Dunkle Heimat: Hinterkaifeck

Maria Lorenz, Nilz Bokelberg und ich haben unter der Schirmherrschaft von Antenne Bayern ein Jahr lang recherchiert, Leute interviewt, geschrieben und aufgenommen, bis wir diesen achtteiligen Podcast hier fertig hatten.

Er handelt von einem Mordfall, der sich vor 95 Jahren in der bayerischen Provinz, dem Donaumoos, in der Nähe von Schrobenhausen zugetragen hat und der nie aufgeklärt wurde. Wir sherlocken aber nicht nur in der Gegend herum, sondern untersuchen auch, was die teils lebenslange Verbindung unserer Experten mit dem Fall mit ihnen gemacht hat und was er über unsere heutige Gesellschaft aussagen kann.

Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg ist so brisant und symptomatisch für unser Land und seine zyklische Verrohung, dass hier mindestens ebenso viel Grusel wie in dem eigentlichen Sechsfachmord liegt.

Verrohen wollten wir selbst natürlich nicht vor lauter True Crime und Sensationsgier, ich hoffe das ist uns gelungen. Bevor’s losgeht nochmal vielen Dank an Maria, Nilz, Ruben, sowie Olaf Krämer, Jasemine Kaptur, Adelheid Kastner, Ansgar Reiß, Dr. Guido Golla, Sophie Mathisz, Maria Weibl, Jens Petermann, Franzi, Hans Fegert, Dieter Distl, Christoph Lemmer und alle Beteiligten! Ohne Euch würden wir nur dumm daherreden.

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Das falsche Tagebuch: 6. Oktober 2017

Selten so viele Defizite an mir festgestellt, wie im letzten Jahr. Oder noch schlimmer: gemerkt, die man immer noch in alten Defiziten verhaftet ist, von denen man dachte, man hätte sie abgelegt. Oder noch schlimmer: wie man wieder in alte Defizite zurückgefallen ist.

Gestern bei dem Sturm kam ich grade aus Blade Runner, auf den ich mich nicht so gut konzentrieren konnte, weil ich eine dysphorische Beziehungssituation per SMS klären wollte. Als ich an der S-Bahn stand und immer mehr Leute kamen und immer mehr Leute wieder gingen, überkam mich wieder dieses Gefühl, dass ich absolut nichts mehr unter Kontrolle habe. Ich reservierte schnell das einzige Drive-Now-Auto in der Gegend und rannte los. Draußen flogen Zweige an mir vorbei – ich war am Potsdamer Platz wohlgemerkt. Ich saß dumm in diesem Mietauto und vergaß, wie ich es starte. Das Gefühl, nichts mehr kontrollieren zu können, noch nicht einmal das dämliche Auto.

Meine Tochter ist schwer erkrankt und wird vielleicht in näherer Zukunft sterben, das hätte mich die Illusion von Kontrolle eigentlich aufgeben lassen können, aber es ist ja das Katastrophenmanagement, was dann übernimmt. Irgendwann startet das Auto, denn es liegt ja nur an meiner panischen Dummheit, dass es nicht fährt. Ich kreise ums Mall of Berlin, sehe wie Leuten beinahe davonfliegen und bin verwirrt und vulnerabel und sonstwas. Langsam erkenne ich den Weg zurück in meine Straße und stehe zwar im Sturmstau, weiß aber jetzt wieder, wo ich hin muss. Ein bisschen Kontrolle ist da wieder. Während ich fahre, denke ich darüber nach, wie defizitär ich bin. Eine Katastrophe wie die Krankheit bringt ja oft das Beste im Menschen hervor, sagt man. Man sagt auch, er lernt, den Moment zu schätzen. Meine Katastrophe bringt vor allem hervor, wie viel Angst ich habe, alles zu verlieren. Wie ungeduldig ich bin, wie wertend, wie rastlos, wie panisch, noch mehr Kontrolle zu verlieren.

Die Ehe hat’s zerbröselt im Jahr der Therapien und Bestrahlungen, ich wohne jetzt ein paar Häuser weiter weg von Daheim und die Kinder machen mir plötzlich Mühen, vorher waren sie oft der beste Zeitvertreib. Ich habe eine neue Freundin, die mir Dinge beigebracht hat, wie ich sie nicht mehr dachte, lernen zu können, aber ich bin zu nervös für Beziehungen, ich bin zu nervös für das ganze Leben. Meditieren hilft mir manchmal. Auch der Sturmstau ist eine Meditation. Als ich ankomme, fühle ich mich erleichtert, etwas unter Kontrolle gebracht zu haben.

Kurzkritik zu Blade Runner 2049

Konzentriert aber langatmig. Engagiert, aber übertrieben visuell. Angestrengtes Sounddesign. Zu viel visuelle Metaphern in einem Film, der ohnehin eine einzige Metapher ist. Zu wenig Harrison Ford, nie zu viel Ryan Gosling. Arg melodramatisch, doch nie wirklich berührend. Handlung durchaus nachvollziehbar und als formstrenges Sittengemälde letztlich sehenswert. An sich hätte ich aber kein Sequel gebraucht. Zumindest keins, das sich selbst so bierernst nimmt.

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Kurzkritik zu IT

Wunderbare Kids und Stimmung, wenn grade kein CGI-Clown herzhaft zubeißt. Dann schaltet der Film nämlich von Stand By Me sofort auf Horror-Klischee-Stand-By. Aber tatsächlich sehenswert wegen den Kids und der bezaubernden Badezimmerreinigungssequenz mit The Cure.

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Kurzkritik zu Baby Driver

Der Film hätte mir in den Neunzigern gefallen. Als wir alle noch mehr edgyness und Musik wollten. Von beidem hab ich genug dank mp3s und real life Scheiße. Also ist mein Interesse naturgemäß nicht hoch gewesen an Edgar Wrights neuem „Autorenfilm“. Man muss ihm lassen: gutes Tempo, super Rhythmus in der ersten Hälfte, nicht nur wegen der andauernden Musik. Originelle Audio-Prämisse, die leider nicht ganz über den ganzen Film herhält und mit diversen Flashbacks und einem tauben Mitbewohner am Leben gehalten werden muss, aber stören tut das nicht arg. Wenn das Geballer losgeht, werd ich aber schnell taub für die Emotionen und Figuren und der Film generisch, da kann John Hamms Undercut ihm noch so manisch in die Stirn fallen. Für einen Actionfilm dennoch ein guter Wurf, mal ganz ohne expanded universe und Sequel-Androhungen.

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Kurzkritiken zu Spider-Man: Homecoming und John Wick 2

SPIDER-MAN: HOMECOMING
Endlich mal wieder einen Film in deutscher Synchro gesehen (wegen Junior-Anwesenheit) und sehr positiv überrascht. Auch sonst wirklich sehr netter Nachmittag mit einem ganz fidelen Tom Holland, der gute Witze reißt. Was für mich als Kind ja immer die Essenz von Spidey war, was ihn mir sympathischer als die meisten Helden gemach hat. Spidey ist ein Comedian mit selbst-kasteiendem Humor, ein bisschen zu viel Demut auf der einen und auf der anderen zu viel jugendlicher Selbstüberschätzung. Expanded Universe, Blaupausen-Villains geschenkt, das nimmt man einfach nur noch mit heutzutage.

JOHN WICK 2
Die Kategorie leichtsinniger aber schwerst brutaler Actionfilm ist irgendwie nichts mehr für mich, bin ich zu alt und schreckhaft für. Der Stand-alone-Charakter des ersten Teils und die Tatsache, dass der Plot sich nur um einen toten Hund drehte, fand ich charmant. Jetzt erfahren wir mehr und damit viel zu viel über das expanded Killerversum, den Kodex, die Player und schon wird der Plot verfahren und der Film nur noch halb so interessant. Deshalb hab ich ihn auch nur zu Hälfte gesehen. War mir zu viel Wickipedia.

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Kurzkritik zu Wonder Woman

Ich hab gelesen, man müsse den Film mit Disney-Brille sehen, ihm seine Stereotypen verzeihen, das Leichtfüßige bemerken und den Umstand würdigen, dass eine Frau hier alles in Grund und Boden prügelt. Letzteres halte ich für selbstverständlich und behaupte sogar: für einen Film mit weiblicher Regisseurin, geht’s mir hier viel zu viel um den fröhlich swashbucklenden Alpha-Mann Chris Pine, der sich immer mit ein bisschen zu tiefhängendem Comic Relief aus der „Affäre“ ziehen darf. Ansonsten konnte ich den Film nicht wie „Die Eiskönigin“ schauen, denn dafür war er nicht lustig genug und hat sich auch selbst VIEL zu ernst genommen (ein Ewen Bremner ist halt kein Olaf). Man achte nur mal auf den wagneresken Soundtrack. Von der wirklich hanebüchenen WKI-Handlung aber mal ganz abgesehen. Wer weiß, wie viele Amerikaner jetzt denken, Ludendorff wäre Hitler 1.0 gewesen und die Deutschen schon vor 1933 Nazis (which is an entirely different discussion). Gal Gadot macht das gut, wirkt recht natürlich, wenn auch nicht immer so, als kontrolliere sie schauspielerisch alles, was sie da tut. Bock auf mehr Wonder Woman hab ich grade nicht. Was mich the most fuchsig an dem Film gemacht hat: Völlige Unentschlossenheit was Akzente und Sprachen betrifft. Beispiel: man unterhält sich als englischsprachiger Spion, der sich als Deutscher ausgibt, mit einem Deutschen auf Englisch mit fakem deutschen Akzent, spricht aber andererseits in einem mutmaßlich belgischem Dorf dann deutsch.

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Das falsche Tagebuch: 14. Juni 2017

Ich brauch Power für mein Akku.

Denn das ist ein Hochverbrauchsritt zwischen Begeisterung, Ratlosigkeit und Verzweiflung. Ein performierendes Leben im besten und ein perforiertes im schlechtesten Sinne. Es liegt ja alles so nah beinander – Tod, Sex, Aufbruch, Abbruch, Scheißhaus, Waschbecken. Mir gings wirklich selten besser und selten schlechter und ich kann nicht ewig so leben – mein Rücken begs to differ – aber eine kleine Zeit lang will ich es, muss ich es. Weil Gespräche und einzelne Vokabeln, die lexikalischen Einheiten wieder so viel bedeuten. Es ist das Zeitalter der Semantik. Weil die Zeit auch wieder wichtig ist, weil mich interessiert, wie lang die Schatten werden und der Blick auf der Uhr wie der Blick aufs Meer ist. Es sieht unendlich aus, aber nur weil man nicht weit genug sieht.

Als ich damals an der Uni Dickens‘ „Große Erwartungen“ gelesen habe, wollte ich auch zumindest einen Umriss für meine kommende glanzvolle, von mir aus auch tragikomische, Vita erahnen können. Immer ich – und immer ich vorne dran in der Aufzählung des Casts meines eigenen Lebens. Selbstdarstellung bis es weh tut, bis verdammt-noch-mal Resultate kommen. Ich hab mir das einigermaßen abgewöhnt, dachte ich. Durch Familie und so. Die Wahrheit ist aber, dass ich selbst die Familie andauernd in einen Kontext bringe, der etwas über mich aussagt. Das gibt mir Power für mein Akku, das macht mich sogar zu einem guten Familienmensch, weil ich dann gerne Familienmensch bin, aber es macht mich auch blind und rücksichtslos für andere Menschen, die ihre eigenen „Großen Erwartungen“ haben.

Dickens, Kafka, Bernhard, Zweig, Updike, Chomsky, Bronte und Easton Ellis hab ich während meiner Zeit an der Uni gelesen. Alles Geschichtenerzähler großer Desillusionierung, right? Trotzdem will man nicht wahrhaben, dass man auf dem Holzweg zur Komplettierung gehörig entgleisen wird und wahrscheinlich sogar muss. Ich will nicht sagen, ich hab das jetzt hinter mir, denn es wird noch ganz oft was rasend daneben gehen, aber ich weiß jetzt ein bisschen, wie es sich anfühlt, zu verlieren. Genauso brutal wie ich dachte, aber – hey – es ruft Aufwachmechanismen ab, die man nicht für möglich gehalten hätte.

Ich kann Erdbeeren am Kanal essen und oder in der Kantine vom Krankenhaus sitzen, ich kann singen und gleich danach bluten und schwitzen wie ein Vieh. Ich kann wieder panisch beten und ich kann mehr denn je auf meine innere Ruhe vertrauen, ich kann alles und ich kann absolut überhaupt nichts. Ich kann Grandioses schreiben und im nächsten Moment alles mit Entsetzen tiefrotstiftig wegkorrigieren wie ein Deutschlehrer den Aufsatz eines nachhilfebedürftigen Schülers. Es ist wirklich alles drin und alles draußen. Es gibt für alles einen Zugang, doch an die wenigsten Dinge kommt man in einem Leben heran. Vielleicht übernehm ich mich, vielleicht überheb ich mich – so oder so: ich brauch Power für mein Akku.

Kurzkritik zu Alien: Covenant

Lieblos geschriebene und übertrieben professionell gefilmte nihilistische Alien-Kacke mit ätzenden Plot-Twists, die vorhersehbarer sind als jede ALF-Folge. Prometheus war eigentlich ein guter Einstieg, aber dank Covenant hab ich gänzlich das Interesse an der Origins-Story verloren. Fassbenders penetrant sinsistres Elitisten-Gehabe ist die reinste Reissbrett-Schurkerie und die Crew schenkt sich nichts mit der langen Ahnenreihe aus saublöd handelnden Astronauten im Umgang mit fremden Kulturen. Ah, ein schleimiges Alien-Ei, da möchte ich mal hineingucken. Hmmm, was liegt da auf dem Boden, das fass ich doch am besten mal an. Wie froh bin ich jetzt doch, dass Ridley Scott sich beim Blade Runner-Sequel aufs Produzieren beschränkt und Denis Villeneuve den Vortritt lässt.

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