Triplé

Ich kann weder zum CL- noch zum Pokalfinale eine detaillierte Spielanalyse abgeben, dafür war ich jeweils zu betrunken, gebannt und surrealisiert. Ich kann jetzt noch nicht wirklich begreifen, was da in den letzten acht Tagen passiert ist. Deshalb meine Lieblingseindrücke im Schnellvorwärtsspringen.

Einmarsch Wembley: Thomas Müller grinst hinterhältig.

Erste Halbzeit Wembley: Entsetzen, Jameson. Den BVB haben wir noch lange nicht abgehängt. Härtester Endgegner seit den Gefechten gegen den HSV in meiner Kindheit. Hohe Pässe nach vorne wie unter Lothar Matthäus. Schlechtes Zeichen. Alle sind nervös bis auf Martinez und Müller. Arsch auf Grundeis an beinahe allen Fronten. Meine Mama trinkt einen Panikrotwein.

Zweite Halbzeit Wembley: Dortmund, es hat sich ausgepresst. Ich habe bei der ersten Robben-Großchance gesagt, dass er das Spiel entscheidet und zwar dieses Mal zum Positiven. Nicht wegen der tollen Geschichte, sondern wegen der Stochastik. Und schon auch, weil er ein großer, großer Spieler ist, der die Offensive der Bayern mehr belebt hat als Kroos, und sogar besser in der Defensive ausgeholfen hat. Lewandowski will Boateng zertreten, da merkt man dann doch, dass dem Eisigen langsam was durchbrennt. Was verständlich ist angesichts der in der Luft hängenden Transfersituation und dem Druck des wichtigsten Spiels in seiner Karriere. Ansonsten angenehm fair und auch Kloppskapadenfrei.

Siegesfeier Wembley: Die sedierte Abteilung Attacke gefällt mir hervorragend. Uli Honeß‘ leicht beschämte Freude hat viel mehr Erhabenheit als sein anachronistisches Gerumpel. Steht dir gut, alter großer Mann. Ansonsten sitze ich in Italien und kann es kaum glauben. Eine halbe Flasche Jameson ist leer, ich bin meiner Mama um den Hals gefallen. Ich will in den Pool oder ins Meer springen, aber das Wasser ist um den Gefrierpunkt. Toskana Mai 2013 ist kein Zuckerschlecken.

DFB-Pokalfinale: Beim Einmarsch grinst Thomas Müller schon wieder so diabolisch. Ich habe keine Angst mehr. Der VfB spielt gut aber ist selbst in Maximalform nicht in der Lage, diese Jahrhunderttruppe zu schlagen. Angst habe ich auch in den letzten zehn Minuten nicht, es ist eher der Ärger. Dann kommen die Momente. Endlich kommen ein paar Momente, in denen ich kapiere, was passiert ist.

Berlin, Siegesfeier: Heynckes kaisert alleine über den Rasen. Franck Ribery bei Mehmet Scholl, die besten und komischsten Siebener. Bild für die Götter. Oder auch Nasi-Nasi, wie Uwe Viehmann es so treffend benannte. Ich vermisse Magdalena Neuner als Goldengel, die war leider letztes Jahr beim falschen Spiel. „Triplé“ sagt Ribery. „Triplé“ und „historique“. Das wird mein Trinkspruch werden. Irgendwas ist anders heute in meinem Leben als Bayernfan, ich finde Philipp Lahm in Interviews nicht mehr scheiße. Ein deutliches Zeichen, es muss das Triplé sein.

München, Rathausbalkon: „Wir fahren in den Puff nach Barcelona“ singt Schweinsteiger. Gomez wirkt schüchtern da oben, genau wie er am Vorabend so kontemplativ alleine aus dem Pokal getrunken hat. Es wirkt wie ein Abschied, dem medial abgehobelten Eindruck kann man sich kaum entziehen. Ich finde, das ist ein ganz prima Kerl. Als Kerl. Als Stürmer irgendwie auch. Aber eben nur irgendwie. Robben trägt seit zwölf Stunden dumme Mützen, Manuel Neuer hat nicht geschlafen und ist gleichzeitig mit mir nach Hause gegangen, wenn auch aus einem anderen Club – zumindest soweit ich weiß. Ich kotze mir immer noch die rote Seele aus dem Leib. Langsam spüre ich was. Triplé!

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Kurzkritik zu Star Trek Into Darkness

Ich weiß nicht, ob ich ein Trekkie bin, aber ich kenne zumindest alle Filme, alle Originalfolgen, alle Next-Generation-Episoden und jede Schiebetür auf Deep Space Nine (Ich liebe es!). Ich habe mir noch während meines Studiums vorgestellt, meine Wohnung ist ein Raumschiff, mein Auto ein Shuttle und statt auf der Uni bin ich auf der Starfleet Academy.

Trekkie oder nicht, ich lasse mich nicht abspeisen von J.J. Abrams und Damon Lindelof. Nicht abspeisen mit wirren Handlungssträngen, brachialer Effektgewalt und lieblosen Anspielungen ans „alte“ Universum, um auf billige Weise dem Vorwurf zu entschlüpfen, den Kanon nicht zu ehren. Und ehren du ihn nicht tust, J.J. Abrams, zukünftiger Star-Wars-Regisseur. Es fehlt die Wärme, die philosophische Grundlage, der Gene-Roddenberry-Funke springt nicht über, auch wenn ich nicht genau beschreiben kann, wie der aussieht. Vielleicht bin ich auch nur das alte romantische Eisen, dem man sich bei dem Reboot entledigen wollte.

Nach anfänglichem Verdruss: Ich sehe auch nicht gänzlich schwarz für Star Wars, denn es ist ja doch etwas gut an den neuen Star-Trek-Inkarnationen: Dialog und Charaktere sind kein lästiges Beiwerk, im Gegenteil, selbst die Nebencharaktere bekommen Platz und genügend Sätze, um ein Leben nach dem Spezialeffekt zu entwickeln.

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Die Lesereise II – Erfurt, Chemnitz

Ich ging nach Haus und schlief, als ob
Die Engel gewiegt mich hätten.
Man ruht in deutschen Betten so weich,
Denn das sind Federbetten.

(Heinrich Heine, Deutschland – Ein Wintermärchen)

08.03.2013 Erfurt, Franz Mehlhose

Schon wieder Schnee. Und Schnee. Die Lesereise ist eine Winterreise, aber wir hören nicht Franz Schubert im Auto, sondern wieder die Allman Brothers und reden über Jimi Hendrix. Ich habe am Vorabend das Rainbow-Bridge-Konzert auf Youtube gesehen und fand es hinreissend, wie sich ein paar verstreute Zerstreute in dieser giftgrünen Vulkankulisse auf Hawaii bedröhnt beiläufig dem größten Gitarren-Schamanen ihres Jahrhunderts hingeben.

In Erfurt ist es bereits dunkel, als wir ankommen, das bedeutet, es ist kurz nach 16:00 Uhr. Beim Hineinfahren passieren wir eine elektronische Anzeigetafel, auf der steht: „Noch 666 freie Plätze im Parkleitsystem.“ Ohne Witz. Der Erfurter Dom thront auf einem Hügel und sieht in der Dunkelheit deshalb aus wie ein Schloss in Siebenbürgen. Fehlen noch die Fledermäuse, die um die Spitzen kreisen. Alles passt, das weiß man spätestens seit der elektronischen Anzeigetafel. Das Franz Mehlhose ist die schönste Station auf der gesamten Lesereise. Wunderbare Gastgeber, ein eigenes Künstlerappartement (Ich werde sowieso für mein Leben gerne „Künstler“ genannt), ein großartiges Publikum und eh mein bester Abend. Ich kann es eigentlich kaum erwarten, die Stadt im Spätsommer zu sehen.

Die Nacht nach dem Auftritt endet in einer kleinen Bar, in der eine Armada an VHS-Kassetten sauber beschriftet und aufgereiht hinter dem Tresen steht. Daraus entnimmt der Besitzer ausgewählte Videos und lässt sie über mehrere Röhrenfernseher laufen. Ich bin angetrunken genug, um nochmals von Jimi Hendrix anzufangen und frage in die Runde, ob Mitch Mitchell bei dem Rainbow-Bridge-Auftritt trommelt, weil ich mir fast sicher bin, und ob das die Band of Gypsies ist oder die Experience. Damit verstöre ich den Gastwirt, nicht nur weil er denkt, dass auf Hawaii Buddy Miles trommelt, sondern weil ich statt Rainbow Bridge ständig – in einer Art Sprachdefekt – Isle Of Wight sage. Es entsteht ein musikhistorisches Chaos, das nur dadurch zu entwirren ist, indem der Wirt zum einen ein Lexikon aus dem Regal neben den Obstlern holt, wo genau drinsteht, wer auf welcher Platte und bei welchem Konzert von Jimi Hendrix mitgespielt hat. Und wenn mich meine Erinnerung nicht trübt, legt er am Ende sogar die Rainbow-Bridge-VHS ein, womit sich endgültig bestätigt, was ich seit gestern vermute: Mitch Mitchell trommelt mit Hendrix auf Hawaii und Billy Cox vertritt Noel Redding am Bass, was das Line-Up zu einem Vorläufer der Band Of Gypsies macht, bei der besagter Buddy Miles am Schlagzeug hockt.

09.03.2013 Chemnitz, Arthur

Es hätte alles so schön sein können. Wilder, schöner Osten, Allman Brothers, ich hundsverkatert und J. kutschiert uns rüber nach Karl-Marx-Stadt. Aber nein, ich muss ja quasi noch auf der Autofahrt sterbenskrank (sprich: grippal erkältet) werden und den gesamten Nachmittag im Chemnitzer Hof verbringen, wo ich unter anderem ein kurioses Fußballspiel zwischen Bayern und Düsseldorf sehe. Auf dem Weg nach Chemnitz ist mir das Navigationsgerät hinter das Handschuhfach gefallen und liegt jetzt wahrscheinlich im Motorblock.

Den Gedanken werde ich nicht los, als wir ins Kulturhaus Arthur fahren. Im Arthur sind eine viertel Stunde vor Lesebeginn nur drei Leute, zudem hat der defätistisch wirkende Kneipier Einstürzende Neubauten laufen, was nicht unbedingt die Stimmung hebt. Jetzt stelle ich auch noch fest, dass ich meine Brille im Hotel vergessen habe, was in der Folge bedeutet, dass ich das Buch einen halben Kilometer von mir strecken muss, um einzelne Buchstaben erkennen zu können. Um mich davon abzulenken, dass keine Leute kommen, nehme ich das halbe Auto im Dunkeln auf dem Parkplatz auseinander um das Navigationsgerät zu finden. Den Motorblock werde ich allerdings erst am nächsten Tag im Hellen untersuchen, beschließe ich.

Immerhin sind am Ende zehn Leute da und ich muss mehr schneuzen als lesen, aber ich entwickle mit dem Publikum eine Mitleidsroutine, die mich durch die doch ganz schöne Lesung trägt. Der sehr freundliche Veranstalter fasziniert mich. Er erinnert mich ein bisschen an eine Figur von Dieter Krebs. Er erzählt mir, dass hier auch manchmal Aktionskeramiker auftreten, oder ich habe mir das in meiner Krankheit zusammenfantasiert. Dann bringt mich J. wieder ins Hotel und im Fieberwahn schaue ich das Aktuelle Sportstudio und dreimal „Alle Spiele alle Tore“, bis ich eigentlich schon wieder vergessen habe, wer eigentlich gespielt hat. Ich kann ewig nicht einschlafen wegen dem Navi im Motorblock.

Die Lesereise II – Erlangen, München

The Road is life
(Jack Kerouac, On The Road)

27.02.2013 Erlangen, E-Werk

Nach Erlangen fahre ich im Zug, weil ich leider an einer Übersetzung arbeiten muss, statt unter dem Einfluss von Alkohol und Ibuprofen 600 Joe Danger auf dem iPad zu spielen. Unser Zug hat Verspätung, weil sich jemand mutmaßlich vor den Zug vor uns geworfen hat (was außer mir absolut niemand zu beunruhigen scheint), und wir stehen eine Runde Ewigkeit in einem fränkischen Kaff herum, dessen Name noch nicht einmal auf dem Bahnhof steht. Als ich im E-Werk ankomme, riecht es so dermaßen nach Schwefel, als hätte Luzifer persönlich einen Schors gelassen, und wenn das mal kein gutes Omen für eine Black Mandel/Die Beichte-Lesung ist (Insider wissen wovon ich schreibe), dann weiß ich es auch nicht.

Kurzkritik zu Iron Man 3

(milde Spoiler am Horizont)

Robert Downey jr. ist ein Superheld. Ein Superheld bringt Übermenschliches zustande. In diesem Falle diese Strickliesl von einer Handlung zu einem abendfüllenden und in der ersten Hälfte sogar erfüllenden Spielfilm zu erheben. Warum sind eigentlich die meisten Superheldenfilme so zugeschissen mit Storylines, Gegnern und aufsehenerregenden „Das war noch nie da“-Momenten, dass sie ab der Hälfte in sich selbst zusammenbrechen?

Und wenn Tony Stark auf Knopfdruck (wahrscheinlich über Amazon Prime) eine ganze Armee von Iron Men bestellen kann, warum treibt er sich dann den ganzen Film über in Zivil auf der Suche nach Strom in Tennessee rum? Und was war mit dem Schluss los? Hat euch (Black/Pearce) der Studioboss einfach den Stift aus der Hand genommen und sein eigenes Ende reingeschrieben, um einen möglichen Anschluss an Avengers 2 oder Iron Man 4 (mit Joseph Gordon-Levitt in der Hauptrolle) zu garantieren?

Komischerweise regen sich die meisten Comicfans nicht über das grätzige Drehbuch, sondern über die Filmwerdung des Mandarin auf, dabei ist diese Wendung die einzig nicht zu vorhersehende im Film. Wer sich übrigens am Ende fragt, ob er wegen der langen Laufzeit die entscheidende Stelle verschlafen hat, in der Guy Pearce seine exakte Motivation erklärt, dem sei gesagt: nein. Fazit: Ein gut gelungener schlechter Superheldenfilm, über dessen gigantische Zuschauermengen sich man vor allem in Ingolstadt freuen dürfte.

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Hinter dir, ein dreiköpfiger Affe! (2013)

„Guybrush? Is that a French name?“
„No, actually it’s a fictional name.“

(Was jetzt gleich folgt, ist die Neuabmischung eines alten Blogeintrags vom 7. August 2006, wieder ausgegraben zu Ehren des jüngst verschiedenen Spielestudios LucasArts)

Mein Mitbewohner und ich waren uns nicht sonderlich ähnlich. Er war ein Bär, ich ein Hemd (zumindest vor meinem Ferienjob als Bierfahrer bei Thurn & Taxis). Er las Bukowski, ich Anne Rice. Er hörte Van Morrison, ich Rancid. Er ging ins Irish Harp, ich in die Alte Filmbühne. Er kam aus Oberbayern, ich aus Niederbayern. Trotz dieser entzweienden Unterschiede fanden wir unsere Gemeinsamkeiten. Da war zum einen das Saufen und zum anderen die Weiber. Da war unsere Liebe zum FC Bayern und zur Formel 1 und unser Wettbewerbsgeist, den wir in „Wer kommt später und besoffener nach Hause“ auslebten und uns aber auch als Verlierer sportlich gaben, indem wir versöhnlich nachts im Vollrausch Darts spielten und/oder nackt durch die Wohnung tanzten. Im Grunde genommen hatte ich bei diesem Gesamtwettbewerb sowieso nie eine wirkliche Chance und kam über Etappensiege nicht hinaus. Wie soll man auch gegen jemand gewinnen, der drei Tage lang nicht vom Trinkengehen wiederkehrt, nachdem er sich an einem x-beliebigen Sonntag Nachmittag kurz mit „Ich geh schnell auf eine Halbe zum Kneitinger“ verabschiedet?

Letztlich passten wir uns sowieso immer mehr aneinander an, so dass ich mit ins Irish Harp und er mit in die Filmbühne kam, ich Van Morrison und er die Mighty Mighty Bosstones hörte, und wir uns beide gleichzeitig die Haare abrasierten und Drehbücher für unseren Anrufbeantworter schrieben. Wir erfanden Rituale wie die feierliche Ventilatorprozession, an der wir jeweils am Sommeranfang und Ende unsere Ventilatoren vom Dachboden holten, bzw. zurückbrachten, und wir entdeckten eine gemeinsame Leidenschaft, die uns an manchen Tagen zu einer unkontaktierbaren Wohngemeinschaft machte und die ebenfalls unserem Faible für Wettbewerbe entsprach: Das simultane Lösen von Adventure Games aus dem Hause Lucas Arts.

Wir haben sie wirklich alle gespielt: The Dig, Indiana Jones, Sam & Max, Full Throttle, Day Of The Tentacle, Maniac Mansion, Zak McKracken etc. Doch am eindrucksvollsten war für uns immer die Monkey Island Reihe. Sie ging mit all ihren merkwürdigen Charakteren in unsere Alltagssprache und unseren Humor ein. Stan, der nervige (Schiff/Sarg/etc)Händler wurde beispielsweis zum Sinnbild für enervierende kaufmännische Angestellte im echten Leben.

Angefangen hat alles mit einem langweiligen Sonntagnachmittag, an dem ich meinen Mitbewohner fragte, ob er nicht ein Computerspiel für mich zum Zeitvertreib hätte. Er überreichte mir geradezu feierlich The Curse Of Monkey Island und als ich ein wenig die mangelnde Aktualität beklagte, wurde er leicht mürrisch und versprach mir nicht nur einen hochgradig humoristischen Spielverlauf sondern auch nervenzerfetzendes Verzweifeln an diversen Rätseln. Er behielt in beiden Aspekten Recht, wobei ich diesen Teil noch auf eigene Faust lösen konnte, und das war mir auch ein Anliegen wegen des Wettbewerbsgedanken. Schließlich wartete Teil zwei, Le Chuck’s Revenge, längst auf mich und hier wurde ich von meinem Mitbewohner gezwungen, die Variante mit den extrabrutalen Rätseln zu spielen. Er spielte parallel mit, um sich zu beweisen, wie intellektuell überlegen er mir war. Aber auch ich kam aufgrund von vermehrten Nachteinsätzen an seinem PC langsam aber sicher voran, vor allem wenn er mal wieder drei Tage nicht auftauchte.

Ich kam zwar voran aber eben nur bis zu einer gewissen vermaledeiten Stelle. So sehr ich mich mental abmühte und grübelte – und ich grübelte an der Uni, in den Kneipen und zwischen den Haxen meiner Liebschaft -, kam ich einfach nicht auf den entscheidenden Lösungsschritt, der den weiteren Handlungsverlauf von Monkey Island 2 auslöste. Wochenlang steckte ich fest, ich war kreuzunglücklich. Ein Internet kannten wir in jenen Tagen nur in Zeitlupe aus dem sogenannten ZIP-Pool an der Uni, Suchmaschinen nur vom Hörensagen und Lösungsbücher waren mit 16 DM eindeutig zu teuer. So gab es nur einen, der mir aus meiner Misere hätte helfen können. Aber ich wollte lieber von Le Chuck, dem Geisterpiraten aufgefressen werden, als meinen Mitbewohner um Hilfe zu bitten. Und das wusste er.

Und so legte er mir eines Tages einen kleinen Briefumschlag auf den Rechner, auf dem in blauer Tinte fein säuberlich geschrieben stand:

„Monkey Island Hint Letter. To open means to capitulate.“

Was für ein hinterlistiger und leider auch gewiefter Sportsmann. Ich trank ohnehin nicht gerade wenig zu der Zeit, aber ich begann, noch mehr zu trinken und zu kiffen und hoffte auf toxische Träume, in denen mir die Vision vom richtigen Handeln kam und ich am morgen das verschissene Spiel lösen konnte, ohne diesen verfickten Brief zu öffnen. Selbst der Sex war nicht mehr derselbe, so sehr lag all mein Streben und Denken in diesen düsteren Sommertagen auf der Lösung meines Monkey-Island-Problems. Doch egal, wie groß meine Pein auch war, ich schwor mir, den verschissenen Lösungsbrief meines Mitbewohners nie und nimmer zu öffnen.

Zwei Tage später öffnete ich den Brief. In derselben säuberlichen Schrift und der edelblauen Tinte stand in Gedichtform geschrieben, dass ich einfach das Guybrush-Wanted-Poster gegen das Flugblatt von Käpt’n Kate hätte austauschen müssen, ab da ergab sich der Rest quasi von selbst. Es war eine simple Frage von „Benutze X mit X“ gewesen.

Mein Mitbewohner verkniff sich fairerweise die ganz große Häme, aber ich weiß, dass er bis zum heutigen Tag triumphierend in unserer ehemaligen Altstadtwohnung hoch oben über der Stadt thront und sich in die Freibeuterfaust lacht. Wir haben dann Teil drei und vier gleichzeitig gegeneinander gespielt und gewonnen haben wir abwechselnd, je nachdem wer am meisten Zeit hatte, nicht saufen zu gehen. Entsinne ich mich recht, haben wir uns sogar gegenseitig Dates zugeschanzt, damit der andere abgelenkt war und man wieder eine Nacht den PC und das Spiel für sich hatte.

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0:3 / keine Angst mehr

Dass ich nach dem gestrigen Halbfinale im Camp Nou keine Angst mehr habe, ist natürlich gelogen. Denn jeder weiß, dass es nur Sekunden und marginalste Umstände braucht, um das Gefüge aus Raum, Zeit und Fußballgerechtigkeit aus den Angeln zu heben. Es kann daran liegen, dass Manuel Neuer im entscheidenden Moment an ein Magnum Mandel denkt, Jerome Boateng mit der Tochter des zuständigen Schiedsrichters geschlafen hat, eine Flitzerin im schwarzen BH das entscheidende Abseits aufhebt oder Uli Hoeneß noch einen letzten Elfmeter verwandeln will bevor er ins Gefängnis geht, kurz: es gibt jede Menge Wurst-Käs-Szenarien, in denen Bayern das Wembley-Spiel gegen den BVB verschaukelt und Dortmund damit für mindestens ein Jahr die größte und beste Mannschaft ist, die der deutsche Fußball je gesehen hat. In drei Monaten wird auch keiner mehr wissen, wer eigentlich Meister geworden ist, aber man wird wissen, wann der VfB das letzte Mal den DFB-Pokal gewonnen hat.

Und dennoch ist meine Angst weniger geworden, denn die Selbstsicherheit und Spielintelligenz „meiner“ Roten lässt mich gerade vor Freude erschauern. Manchmal sitze ich vor dem Fernseher wie vor einem Bild im Museum und frage mich, wie der Künstler diese Harmonie erschaffen konnte. Sollte also wirklich alles mit rechten Dingen zugehen und die Bayern den Überhenkel nach München holen, muss man davon ausgehen, dass ein zukünftiger Trainer (und ich habe so eine leise Ahnung, wer das ab Juli sein könnte) sämtlichen Trainingseinheiten möglichst fern bleibt, damit die Mannschaft um Gottes Willen genau so weiterspielt wie bisher.

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Kurzkritik zu Killing Them Softly

Der Holzhammer kommt down hard, was die Parallelisierung von Finanzkrise und Sinnkrise der Unterwelt (und ist das nicht eh dasselbe?) betrifft. Tony Soprano und der Typ aus Fight Club spielen sich einen Wolf.

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4:0 / vier gute Ideen

Heynckes zu kränken war die beste Idee, die Bayern je hatte. Und schwer war das nicht, denn Heynckes ist dieser Tage von allem und seiner Großmutter gekränkt. Von Pep Guardiola, von Uli Hoeneß („Dreck gespielt“), vom Götze-Transfer, von Jürgen Klopp, von Watzke, von der Presse. Wirklich, ich habe ihn noch nie so unentspannt gesehen wie in dieser Rückrunde. Aber das macht genau den Unterschied, denn jetzt ist aus dem angeblich im Alter so tranquilen Heynckes eine rastlose Trainerbestie geworden, die es 24/7 jedem nochmals so richtig zeigen will. Zeigen, dass ein Pep Guardiola überflüssig ist. Zeigen, dass die Welt einem Irrtum aufgesessen ist, als sie ihn als Übergangstrainer bezeichnet hat. Vielleicht wird er noch schnell Bundestrainer und Weltmeister, wenn er weiter so beleidigt ist. Der alte Mann und das Mehr.

Die zweitbeste Idee war, sich in den letzten beiden Saisonen von Dortmund so richtig den Marsch blasen zu lassen. Ohne Klopp, seine Spielkunst, seine Besessenheit und seine hintersinnige Rethorik hätte der BVB die Bayern nicht so düpieren können. Schon wieder war es eine Kränkung, die den FCB zu Höchstleistungen angestachelt hat. Ohne Klopp hätte Bayern ab Juli keinen Götze und keinen Pep Guardiola. Wenn man hier mitliest, weiß man, dass ich alles andere als ein Fan bin, aber der Beitrag den er zum deutschen Fußball leistet, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Danke dafür Jürgen Klopp, ernsthaft jetzt.

Die drittbeste Idee war, Sammer zu holen. Jemand, der sowohl die Abteilung Attacke, die Abteilung Demut und vielleicht sogar die wichtigste, die Abteilung Maul-halten, kompetent leiten kann. Ich bin mir sicher, dass Sammer jetzt schon und demnächst noch viel mehr zum Mastermind, zum Herzstück wird. Er ist der einzige im Verein, der eine moderne Rhetorik beherrscht, der Watze/Klopp auch in der Korrespondenz die Stirn bieten kann. So gerne ich Uli Hoeneß mag, so unangenehm war (aha, Vergangenheitsform!) es mir doch stets, wenn mal wieder so ungehalten die Großmannssucht aus ihm herausgeplatzt ist. Man verstehe mich nicht falsch, ich schätze Rumpler, aber noch mehr schätze ich eigentlich Demut, selbst wenn sie nur ein Stilmittel der Höflichkeit ist. Ja, ich bin Deutscher, ich mag Demut, ich hab’s gesagt, so ist es, und ich steh dazu.

Die viertbeste Idee war, dieses Spiel 4:0 zu gewinnen. „Actions speak louder than words“ hat mir ein guter Freund nach dem Spiel gesmst. Und Gary Lineker hat getwittert: „Only one of these sides needs Guardiola and it’s not Bayern Munich.“ Für diesen gestrigen Tag, der in die Vereinsgeschichte als der ereignisreichste eingehen dürfte gab es nur eine einzige unwahrscheinliche Möglichkeit für einen versöhnlichen Abschluss, der sogar dem ein oder anderen Bayernhasser den Saft abdreht: Ein Kantersieg über Barca, und wer hätte das – verdammt noch mal – gedacht?

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Meinungsfreiheit verbieten

Natürlich fragt mich die letzten Tage öfter mal jemand nach Uli Hoeneß. Und ab heute fragen mich die Leute dann sicher auch nach Mario Götze. Und warum der Hoeneß so ein falscher Fuffziger ist und wir andere Vereine kaputtkaufen, und ob wir vielleicht sogar der Leibhaftige sind, und ob Philipp Lahm wirklich schwul ist. Die Antwort auf alle Fragen ist dieselbe: Ich weiß es – verdammt noch mal – nicht. Und vielleicht lautet sie sogar: Ich weiß es – verdammt noch mal – noch nicht.

Aber ich will mich auch nicht drücken, nur weil der Kragen vom roten Trikot gerade ein wenig eng wird. Wenn wirklich herauskommt, dass der Hoeneß massiv die Steuer beschissen hat, dann nivelliert das nicht im Geringsten das was er für Verein und Fußball getan hat, aber es lässt ihn als ganz großen Scheinheiligen dastehen, und dann sollte er auch als Präsident zurücktreten, there I said it. Gibt es wider Erwarten eine vernünftige Erklärung, kann ja alles so weiter gehen wie bisher und vielleicht kostet die Sache dann bestenfalls der scheiß CSU ein paar wertvolle Stimmen. Bravo Uli schon mal dafür.

Was den Götze-Transfer betrifft: Ich verstehe den Zeitpunkt der Meldung nicht, selbst wenn er nicht (wovon ich ausgehe) von Bayern lanciert war. Niemand, weder der BVB, noch der FCB hat was von der Unruhe, die jetzt so kurz vor dem alles entscheidenden Halbfinale ausbricht. Alles was da erzeugt wird, sind Gehässigkeiten und eine gehässige Grundstimmung und die schmeckt mir nicht (der BILD natürlich sehr wohl, weil sie so Zeitungen verkauft). Nicht nur weil die Gehässigkeit gegen „meinen“ Verein geht, ich hab die Gehässigkeit per se über.

Die Gehässigkeit, die entsteht, weil mittlerweile jeder publizieren kann, wie ihm der Arsch grade hängt. Ohne Vorkenntnis, ohne Niveau, ohne Geduld, ohne einen Funken Humanismus, ohne Herz. So sehr ich das Netz dafür liebe, dass es den Kreislauf der ewigen obrigen Verschleierung rüde in zwei Teile zerreisst, so sehr hasse ich es dafür, dass es jetzt jedem unreflektierten Wutanfall eine Stimme verleiht. Ich darf mich da selbst nicht ausnehmen, ich habe auch eine ganze Weile gerade in dieses Blog ungefiltert meinen Grant hineingerotzt.

Irgendwann ist mir allerdings das Wüten der Welt (um Marten ‚t Haart zu zitieren) zuviel geworden und jetzt versuche ich im Idealfall noch lustig die Meinung zu sagen, auch wenn mir das nicht verlässlich gelingt. Okay, jetzt bin ich weg vom eigentlichen Thema gekommen. Wo waren wir? Ach so, beim FC Bayern. Wisst ihr was? Es ist nur Fußball, ich schau mir in ein paar Stunden das Spiel an und habe mindestens bis dahin ganz eskapistisch überhaupt keine Meinung mehr. Das entspannt und befreit ungemein, und ich kann es nur empfehlen.

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