Brenners Bundesliga 2010/2011 (2)

Spieltag 2: Herr, wirf Heimsiege vom Himmel

Der Himmel funkt wieder. Dank der richtigen Smart Card im dritten Anlauf und keine Sekunde zu früh schaltete sich der Receiver am Freitag ein, um einen furiosen zweiten Spieltag ins Brennersche Wohnzimmer zu senden. Und gut, dass ich mich von dem Bayernspiel nicht entmutigen lassen habe, den Samstag und den Sonntag mitzunehmen, es wäre ein Versäumnis höchst sträflicher Natur gewesen.

Aber von vorne: Bayern auf dem Betzenberg, wo man früher die Punkte am liebsten mit der Post hingeschickt hätte – man kann Paul Breitner nicht oft genug zitieren, nach diesem Freitag. Denn die roten Teufel hatten für die Bayern ein wahrhaft diabolisches Süppchen gekocht und in einem wahren Hexenkessel serviert. So, und nach der Fabulierkunst will ich einen Reportervertrag bei Sat 1 haben. Aber Höllenmetapher bei Seite: die Lauterer konnten irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit 2 Torschüsse verbuchen, die Bayern dagegen 18. Jetzt muss man aber dazu sagen, dass es zu diesem Zeitpunkt schon 2:0 für den FCK stand. Mehr Leidenschaft und Zielstrebigkeit im Abschluss haben in diesem Fall gereicht um eine an sich haushoch überlegene Bayernelf auszustechen. Das wird nicht immer funktionieren in dieser Saison, aber war nicht unverdient. Man merkt, dass die VG-Fußballer (nicht Verwertungsgesellschafft, sondern Van Gaal) zwar immer noch das Spielsystem verinnerlicht haben, aber sich nicht mehr erinnern konnten wozu es gut war. Kleiner Tipp: Spiele gewinnen.

Das große Spaßspiel am Samstag war natürlich Wolfsburg gegen Mainz. Diego (der X-Stecher von X-Factor-Transe Sarah Connor) ist zurück in Deutschland, aber nicht in Bremen, sondern bei den Wölfen. Grünes Trikot, langweilige Stadt, da kann man sich schon mal vertun. Der Pubprolo McClaren und sein dauerverängstigt dreinsehender Adlatuts Litti hatten die ihren auf Angriffsfußball für die Galerie eingestellt und das machte sich zunächst dank Dzeko und Diego so dermaßen bezahlt, dass eine Drei zu Null-Führung dabei herausdrückte. Puh, das waren einen Haufen „D“s. D(!)ummerweise hatten die meisten Wolfsburger verdrängt, dass Mainz so ziemlich die unbeugsamste Truppe unter den Oberliga-Underdogs ist und sich ganz und gar nicht von dem geifernden Wolfsrudel beeindrucken ließ. So drehte die Tuchel-Truppe kurzerhand den Rückstand in einen 4:3-Sieg und trotz einer guten Leistung der Wolfsburger, tut es jetzt sicher weh, dass Friedrich noch ein paar Wochen länger ausfällt und man Misimovic zu Galatasaray gehen lässt. Noch weher hat mir allerdings folgende Bemerkung auf Spiegel Online getan: „Tuchel sieht mit seinem strengen Seitenscheitel und dem Bartflaum zwar immer so aus wie einer aus dem Bohemien-Milieu in Berlin-Prenzlauer Berg, aber er fühlt sich wohl in der Rolle des Unterschätzten.“

Der größte Trost für die Bayernniederlage kam mal wieder aus Gelsenkirchen. Ausgerechnet gegen die Wurschtltruppe von Slomka (=Hannover) musste sich die Schalker Abwehr ergeben und das sogar noch vollkommen verdient. Jetzt rächen sich die erneut radikalen Umbaumaßnahmen Magaths und der Verkauf der gesamten Erfolgsabwehr der vergangenen Saison.

Die Hamburger bastelten anfangs ein bisschen herum an ihrem Spiel, aber die zweite Hälfte brachte die Wendung gegen solide spielende Frankfurter und zeigte ausgelassenen Fußball, der in der Theorie am Ende der Saison zu einem Titel führen könnte. Genauso war das leider auch letztes Jahr und etliche andere Jahre, in denen man beschloss, nach dem ersten Saisondrittel einfach nicht mehr so gut zu spielen, sonst hätte man ja am Ende auch nicht den Trainer feuern können und die bundesligainterne Rangliste an konstantestem Trainerverschleiß der letzten 7 Jahre anführen.

Die anderen Hamburger zeigten sich von ihrer besten Seite (wenn man von den Trikots mal absieht, ich muss es einfach nochmal sagen), aber Hoffenheim scheint seine Abgebrühtheit wiederzufinden, die ihnen die Bayern im Winter nach dem Aufstieg im letzten Spiel der Hinrunde mit Hilfe eines ihrer berühmten Last-Minute-Siege aus den Knochen geschossen hatten. Ende 2008. Ich erinnere mich noch an ein verbissenes Duell, nach dem die Hoffenheimer nie mehr sie selbst waren.

Am Sonntag dann noch ein Reisser von der Coleur Wolfsburg/Mainz und wieder eine spektakuläre und völlig unerwartete Heimniederlage für einen Spitzenverein. In Gladbach hatte wohl jemand unter der Woche ein Supersoldier-Serum erfunden und den Spielern dort verabreicht, allen voran Idrissou und Marco Reus. Wie die stellenweise das Star-Ensemble aus Leverkusen enthaupteten, war Comicbuch-reif. Leverkusen gab sich nicht auf, das musste man ihnen lassen und die Desorganisation war auch bei aller Liebe zur Häme nicht an Ballack festzumachen, aber der Gegner war an jenem Sonntag nicht nur Gladbach, sondern einfach übermächtig.

Auch Stuttgart 21 (wie der Verein sich jetzt nennt, um das Image des Tiefbahnhofs aufzupolieren) geriet am Sonntag unter die Abrissbirne des BVB und gehört mit Schalke jetzt zu den drei Vereinen, bei denen ich am dringensten noch Handlunsgbedarf auf dem Transfermarkt sehe. Da fehlt noch ein dritter Verein, ich weiß. Und zwar … (Spannungswirbel) ….der FC Bayern. Robben fällt die ganze Hinrunde aus, heisst es. Schlägt man jetzt mal nach, wie und ab wann in der letzten Saison am meisten Bewegung in das Offensivspiel der Bayern gekommen ist, war es nicht der Abgang von Luca Toni, sondern die stabilisierte Gesundheit von Robben nach der Hinrunde. Bayern braucht neben einem Demichelis-Ersatz auch noch einen offensiven Mittelfeldspieler, sag ich. Dafür kann dann auch Gomez gehen, dessen langes Elend ich bei aller grundsätzlichen Sympathie nicht mehr sehen kann.

Und ich kann viel sehen. Jetzt, wo ich das Bundesligapaket von Sky habe.

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Brenners Bundesliga 2010/2011 (1)

Spieltag 1: HD = Hässliche Details

Angefangen hat am Freitag alles mit einer herben Enttäuschung. Ehrlich, ich war so enttäuscht, ich hätte mir beinahe das Bayern-Spiel nicht angeschaut und ich glaube, was Martin Demichelis am Freitag gefühlt hat, ist ein Scheissdreck gegen meine Enttäuschung. Ich habe mir nämlich ein Sky-Bundesliga-Abonnement eingehandelt und genau so getimet, dass ich zum Bundesligastart den Decoder erhalte. Mit großer Begeisterung habe ich am Freitag dann auch die Post entgegen und alles in Betrieb genommen, nur hat sich herausgestellt, dass man mir die falsche Smartcard geschickt hat und deshalb Pustekuchen mit Spieltag 1 live im Fernsehen.

Immerhin übertrug die ARD ja das Bayernspiel und ein Beckmann ständig übers Maul fahrender Mehmet Scholl tröstete mich ein wenig. Das Spiel eigentlich auch, selbst wenn man anfangs der zweiten Hälfte nicht genau wusste, ob die Van-Gaal-Boys das mit heiler Haut überstehen würden. Der Stellungsfehler an sich, eine ganz besonders ausgiebig eingeübte Situation in der Bayern-Abwehr, funktionierte auch ohne gegnerischen Stürmers bestem Freund Demichelis. Oder wie Marcel Reif sagen würde: DemiTSCHelis. Dass am Ende wieder der Bayern-Dusel herbeizitiert wurde, lag einfach nur an der späten Uhrzeit des Tores, denn verdient war der Sieg trorz aller Unebenheiten dennoch. Sebastian Schweinsteiger bemerkte in einem Interview nach dem Spiel, dass er bei einer ähnlichen Situation vorher nicht „ganz durchgelaufen“ sei, aber dann bei dem Tor eben schon, was Mehmet Scholl zu tiefer Ehrfurcht hinriss: „Ein Spieler, der während eines Spiels dazulernt.“ Und was die Causa DeMitschelis angeht: lasst den Verblendeten gehen und woanders denken, er bereichere eine Viererkette mit seiner bloßen Anwesenheit.

Am Samstag aufgrund der Skydepression dann nur Sportschau, aber immerhin in HD, weil ja der Decoder sich das digitale Signal von ARD HD holen kann. Und dank HD endlich mal einen näheren Blick auf die weit verbreitete Fußballer-Akne genommen. Kann gut sein, dass ich bei zukünftigen Spieltagen vom Balkon aus fernsehschaue, um nicht diesem Detailterror ausgesetzt zu sein. Die roten Flecken auf den Trainergesichtern (allen voran der Riesenfleck, der Ralf Rangnicks Gesicht war) sehen ja aus wie Lebensmittelvergiftungen.

Apropos Ralf Rangnick. Ich sage: das war ein Ausrutscher von Hoffenheim und passiert so schnell nicht wieder. Aber das ist halt Fußball, da kannst du noch so mit Tabellenmittelfeld planen und dann hast du einmal einen schlechten Tag und spielst Bremen an die Wand. Thomas Schaaf hat müde gewirkt, aber verzeihend. Ich glaube, er sieht ein, dass die Hoffenheimer das nicht so gemeint haben. Schließlich haben sie ja eigentlich – besonders nach Eduardos Abgang – auch nicht die Mannschaft dafür.

St. Paulis Ersatztorwart Pliquett wird sich auch gefragt haben, was jetzt los ist. Schließlich ist der Underdog St. Pauli und wenn hier jemand verprügelt wird, dann doch bitte ein paar dieser aufgeblasenen HSV-Fans. Aber da hat er die Rechnung ohne den vermummten Hooligan gemacht, der ihn auf dem Hamburger Hauptbahnhof aus der Saison stiefeln wollte, obwohl er doch nicht mal gespielt hatte. Dabei gibt es keinen Grund zum Frust für Hamburg-Fans nach dem hervorragenden Sieg gegen Schalke. Und der einzige Grund, jemand bei St. Pauli zu verprügeln, wäre wenn man den Designer der golden-braunen Trikots ausfindig machen würde. Und den müsste man dann auch besser erwürgen. Versteht ihr den Witz? Ich gebe einen Tipp: großer Hit von den Stranglers. Na?

Das Problem mit diesen ersten Spieltagen ist ja immer, dass sie soviel über die Saison vorhersagen wie der Wahrsager morgens auf dem Vierten. Ausser ein paar lieblosen Prognosen geht da nichts, man kennt ja die Zukunft nicht. Klar haben sich Leverkusen und Hamburg durchaus konkurrenzfähig zum FC Bayern erwiesen und Bremen und Stuttgart den Auftakt verschlafen und klar präsentierten sich die Aufsteiger in einer Form, in der man sich den Klassenerhalt locker erspielen kann, aber wenn man sich mal die letzte Saison anschaut, sieht man, dass die Eulen nicht das sind, was sie zu sein scheinen, um es mal mit Twin Peaks zu sagen. Ein paar Mal gab es da allzu dominerende Mannschaften: Am Anfang war es der HSV, dann schien Leverkusen nicht mehr von Platz 1 weichen zu wollen. Dann hörte Schalke nicht mehr auf zu gewinnen und plötzlich holten Bremen und Stuttgart jedes Spiel, Leverkusen ging die Luft aus und Bayern wurde Meister. Und wie auch die Sache mit meinem Sky-Decoder zeigt: Der Fußball lässt sich nicht planen, ausser du bestichst den Schiedsrichter.

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Abgang

Komisch. Die letzten Jahre kommt es mir immer im August schon so vor, als liege der Sommer in den letzten Zügen. Als Kind war der August mein zentraler Sommermonat. Im August waren Ferien und ich lag den ganzen Tag im Freibad oder vor lauter Heuschnupfen bei verdunkelten Fenstern in meinem Zimmer. Und im September fuhren wir an die Adria und ich über allem in den Wellen. An den Herbst dachte ich frühestens Ende September. Der perfekte Tipp zur Sommeruntergangsstimmung: an einem halbverregneten Augustabend zur Dämmerung auf dem fast leeren Deutsch-Amerikanischen Volksfest in der Clayallee rumhängen.

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Das merkwürdige Berlin

Es verschwindet langsam aus unserem Blickfeld, oder es kommt uns so vor. Die Leute, die schon länger oder von Haus aus hier leben, bemerken diese Erschleichung der Bürgerlichkeit sicher schon seit einigen Jahren länger, aber bei uns kommt es jetzt erst an.

Die Wohnung streift ja um Haaresbreite das Touristikzentrum von Berlin, aber selbst da war lange vieles merkwürdig, verfallen, dubios oder zumindest unrenoviert. Neulich war ich im Bötzowviertel und dachte, ich bin in München-Haidhausen. Blonde High Heels tackern am mir vorbei, Kneipen stellen Wässerchen für passierende Jogger auf den Tisch und der leicht übergewichtige grauhaarige Manager am Nachbartisch telefoniert sich den Mund blutig. Der Babyboom regiert die Straßen, schüchterne Teenager lesen Bücher und werden von ihren Freundinnen zum Fahrradfahren abgeholt. Die Läden verkaufen Babyklamotten und schwedisches Designzeugs und T. sagt, da sind sicher viele dabei, wo der Ehemann das Geld bringt und die Kinder schon größer sind und sie sich jetzt endlich den Traum vom eigenen Laden erfüllen kann. Mit schwedischen Babyklamotten.

Nicht, dass mich das alles sonderlich stören würde, denn zum einen lebt man in den meisten deutschen Großstädten so und ich als Ex-Münchner kann ganz gut mit dem schönen Schein umgehen – zum anderen hab ich da, wo ich wohne, noch den Wedding und Moabit als letzte Verteidigungslinie vor der Biowindelgesellschaft im Rücken. Mit jeder Menge merkwürdiger Menschen, Tiere und Bauwerken. Berlin wird die Merkwürdigkeit auch so schnell nicht ausgehen, dafür ist es ausserhalb seines speckigen Szenegürtels viel zu kaputt und abgefuckt. Nur aus dem eigenen Blickfeld entflieht das Kuriositätenkabinett immer mehr, weil einen die Bürgerlichkeit immer mehr in die Zange nimmt. Vor allem die eigene.

Über die wilden Dörfer

Die meisten so genannten Sehenswürdigkeiten
sind vom vielen Hinschauen ganz abgenutzt.

(Helmut Qualtinger)

Und dann kurz im niederbayerischen Ursprungsbereich gewesen und folgendes festgestellt: Es ist immer schon die schiere Fläche gewesen, die mich an der Natur gefreut hat. Und zwar ausgefaltet. Die Berge ganz schön, aber überhaupt kein Muß. Auen, Flüsse, das ist es. Wo ich mich selber sehe, wie ich tagelang durch das kniehohe bodennebelbeträufelte Gras laufe und über kleine Bäche springe wie ein junges Reh.

Und dann gibt es da in meinen Träumen noch einen kleinen bayerischen Ort, der am Hang liegt. Ich dachte, ich hätte mir den ausgedacht, aber dann bin ich durch Aufhausen gefahren, das ich nicht gut kenne und ich habe gemerkt, das ist genau der Ort. Und das war, bevor ich mir den schönen Inception angesehen habe.

Dann seit Jahren mal wieder auf der Walhalla, die man schon aus dreissig Kilometern Entfernung schneeweiß auf ihrer Flußbiegung thronen sieht. Angeblich sogar in der Nähe von Upfkofen schon, wenn man über eine Anhöhe mit dem Auto donnert. Von der Walhalla aus sollte dann quasi im Rückwärtsgang mit dem Rücken zur glitzernden Donauschleife die Fotosafari beginnen, aber die Kamera war stur, wie man das in Bayern halt so ist, wenn man gerade nicht mag, dann geht man kaputt.

Und am Ende von so einem Tag willst du natürlich in den Biergarten und wo könnte man besser garteln als in der Hammermühle? Überall, weil Essen scheiße, Bedienung kurz vorm Kollaps bei nur 7 Tischen im Zuständigkeitsbereich, Preise wie in München, Ausflügler wie an der Ostsee und Wespen ohne Anstand.

Aber dann wieder der Ritt über die kleinen Dörfer mit ihren leergefegten Bauernhöfen und kleinen Schlössern. Ach ja, und dann reichts auch wieder irgendwann und man ist froh wenn man den Funkturm West schon von weitem sieht, weil Heimat ist dann eben auch immer da, wo man am bequemsten übernachtet. Sagt auch meine Bandscheibe. Aber immerhin mal wieder auf dem Pfaffenberger Volksfest gewesen.

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Die spirituelle Reise

Wahrscheinlich hab ich gestern Nacht einfach nur zu lange das großartige „Limbo“ gespielt und das Hirn hat deshalb im Schlaf Lambada getanzt, aber in meinem Traum erlebte ich ein monumentales Abenteuer.

Mit einer Gruppe von Leuten brach ich auf Lastwägen auf, um einen geheimen Schatz zu bergen. Einer der Lastwagenfahrer war ein Spion und ich schlug das Führerhaus ein und zerrte ihn aus dem fahrenen Vehikel. Der Wagen ging kaputt, der Spion entschuldigte sich fürs Spionieren und ging woanders hin.

Unsere nächste Aufgabe war, in einem unfassbar großen Multiplex-Kino mit Wasserrutsche einen Hollywood-Komödie zu sehen. Bei dieser Aufgabe zerstreute sich unsere Gruppe in alle Winde und mir fiel mein Portemonnaie in die Wasserrutsche. Also rutschte ich hinterher und war patschnass. Dann traf ich meinen Schwager und verpasste so den Film.

Die Gruppe traf sich wieder und mir fiel auf, dass einer der Gefährten nicht nur aussah wie Peter Fox, sondern auch ein pinkes Polo-Shirt trug. Ich schlug ihm auf den Hinterkopf und sagte: „Gib’s zu, du bist Schweizer. Und deine Freundin auch.“ So in die Ecke gedrängt, konnte er nicht mehr leugnen und er und seine Freunden trollten sich nach dieser unangenehmen Aufdeckung.

Schließlich waren wir in den Sümpfen und tauchten dort nach dem Schatz. Ich fand einen roten iPod-Nano und mir war sofort klar: das ist er. Er funktionierte noch ganz gut, dafür dass er aus dem Sumpf kam und er spielte ein Mixtape aus Folk-Balladen der 90er-Jahre, die besonders gut in einander gemischt waren. Meine Mitreisenden waren sehr enttäuscht von dem Schatz, aber ich sagte zu ihnen: Was wir jetzt aus dieser Erfahrung machen, ist der wahre Schatz. Es ging von Anfang an um unsere spirituelle Reise. Die Kollegen murrten weiter und ich wachte dann irgendwann mal auf.

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Sizilien

Und dann in Sizilien gewesen. Weil immer schon dahin gewollt. Aber vorher was anderes: wird jetzt wieder geklatscht nach Landungen? Ich dachte, das wäre ausgerottet.

Und dann in Palermo angekommen. Palärmo. Rollerfahrer, Tod und Lautstärke. Kein Verfall ist schöner als der von Palermo. Und vermutlich ist er auch nirgendwo teurer. Das Essen, der Tod, die Roller. Nur die Lautstärke ist umsonst.

Aber die Stadt ist nicht so ruppig, wie man meinen könnte. Alles verfällt so schön langsam und laut. In diesen Katakomben hinten am Stadtrand hängen Tausende von Toten an der Wand. Mal mehr mal weniger geglückt mumifiziert. Der einzige leise Ort neben den Kirchen. Überhaupt die Kirchen. Innen. Schön. Möchte man fast wieder religiös werden. Verfallend in Ruhe und Würde. Alles verfällt.

Bis auf den Verkehr, wenn du selbst fahren musst. Die Regellosigkeit ist nicht das Problem. An deren inhärente Regeln gewöhnt man sich schnell, an die sekundenschnelle Überwerfung derselben nie. Auf deutsch gesagt: fahren wie Idioten, die Sizilianer. Ich teilweise auch, aber nicht mit dem Leihwagen.

Dann in Siracusa. Aufgeräumt. Kontrollierter Verfall dieses Mal. Gutes Essen. Penette mit Schwertfisch in Pistaziensoße. Überhaupt alles nussig und marzipanig da. Süß und würzig, ganz meine Soßenwelt. Der Strand bei Arenella wurde uns nur beiläufig empfohlen, weil ums Eck. Aber der Sand: Zentimenter für Zentimeter eine einzige Anschmiegung an den Fuß. Und das Wasser. Die Ionische See. So klar und kantig, dass man sich dran schneiden kann. Und will.

Auf dem Ätna dann ein bisschen Enthitzung der Gemüter. A) weil kalt und B) weil man auf den 2000 Metern Höhe, die man mit dem Auto fahren kann, noch nicht soviel mitbekommt von der herrlichen Bedrohlichkeit so eines Vulkans. Ausser man hört ganz genau hin in den stillen Momenten. Dann hört man das Herz von dem Vulkan schlagen. Und wenn es lauter wird, dann fährst du besser nach Hause. Oder zur Isola Bella, wo du im Pool über der Insel herumturnst bis du müde wirst und mit der Balkontür zum Meer einschläfst. In aller Ruhe.

In Cefalu dann wieder Lautstärke durch touristischen Befall. Am Abendbuffet im Hotel gewalttätige Renterbataillonen, wenns darum geht, wer als Erster am gegrillten Gemüse stehen darf. Aber selbst schuld, wenn man in so einem Land im Hotel Tourist weilt. Aber manchmal gewinnt die Faulheit, der Verfall der Ambitionen. Morgens vor dem Flughafen kein Mensch. Keine Seele. Und leider auch keine Tankstelle für den Mietwagen. Im Flughafen dann aber doch eine Horde älterlicher Germanen, die offenbar schon drei Stunden vor Flugbeginn eine Einreihung gebildet hat. Überhaupt wieder alles Idioten, die man so trifft. Nicht nur die Landsleute. Reisende im Allgemeinen. Manchmal glaube ich, die Leute werden immer dümmer. Von Jahr zu Jahr. Man muss ja nur die Nachrichten lesen. Die Regierung anschauen. In Urlaub fahren. Überall der Verfall. Es wird wieder geklatscht bei Landungen.

(mehr Fotos hier)

Kurzkritik zu Fantastic Mr. Fox / The Shield

Gestern den fantastischen Mr. Fox gesehen. Ich mag ja Wes Anderson-Filme, weil sie genau meiner Art von lakonischem Humor zuarbeiten, bei dem man an der entscheidenden Stelle die große Wortlosigkeit die Pointe machen lässt. Der Stoptrick-Krempel war mal was anderes, aber über Spielfilmlänge dann auch ein wenig ermüdend. In der Summe aber ein schöner Film und die Anderson-Einstiegsdroge für ganz junge Menschen.

Ausserdem schaue ich gerade die Serie THE SHIELD an, weil ich nicht darüber hinwegkomme, dass es einfach nur fünf THE WIRE-Staffeln gibt und ich mit den SOPRANOS auch seit Februar durch bin. Ich brauche diese Dosis US-Crime in meinem Leben, ich kann mir nicht helfen. Aber was ich zu The Shield sagen will: Vic Mackey ist der Tony Soprano unter den Cops. Eigentlich ein Schwein, aber man will ihn so unbedingt mögen, dass man alles dafür tun würde, um ihn einer ausschließlich guten Tat zu überführen. Stand 1. Staffel, muß ich einräumen.

UPDATE: Seit in Staffel 3 der Typ die Katze erwürgt hat, kann ich nicht mehr weiterschauen. Da bin ich empfindlich, wenns um Katzen geht.

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Längere Kurzkritik: Iron Man 2

Gwyneth Paltrow.

Dann kommt erst einmal lange nichts. Und jetzt zu Iron Man 2. Über die erste Hälfte des Films kann ich die teils negativen Rezensionen noch nicht nachvollziehen. Die Figuren erhalten Zeit und Dialog, die Haupthandlung kommt langsam und scheinbar bedrohlich im Hintergrund in Fahrt und doch endet mit der grandiosen Sequenz in Monaco eine bisher durchaus stimmige Superheldenveranstaltung. Dabei hätte alles so schön sein können: Saturday Night Live-Legende Gary Shandling als Senator Stern liefert einen erstklassigen Job ab, aber auch Sam Rockwells Ari-Gold-Kopie ist nicht von schlechten Eltern. Die Johansson hat eine sinnlose Rolle, aber sieht aus wie ein neues glänzendes Moped und mehr soll sie – vermute ich mal – auch nicht. Man könnte noch bemängeln, dass Robert Downey Jr. sich als schaustellerisches Paradigma völlig über den ursprünglichen Tony Stark-Charakter stellt, aber schließlich haben wir ja auch Geld bezahlt, um das zu sehen. Viele Szenen gerade in der ersten Hälfte erinnern mich in ihrer Dialog-Ästhetik an vielgelobte U.S.-Serien: Beiläufiges ist beiläufig gespielt, Banales sieht banal aus und Gravierendes wird nicht übertrieben. Das echte Leben scheint an mancher Stelle ein bisschen durch, das muss man Jon Favreau lassen. Bis hierhin 80% bei Rotten Tomatoes.

Danach stellt die als komplex getarnte Story sich als ein sich umständlich ausdrückender Einzeiler von einer Handlung heraus und langsam fängt Mickey Rourke als Antagonist an zu nerven. Erstens tut er nichts, ausser hässlich zu sein, um sich die Antipathie des Zuschauers zuzuziehen, zweitens sieht er unglaublich hässlich aus. Sam Rockwells Ari-Gold Manierismen wirken zunehmend hysterisch und fallen völlig aus dem Rahmen der jetzt schon ziemlich brüchigen Handlung. Samuel Jackson, der Auftragsschauspieler für eine schwarze Demografie in weißen Kulturphänomenen (siehe Star Wars), trägt als Nick Fury absolut nichts zu dem Film bei. Im Gegenteil, er verlangsamt den Handlungsfluss, indem er Tony Stark kryptische Hinweise erteilt statt ihm – verdammt noch mal – einfach zu sagen, wo er sich eine neue Batterie kaufen kann. Einmal mit Einkaufszettel zu Conrad und wir hätten uns eine Menge Schmuh über Tonys Verhältnis zu seinem Vater gespart (trinkfest wie einst bei Sterlin & Cooper: John Slattery). Und nicht viel später büßt der Film komplett seinen Charme gegenüber den schon fabrikneu schrottreif aussehenden Iron-Man-Klonkriegern ein, die wohl das sprichwörtliche „Action-Feuerwerk“ einläuten sollen, das aber leider in eine zu schnell geschnittene und seelenlose Materialschlacht ausartet. Mickey „Whiplash“ Rourke ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr als ein verblasster Gedanke an die Mitte des Films und so wird er in dem Bosskampf auch behandelt. **ab hier SPOILER** Kurz aufmucken, dann aber bitte gleich per Ghostbuster’scher Strahlkreuzung von Cheadle und Downey Jr. einschmelzen lassen den Störenfried, schließlich haben wir ja solange rumgetrödelt und müssen jetzt zu der Kuss- und Schlussszene mit Gwyneth Paltrow kommen. Und entweder habe ich zu lange auf Gwyneth Paltrows Sommersprossen gestarrt oder es gab einfach keine Vorbereitung der Romanze zwischen Tony Stark und Pepper Potts (von Iron Man 1 mal abgesehen). Dann noch ein dummer Spruch von Cheadle und das war’s. Da hat’s aber jemand offenbar wirklich pressiert. Und der „Hidden Track“ nach dem Abspann ist das Sitzenbleiben nicht wert, aber das weiß ja eh schon jeder, der selbständig einen Browser aufbekommt. Aber jetzt nochmal, weil’s so schön war.

Gwyneth Paltrow.

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Wie ich einmal die Melancholie verlor*

Nothing to regret
(Slayer – Dittohead)

Es gab einmal eine Zeit, da war ich der Melancholie fetteste Beute Deutschlands. Ich brauchte nur morgens aus dem Fenster schauen und schon überkam mich die Erinnerung an Exfreundinnen, Autofahrten in bayrischen Sommern meiner Jugend oder Studentenparties mit Schwarzem Afghanen im Nussjoghurt. Und das war nur beim Aus-dem-Fenster-schauen. Frag nicht, was passierte wenn ich zum Aus-dem-Fenster-schauen auch noch Musik gehört habe. Ich hab diese Melancholie immer angenommen. Hab immer gedacht, mein Gott, was soll’s, du bist halt so ein Melancholischer. Und als Speichermedium hab ich sie benutzt. Speichermedium für wie man sich gefühlt hat. An die Fakten erinnerst du dich ja in den meisten Fällen, aber selten wie etwas gerochen hat, oder wie einem der Bauch mitgespielt hat oder anderes metaphysisches Zeug. Die Musik und die Melancholie, das war also der Speicherstand von meinen Herzensabenteuern der vergangen Jahre. Damit hab ich mich abgefunden.

Irgendwann ist die Melancholie aber von einem Tag auf den anderen weg gewesen. Ich will jetzt nicht auslassen, dass das koinzidierend mit einer Frauengeschichte zusammengefallen ist, aber es war schon erstaunlich. Weil da zerreisst du dir jahrelang das Herz und zermarterst dir das Hirn, alles wegen ein paar Liedern und Wetterszenarien und dann stehst du eines Morgens auf und schaust aus dem Fenster wie jeder normale Mensch auch. Jetzt war ich aber nicht neu verliebt oder so über Gebühr Glückbetankt, dass die Melancholie praktisch von der Glückseligkeit erquetscht worden wäre. Ganz im Gegenteil: das Mädel, um das es jahrelang ging, war von heut auf morgen unter die Kofferpacker gegangen, und hatte mir das noch schlagende Herz herausgerissen und gesagt: „Schau, das Ding schlägt doch immer noch, ich weiß gar nicht was du hast.“

Also von guten Zeiten keine Rede. Und auch nicht davon, dass ich ab dieser Amputation nicht mehr an dieses Unmädchen gedacht hätte. Geärgert hab ich mich noch oft und geflucht wurde wie ein Unwetter. Aber die Melancholie, die war weg. Wenn man es simplifiziert, ist die Melancholie ja ein Mittelweg aus Verzweiflung und Hoffnung und genau dieser Mittelweg war plötzlich verschwunden. Wutanfall oder Spaßausbruch, aber kein Mittelweg mehr. Das war dann schon gewöhnungsbedürftig am Anfang. Du sitzt im Auto und da kommt ein melancholisches Lied, das du mit diesem Unmädchen gehört hast, die Sonne scheint aufs Amaturenbrett und du spürst nichts. Da hätte jetzt auch was von Slayer laufen können, gleiches Resultat. Keine Melancholie. Keine Seele, kein Gefühl, noch nicht einmal ein Gedanke. Ein bisschen war das so, als hätte man den Geruchssinn verloren. Aber da sieht man mal, wie der Mensch gleich wieder undankbar wird. Weil auch wenn ich mir jahrelang eingeredet habe, du musst die Melancholie annehmen, das gehört nun einmal zu dir wie der grässliche Wind zu Ostberlin – in Wirklichkeit hat mich die Melancholie ganz oft gehandicappt im Leben. Vor allem im alltäglichen Leben.

Ich mein, du gehst in den Supermarkt und musst dringend einkaufen, weil daheim alles weg, und plötzlich stehst du vor dem Gewürzefachregal und siehst den Kümmel, von dem sie damals gesagt hat, den kaufen wir dir jetzt, weil du ja nicht immer nur mit Salz würzen kannst. Heute weiß ich, dass ich das sehr gut kann, aber das ist eine andere Geschichte. Na, auf jeden Fall stehst du vor dem Gewürzefachregal und starrst auf den Kümmel und musst fast heulen. Der Supermarkt schiebt seine Regale ganz dicht an dich heran und du fühlst dich furchtbar ertappt und bloßgestellt so in der Öffentlichkeit mit deiner Melancholie. Du rennst nach Hause, ohne die Sachen gekauft zu haben und es ist gleich Sonntag und nichts ist daheim. Und nur wegen der Melancholie. Das Kapitel Melancholie nach Alkoholgebrauch möchte ich eigentlich noch nicht einmal ansprechen. Was sich da oft für Szenen in Bars und Diskotheken abgespielt haben. Wie oft mir da die Melancholie schon einen Strich durch den Wochenendfick gemacht hat, ach, ich will’s gar nicht wissen.

Ja und heute ist sie weg, die Melancholie. Jetzt sind aber in der Zwischenzeit in meinem Leben durchaus schlimmere Sachen passiert als so ein Herzherausriss von so einem Unmädchen. Und es ist nicht so, dass ich mich nicht geärgert hätte oder auch ein bisschen globalverzweifelt. Aber von Melancholie war da keine Spur. Nichts hab ich erhofft und nichts bedauert. Es war halt wie’s war und jetzt ist es wie’s ist. Jetzt hör ich euch sagen: Ach, entweder der lügt uns an oder der ist eine ganz arme Sau, wenn der gar nicht mehr melancholisch sein kann. Und ich gebe es zu: ein bisschen merkwürdig ist das schon heute immer noch, einfach so in der Früh aus dem Fenster schauen und einfach nur den Verkehr sehen. Oder die Müllabfuhr. Aber man gewöhnt sich ja an alles.

*Diese Geschichte stammt aus der Reihe KURZSCHLUSS, einer Initiative von dragstripgirl.de. Weitere Beiträge zum Thema „vergessen/vergessen werden“ findet man bei

To01
Kleinodyssee
Bisaz
Bastmaat

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