Kurzkritik zu Baby Driver

Der Film hätte mir in den Neunzigern gefallen. Als wir alle noch mehr edgyness und Musik wollten. Von beidem hab ich genug dank mp3s und real life Scheiße. Also ist mein Interesse naturgemäß nicht hoch gewesen an Edgar Wrights neuem „Autorenfilm“. Man muss ihm lassen: gutes Tempo, super Rhythmus in der ersten Hälfte, nicht nur wegen der andauernden Musik. Originelle Audio-Prämisse, die leider nicht ganz über den ganzen Film herhält und mit diversen Flashbacks und einem tauben Mitbewohner am Leben gehalten werden muss, aber stören tut das nicht arg. Wenn das Geballer losgeht, werd ich aber schnell taub für die Emotionen und Figuren und der Film generisch, da kann John Hamms Undercut ihm noch so manisch in die Stirn fallen. Für einen Actionfilm dennoch ein guter Wurf, mal ganz ohne expanded universe und Sequel-Androhungen.

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Kurzkritiken zu Spider-Man: Homecoming und John Wick 2

SPIDER-MAN: HOMECOMING
Endlich mal wieder einen Film in deutscher Synchro gesehen (wegen Junior-Anwesenheit) und sehr positiv überrascht. Auch sonst wirklich sehr netter Nachmittag mit einem ganz fidelen Tom Holland, der gute Witze reißt. Was für mich als Kind ja immer die Essenz von Spidey war, was ihn mir sympathischer als die meisten Helden gemach hat. Spidey ist ein Comedian mit selbst-kasteiendem Humor, ein bisschen zu viel Demut auf der einen und auf der anderen zu viel jugendlicher Selbstüberschätzung. Expanded Universe, Blaupausen-Villains geschenkt, das nimmt man einfach nur noch mit heutzutage.

JOHN WICK 2
Die Kategorie leichtsinniger aber schwerst brutaler Actionfilm ist irgendwie nichts mehr für mich, bin ich zu alt und schreckhaft für. Der Stand-alone-Charakter des ersten Teils und die Tatsache, dass der Plot sich nur um einen toten Hund drehte, fand ich charmant. Jetzt erfahren wir mehr und damit viel zu viel über das expanded Killerversum, den Kodex, die Player und schon wird der Plot verfahren und der Film nur noch halb so interessant. Deshalb hab ich ihn auch nur zu Hälfte gesehen. War mir zu viel Wickipedia.

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Kurzkritik zu Wonder Woman

Ich hab gelesen, man müsse den Film mit Disney-Brille sehen, ihm seine Stereotypen verzeihen, das Leichtfüßige bemerken und den Umstand würdigen, dass eine Frau hier alles in Grund und Boden prügelt. Letzteres halte ich für selbstverständlich und behaupte sogar: für einen Film mit weiblicher Regisseurin, geht’s mir hier viel zu viel um den fröhlich swashbucklenden Alpha-Mann Chris Pine, der sich immer mit ein bisschen zu tiefhängendem Comic Relief aus der „Affäre“ ziehen darf. Ansonsten konnte ich den Film nicht wie „Die Eiskönigin“ schauen, denn dafür war er nicht lustig genug und hat sich auch selbst VIEL zu ernst genommen (ein Ewen Bremner ist halt kein Olaf). Man achte nur mal auf den wagneresken Soundtrack. Von der wirklich hanebüchenen WKI-Handlung aber mal ganz abgesehen. Wer weiß, wie viele Amerikaner jetzt denken, Ludendorff wäre Hitler 1.0 gewesen und die Deutschen schon vor 1933 Nazis (which is an entirely different discussion). Gal Gadot macht das gut, wirkt recht natürlich, wenn auch nicht immer so, als kontrolliere sie schauspielerisch alles, was sie da tut. Bock auf mehr Wonder Woman hab ich grade nicht. Was mich the most fuchsig an dem Film gemacht hat: Völlige Unentschlossenheit was Akzente und Sprachen betrifft. Beispiel: man unterhält sich als englischsprachiger Spion, der sich als Deutscher ausgibt, mit einem Deutschen auf Englisch mit fakem deutschen Akzent, spricht aber andererseits in einem mutmaßlich belgischem Dorf dann deutsch.

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Das falsche Tagebuch: 14. Juni 2017

Ich brauch Power für mein Akku.

Denn das ist ein Hochverbrauchsritt zwischen Begeisterung, Ratlosigkeit und Verzweiflung. Ein performierendes Leben im besten und ein perforiertes im schlechtesten Sinne. Es liegt ja alles so nah beinander – Tod, Sex, Aufbruch, Abbruch, Scheißhaus, Waschbecken. Mir gings wirklich selten besser und selten schlechter und ich kann nicht ewig so leben – mein Rücken begs to differ – aber eine kleine Zeit lang will ich es, muss ich es. Weil Gespräche und einzelne Vokabeln, die lexikalischen Einheiten wieder so viel bedeuten. Es ist das Zeitalter der Semantik. Weil die Zeit auch wieder wichtig ist, weil mich interessiert, wie lang die Schatten werden und der Blick auf der Uhr wie der Blick aufs Meer ist. Es sieht unendlich aus, aber nur weil man nicht weit genug sieht.

Als ich damals an der Uni Dickens‘ „Große Erwartungen“ gelesen habe, wollte ich auch zumindest einen Umriss für meine kommende glanzvolle, von mir aus auch tragikomische, Vita erahnen können. Immer ich – und immer ich vorne dran in der Aufzählung des Casts meines eigenen Lebens. Selbstdarstellung bis es weh tut, bis verdammt-noch-mal Resultate kommen. Ich hab mir das einigermaßen abgewöhnt, dachte ich. Durch Familie und so. Die Wahrheit ist aber, dass ich selbst die Familie andauernd in einen Kontext bringe, der etwas über mich aussagt. Das gibt mir Power für mein Akku, das macht mich sogar zu einem guten Familienmensch, weil ich dann gerne Familienmensch bin, aber es macht mich auch blind und rücksichtslos für andere Menschen, die ihre eigenen „Großen Erwartungen“ haben.

Dickens, Kafka, Bernhard, Zweig, Updike, Chomsky, Bronte und Easton Ellis hab ich während meiner Zeit an der Uni gelesen. Alles Geschichtenerzähler großer Desillusionierung, right? Trotzdem will man nicht wahrhaben, dass man auf dem Holzweg zur Komplettierung gehörig entgleisen wird und wahrscheinlich sogar muss. Ich will nicht sagen, ich hab das jetzt hinter mir, denn es wird noch ganz oft was rasend daneben gehen, aber ich weiß jetzt ein bisschen, wie es sich anfühlt, zu verlieren. Genauso brutal wie ich dachte, aber – hey – es ruft Aufwachmechanismen ab, die man nicht für möglich gehalten hätte.

Ich kann Erdbeeren am Kanal essen und oder in der Kantine vom Krankenhaus sitzen, ich kann singen und gleich danach bluten und schwitzen wie ein Vieh. Ich kann wieder panisch beten und ich kann mehr denn je auf meine innere Ruhe vertrauen, ich kann alles und ich kann absolut überhaupt nichts. Ich kann Grandioses schreiben und im nächsten Moment alles mit Entsetzen tiefrotstiftig wegkorrigieren wie ein Deutschlehrer den Aufsatz eines nachhilfebedürftigen Schülers. Es ist wirklich alles drin und alles draußen. Es gibt für alles einen Zugang, doch an die wenigsten Dinge kommt man in einem Leben heran. Vielleicht übernehm ich mich, vielleicht überheb ich mich – so oder so: ich brauch Power für mein Akku.

Kurzkritik zu Alien: Covenant

Lieblos geschriebene und übertrieben professionell gefilmte nihilistische Alien-Kacke mit ätzenden Plot-Twists, die vorhersehbarer sind als jede ALF-Folge. Prometheus war eigentlich ein guter Einstieg, aber dank Covenant hab ich gänzlich das Interesse an der Origins-Story verloren. Fassbenders penetrant sinsistres Elitisten-Gehabe ist die reinste Reissbrett-Schurkerie und die Crew schenkt sich nichts mit der langen Ahnenreihe aus saublöd handelnden Astronauten im Umgang mit fremden Kulturen. Ah, ein schleimiges Alien-Ei, da möchte ich mal hineingucken. Hmmm, was liegt da auf dem Boden, das fass ich doch am besten mal an. Wie froh bin ich jetzt doch, dass Ridley Scott sich beim Blade Runner-Sequel aufs Produzieren beschränkt und Denis Villeneuve den Vortritt lässt.

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Kurzkritik zu Get Out

Weißen reichen Arschgeigen kann dieser Tage nicht genug eingeschenkt werden – hoffe, das ist auch im echten Leben das Endgame.

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Kurzkritik zu Guardians of the Galaxy Vol. 2

Ich hab viel gelacht und am Ende trotz oder wegen der schönen Kitschtrauer eine Träne zerdrückt. Manchmal war mir die Handlung arg egal, könnte ich sagen, aber das wäre auch gelogen, denn die Figuren waren ja die Handlung, der Humor war die Handlung. So schreibe ich ja selbst oft, und ich behaupte, das muss man erst einmal können. Der Film war gespickt mit Zwischenmenschlichkeiten und kleinen Besonderheiten und nur weil der Film meint, damit einen auf Vol.1 draufsetzen zu müssen, ist das noch lange nichts verwerfliches. Noch geht alles noch einmal – mit ein paar mehr Explosionen und einem herzrausreissenden Baby Groot. Ich fand das alles sehr schön und lustig, nur über die Hasselhoff- und Stallone-Cameos kann man ein Ei drüber schlagen.

PS: Dave Bautista ist ein Timing-Gott, ob im Ring oder im Kino.

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Das falsche Tagebuch: 24. April 2017

Bin kurz los, hab meinen Geldbeutel bei Steinecke geholt. Hatte ihn heute morgen dort vor dem Laden liegenlassen. Frau hinter der Theke sagt, ich habe Glück, dass ihn ein Kunde in den Laden gebracht hat. Göbe nicht mehr viel so ehrliche Leute, sagt sie. Glaube ich nicht, denke ich. Ich habe mein Portemonnaie schon an die sechsmal verloren und noch nie hat jemand auch nur einen Cent rausgenommen. Vielleicht sieht man aber auch den Schwerbehindertenausweis darin und bekommt ein schlechtes Gewissen. Es ist nicht meiner, falls das jemand fürchtet. Wär mir fast lieber er wärs.

Auf dem Weg zurück zum Büro ist wieder dieses Ding passiert, wo ich alles so genau wahrnehme. Jeden Schritt. Jede Rille meines Turnschuhs, wie sie den fuckin‘ Asphalt berührt, einzelne Haare an den Ohren, die der Wind streift. Das geht oft einher mit einer Art angenehmem Stromschlag, den meine Finger in den Brustkorb weiterleiten, bis es kribbelt, am Hals, über den Kiefer bis fast hoch unter die Wangenknochen. Das wird manchmal durch Musik getriggert, aber seit letztem Jahr kann ich diese „Zeitlupen-Funktion“ immer öfter nach Wunsch einschalten. Manchmal denke ich, umgekehrt fühlt sich der Rote Blitz, wenn er durch die Gegend rennt und alles steht still, einfach nur, weil er so schnell ist. Ich hingegen bin plötzlich zu langsam, aber das fühlt sich mindestens genau so metahuman an.

Wenn ich dann vor der Bürotür stehe und ganz genau spür, förmlich sehe, wie der Bart vom Schlüssel sich im Innern des Türschlosses einfügt, sich die einzelnen Metallteile ineinander verzahnen, dann halte ich mich nicht für achtsam oder „aware“, sondern einfach nur für ein wenig überdreht und deshalb besonders langsam und bedacht auf diese Langsamkeit. Dass mir das Gefühl gefällt und ich mich währenddessen über nichts anderes im Leben aufregen muss, kann man mir ja nicht verübeln.

Jetzt sitze ich da und esse eine Schokolade mit Macadamia-Nüssen, hör Tom Petty und schmeck das erste Mal seit der Erkältung letzte Woche wieder was in vollem Ausmaß. Kein Fazit. Wozu auch.

Die 25 besten klassischen Western

Dieser Beitrag geistert als Entwurf schon über zwei Jahre in meinem WordPress herum, und irgendwie hab ich ihn nicht veröffentlicht, weil sich meine Meinung zum Ranking ständig verändert. Zumindest hatte ich die Liste schon mal in einem arg Mezcal-geschwängerten 120-Minuten-Vortrag bei tschk!Talks gepreviewt. Jetzt hab ich eingesehen, dass es besser ist, ich veröffentliche den ursprünglichen Artikel mit den ursprünglichen Platzierungen, als weiter mit mir und meiner Vergangenheit zu hadern wie mein großer Freund Shane (see what I did there). Also direkt hinein in mein Vorwort von 2015.

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Seit Juli 2014 habe ich zirka 50 klassische (also keine Avantgarde, kein Eastern, kein Underground) und hochgelobte Western gesehen und versucht, sie in eine Reihenfolge zu bringen. Habe Schemata erkannt, die mir noch nicht bewusst waren, habe die Alten wie Ford und Hawkes schätzen gelernt, bin auf meine alten Tage zum John Wayne-Fan geworden und werde eines Tages selbst einen Western drehen oder schreiben. Die Grundlage meiner Recherchen und Filmvorführungen war eine Liste von IGN’s besten Western, auf die ich zufällig gestoßen bin, weil ich etwas zu Peckinpah recherchiert habe. Besagte Liste ist immer noch eine der besten, die ich online gefunden habe, und man glaube mir, ich habe eine Menge Western-Bestenlisten gefunden. Angefangen habe ich dann eben im Juli im Dachgeschoss meiner Eltern. Es hatte nachts noch über dreissig Grad, ich konnte nicht schlafen, weil es so heiß war, und mein damals vierjähriger Sohn nicht, weil ihn die Mücken auffraßen. Wir waren beide irgendwie außer uns. Er hörte die ganze Nacht Hörspiele, ich schaute Filme auf dem Laptop. Und zu dieser Hitze passte nur ein Genre, wie ich fand, und so schwitzte ich mich zunächst mit „The Wild Bunch“ und „The Man Who Shot Liberty Valance“ in den Schlaf. Als ich wieder in Berlin war, fing ich an, mir jeden Film, den ich sehen wollte, auf DVD oder Blu Ray zu kaufen, auch die Western, die ich bereits kannte, und sie nach meinem Gusto zu ordnen und ranken. Bis heute steht hier ein ganzes Regal voller grandioser Westernfilme, und in meinem Kopf gibt es diese Erinnerung an einen dreckig heißen Sommer mit einem Westernmarathon, die mir keiner mehr nehmen kann. Es war wie ein Urlaub, ein wirklich langer Urlaub im alten Westen. Let’s saddle the horses.