Phänomene nicht nur gezeigt, sondern auch von Fachleuten untersucht werden, bin ich dabei, weil Ghostbusters-Fan for Life. Ähnelt ein bisschen Wans zweiten Film vom letzten Jahr – The Conjuring, aber das ist ja um Himmels Willen nichts Schlechtes. „To few scares“, urteilte die Fachpresse und ich urteile: mir hamse gelangt, wo ich doch jedes Jahr schreckhafter werde.

IN FEAR
Nettes Horror-One-Trick-Pony übers Autofahren in der irischen Provinz, dem im letzten Drittel das Benzin ausgeht.

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Das falsche Tagebuch: 31. März 2014

Letzte Woche habe ich noch zu meinen Schwestern gesagt, ich gebe ihnen nicht die Hand zum Gruß, weil ich keinen Virus mehr will. Noch ein einziger Virus, hab ich gesagt, und ich geh zugrunde. Ich habe aufgehört, die Grippefälle seit letzten Oktober zu zählen, aber auf der zweiten Hand sind wir fast durch. Ich habe also ohnehin schon das Gefühl im Ganzen zu zerfasern, da sichelt mich am Freitag ein Mordvirus auf die Matratze, dass ich denke: Jüngstes Gericht. Selbst Ibuprofen 400 hat sich gedacht, zu starker Tobak, da halt ich mich raus und ein anderes Schmerzmittel war nicht im Haus. Von Fieberfantasien vollkommen aufgeweicht und vom Kopfschmerz völlig zerrüttet, wäre ich durchaus bereit gewesen, noch in der Nacht zum Samstag in die Charité zu gehen, wenn noch gewusst hätte, wie ich heiße. Angefangen hat natürlich das Kind mit dem Mordvirus und die Frau hat gleich nachgezogen, was natürlich auch jeglich Anteilnahme an meinem Beinahe-Sterbefall verhindert hat. Aber die haben ja leicht reden. Motzen ein bisschen rum und schlafen dann jede Grippe in Grund und Boden, während der Virus bei mir einen Veitstanz in Festivalformat aufführt. Wer kann da schlafen?

Als dann zumindest der nackter-Stahl-durch-Schädelknochen-Schmerz weggeht, fällt das Kind aus zwei Metern Höhe vom Klettergerüst und bricht sich das Schlüsselbein. Das bedeutet nicht nur eine ganz beschissene Zeit für den eh noch grippal schwer angeschlagenen Junior, es bedeutet auch Sonntagabend einen Familienausflug in die untergehende warme Frühlingssonne zu unternehmen, um das gereizte Familienklima durch ein gemeinsames Abenteuer zu beruhigen, es bedeutet: vier Stunden Notaufnahme Kinderklinik Virchow.

Einen Tag später liegen der Junior und ich in der Matratzengruft – er, weil er Schmerzen hat und ich, weil das Fieber immer mal wieder vorbeischaut. Wir schauen den Film „Die Piraten!“, der sehr lustig ist. Ich denke: Die Welt wird jede Stunde um eine Stunde verrückter und man ist zur Untätigkeit verdammt, das ist ja immer das Schlimmste am Kranksein.

Ich bin ein Zerstörer!

Der Buchtrailer zum am 14.04. erscheinenden dritten Teil der Mandel-Reihe ist ein Musikvideo geworden. Mein Dank geht in überschäumendem Maße an Rüdiger Rudolph für sein grandioses Method-of-Madness-Acting, an David Jürgens, dafür, dass er aus einem kleinen verträumten Garagenpopsong einen Wiesenhit gezaubert hat, und Gregor Hüttner für die David-Hamilton-Hexerei an der Kamera. Das hier heißt „Destroyer (Sigi’s Song)” und geht so:

Das falsche Tagebuch: 17. März 2014

Vergiftet hab ich mich gefühlt in den letzten Tagen und Wochen. Vergiftet vom Internet, den Zeitungen und der Politik. Vergiftet von Häme und Kriegstreiberei. Deprimiert bin ich nach Leipzig gefahren, aber das mit Vorsatz, denn wenn einen eine Stadt wieder aufrichten kann, dann Leipzig. Man darf den Hype nicht glauben, so viel Kultur und tolle Leute gibt es da nicht. Aber selbst die gänzlich Seelenunverwandten sind freundlich. Es ist die Freundlichkeit, nicht die Subkultur, die einen aufrichtet. Wobei die Freundlichkeit in Berlin längst zur Subkultur verkommen ist. Dafür ist die Buchmesse grausam. Ein Geschubse, mental und körperlich. Eine Branche, der man zu Unrecht mehr Herz als dem Rest der Kulturindustrie unterstellt. Im Gehen höre ich noch, wie Thilo Sarrazin sich über Uli Hoeneß äußert.

Neulich war ich bei McDonald und ein deutsches Poplied lief. Mein Sohn hat sich gerade den Mund an einem brühend heißen Kakao verbrannt und geschrien und jemand hat in einem viel zu Tim-Bendzko-artigen Song etwas viel zu defätistisches für einen Tim-Bendzko-artigen Song gesungen. Die vollkommene und plötzliche Neuordnung der Dinge ist eine schöne, eine wildromantische und gefährliche Illusion. Doch ich brauche die Restrukturierung ohne Umwälzrage. Die schwerste Disziplin der Welt: sich deutlich weiterentwickeln und dabei in aller Ruhe der Alte zu bleiben.

Das falsche Tourtagebuch: 2. März 2014

Ich fühle mich älter, jetzt wo ich wieder daheim bin. Im positiven Sinne älter. Und ja, DAHEIM. Ich sage das, weil ich es meine. Seit langem bin ich wieder mal auf den Westfunkturm zugefahren und habe gedacht: gleich daheim. Wo war ich? Ach ja, ich war auf Tour. Sagt sich cool, liest sich cool, ist aber wie das meiste in meinem Leben nur die halbe Wahrheit. Es waren nur drei Auftritte im Süden mit meiner Heavy-Metal-Band The Gebruder Grim. Der Begriff Heavy Metal kommt mir manchmal schwer über die Lippen, aber sobald ich anfange, etwas von Retro- und DIY-Metal zu erzählen, wirkt es wie eine Rechtfertigung. Wer die Band live sieht, versteht dann aber alles. Wo einst Ironie vermutet, regiert die Liebe für die Musik meiner Jugend und dasselbe gilt für die Bandmitglieder. Die Besetzung gibt es erst seit letztem Herbst, es war wichtig die menschlichen Grenzen auszuloten. Und wo geht das besser als auf einer Rock’n’Roll-Tour.

Kurzkritik zu American Hustle, Monuments Men, Wolf Of Wall Street

AMERICAN HUSTLE
Mutig, einen charakterstudierenden Gangsterfilm so albern zu beginnen. Mit der Toupet-Szene deklassiert man Christian Bales Irving Rosenfeld gleich zu Anfang zur vollkommenen Witzfigur, aber er baut sich selbst innerhalb von nur zehn Minuten zum absoluten Leinwandgiganten wieder auf. Den Rest des Films ist er samt Comb-Over und Bierranzen die coolste Sau der 70er und hat mit Amy Adams eine unter Dauerclose-up-Beschuss stehende Edelschnake an seiner Seite (obwohl oder gerade weil sie mich an die junge Gisela Schneeberger erinnert), die sich noch dazu mit Jennifer Lawrence um ihn streitet. Die wiederum eine Abendessenszene hat, die alleine einen Oskar rechtfertigt und bei der ich mich gefragt habe, ob es eine natürlichere Inszenierung eines Restaurantbesuchs gibt als diese, und das in diesem zutiefst skurrilen Film. Die deutschen Filmemacher kriegen sowas nur hin, wenn (landestypisch) beim Abendessen geschwiegen wird. Aber vielleicht ist das ja der Grund, warum wir Deutschen keine guten Dialoge schreiben können, weil wir nicht viel und nicht gut reden. American Hustle ist auch dein Film, wenn du Bradley Cooper hasst, schließlich gibt er jede Minute Gelegenheit dazu, was man ihm in der Frequenz hoch anrechnen muss. Das und seine Miniaturkorkenzieherlocken. Hoch anrechnen muss man Louis CK nichts mehr, denn der Mann ist längst der weltbeste lakonische Darsteller. Wie er traurig, defensiv und unglaublich genervt unter einen Hut bringt, ist so vielschichtig wie stringent. Noch stringenter ist, dass er das tut, was genervte Filmcharaktere sonst nie machen – er geht einfach. Was bei David O. Russell bisher nie so ganz funktioniert hat, ist Story, Rhythmus und Figuren auf ein gleichhohes Niveau zu bringen und sie dort zu halten. Hier sieht das noch dazu ziemlich mühelos aus.

MONUMENTS MEN
Das hätte so gut sein können. Und ich meine Indiana-Jones-gut. Leider hat jemand den Spannungsbogen vergessen und das Ensemble spielt das Drehbuch entsprechend auf der linken (der abgesesseneren) Arschbacke herunter. Schade um die Kunst. Da hat man sich offensichtlich nicht zwischen pathosbejahendem Abenteuerfilm und der historischen Vorlage entscheiden können – und historische Vorlagen halten sich nun mal nicht an Spannungsbögen für Kinofilme.

WOLF OF WALL STREET
Die erste Stunde ist wie ein überlanger und äußerst gelungener Wall-Street-Sketch mit grässlich guten Mimen. Darunter mal wieder der allgegenwärtige und derzeit alles an die Wand spielende Matthew McConaughey. Dann (ohne McConaughey) verliert der Film seinen Rhythmus, findet ihn aber wieder und verliert ihn am Ende vollends. Sex, Drugs und Stock’n’Roll droht zur Endlosschleife zu werden, selbst die Ermittlungen gegen Jordan Belfort dümpeln vor sich hin. Am Ende schleicht sich sogar noch eine Art Ernsthaftigkeit ein. Dass der Film keine Moral und keinen Spannungsbogen hat, dass er quasi nur für Di Caprio existiert, will ich ihm nicht zum Vorwurf machen, im Gegenteil. Er ist nur einfach zu lang, es fehlt ein wenig die Präzision, aber vielleicht ist die in Raserei auswachsende sich ständig wiederholende Dekadenzdarstellung im Film auch das meditative Element. Der echte Jordan Belfort hat sich garantiert totgelacht, als er die Glorifizierung seines ekligen Lebenswandels im Kino gesehen hat (wobei er sicher auch bei jeder Tantiemenabrechnung für seine Autobiografie nicht wenig lachen muss), und während einige Kritiker Scorsese eine unkritische Haltung unterstellen, ist gerade die Nichtwertung von Belforts Biografie eine sehr moderne Herangehensweise. 2014 weiß der Mensch, was sich gehört und was nicht, bei allem Egoismus und Negativismus zeigt das der große Konsens zum Bankenwesen, Homosexualität, Gleichberechtigung und Markus Lanz. Bonuspunkte für Shea Wighams (auch in American Hustle, True Detective, Boardwalk Empire) kurzen Auftritt als subtilen Leugner einer sich abzeichnenden Seenot.

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