Kurzkritik zu How To Train Your Dragon 2 (Drachenzähmen leicht gemacht 2)

Ich gestehe: Ich bin ein schlechter Vater und ein Gesetzesbrecher. Ich habe meinen vierjährigen Sohn zum Geburtstag in einen Film ab sechs verschleppt. Zu meiner Verteidigung: Alternative wäre der lieblos wuslige Pseudolustig-an-alle-Lebensalter-angepasste „Planes“ gewesen und da hatte der erste Teil schon keinen Vierteltakt lang so etwas wie Rhythmusgefühl bewiesen. HTTYD2 war eine Sinfonie dagegen. Außerdem stand im Foyer eine „lebensgroße“ Skulptur vom Drachen Ohnezahn an dessen elastischen Flügeln man (unendlich lange) wackeln konnte. Fazit gleich vorweg: mindestens so gut wie Teil 1, vielleicht sogar besser.

Rührseligkeiten gehören natürlich in Zeichentrickfilme wie Huren in Western, aber sie fügen sich oft nicht organisch (sprich: herzlich) in die Handlung ein, überreizen sich, oder wirken „geschauspielert“. Im vorliegenden Drachenfilm wird das familiäre Verhältnis der Hauptfiguren in kürzester Zeit vollständig und unaufdringlich definiert und innerhalb dieser Parameter fließen dann selbst die rührseligsten Szenen wie von selbst den Handlungshang hinunter. Und selbst die Nebenfiguren nützen ihre wenigen Zeilen absolut charaktergetreu und sind keine reinen Pointenhäscher. Sowas ist heute sehr selten geworden, vor allem in der deutschen Synchro, wo es oft vor scheinbar juvenilen Kraftwörtern (ich bin 40 geworden, ich darf jetzt Jugendsprache anprangern) wie „oberkrass“ (das „affengeil“ dieser Zeit) nur so wimmelt. Insgesamt war der Film in seiner Philosophie eh sehr erwachsen, aber in seiner Fantasiesprudelei und seinem drakonisch konsequenten Erfindungsgeist sehr bunt und kindgerecht.

Und auch wenn ich mich wiederhole: ein Rhythmus (und damit v.a. der Schnitt) macht einen guten Kinderfilm, dem dann eben auch vierjährige Abkömmlinge von niederbayerischen FSK-Outlaws besser folgen können als diesen verquasselten daueraugenzwinkernden (you know, Zeitgeist) Pixar-Mobilisten-Filmen für Stopsel die alles cool finden, was Augen hat, egal ob Flugzeuge, Traktoren, Autos oder Gurkenhobel. Ach ja, die Grafik vom Drachenfilm war übrigens oberaffengeil.

drachenzaehmen

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Kurzkritik zu Guardians Of The Galaxy

Der Film macht eigentlich dasselbe falsch wie die meisten Marvel-Filme. Er unterbesetzt seinen Erzbösewicht, er fokussiert sich auf einen albernen, alles bestimmenden MacGuffin (die Infinity-Steine) und sein Plot ist überraschungsärmer als ein Michael-Bay-Film. ABER – und das macht ihn zum bisher besten Marvel-Film – er hat Soul. Und wie. Das liegt nicht nur an den unpeinlichen Ohrwürmern des Soundtracks und den Tanzszenen (man könnte auch sagen, das ist der erste Sci-Fi-Tanzfilm, wenn man den Ewoks-Film nicht mitrechnet), sondern vor allem an dem warmen Humor, der niemals zynisch, hässlich, pennälerhaft oder anbiedernd anal ist. Er ensteht aus purer Liebe zu den Figuren und dem Umstand, dass die Protagonisten sauschräge Vögel sind, die im Grunde über lange Strecken an sich selbst scheitern. Der Film ist eine Komödie – keine Frage – und trotzdem nimmt er sich selbst ernster als alle anderen Marvel-Filme bisher, weil er seine Figuren ernst nimmt. Ein sprechender Waschbär und sein bester Freund der Baum (saving the entire grace of speaking trees in movies, ich schau euch an, Ents) sind menschlicher als das komplette Ensemble im letzten Thor-Film. Und seine Message ist in harschen Zeiten wie diesen die wichtigste der Welt: Löst eure Konflikte mit Dance-Offs statt mit Waffen.

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Kurzkritik zu Dawn Of The Planet Of The Apes, Noah, Oculus

DAWN OF THE PLANET OF THE APES
Soweit ist es schon gekommen. Beim kleinsten Anzeichen von Dystopie fürchte ich um Leib und Leben meiner Familie. Ernsthaft jetzt. Sofort geistig bei Ebola und zwar den ganzen Film lang. Wenn man jung ist (also unter 39), hat man nichts zu verlieren außer seine Katze, die Großeltern, die Ehre und etliche Beziehungsversuche. Da hat der Tod beinahe nicht selten etwas Kurioses, Interessantes, wie er einem permanent gedanklich auf den Fersen ist. Man schaut Splatterfilme und hört Black Metal, man schreibt Elegien und schwelgt in Agonie. Fünf Jahre später traut man sich keine Zigarette mehr anfassen, sieht den Straßenverkehr als größte Bedrohung für die Menschheit an und erwartet jeden Tag den dritten Weltkrieg oder wenigstens dass der Russe kommt. Jetzt wo ich das los geworden bin: Dieser Film ist ein pathetisches, vorhersehbares Rührstück, das man aufgrund des hohen moralischen Anspruchs und der sehr guten Rhythmik eigentlich kaum verreissen kann. Oder? Mir ätzt aber doch viel Moralin ins Action-Getriebe und die Baukasten-Dialoge sind mir eigentlich auch zu – Verzeihung! – affig. Vielleicht sagt das ja am meisten über den Film: Dass ich ihn nicht mochte, obwohl ich ihm die Story, die Andy-Serkis-Show und das Weltenende abgekauft habe. Ich bin quasi unangenehm gerührt.

NOAH
Passiert mir nur selten, dass ich mich nach einem Film frage, was das Genre gewesen ist. Er fängt an wie Herr der Ringe für Bibeltreue, was ja auch passt, denn anders als Fantasy kann man das Thema religiösen Mythos eh nicht behandeln (außer man ist Mel Gibson). Der Film ist gespickt mit CGI, die Andy Serkis die Tränen in die Augen treiben würde, darunter schwülstigere Sonnenuntergänge als in „Sturm der Liebe“ (ARD) und einer Umeltschutz-Botschaft, die Russell Crowe mit einer übertriebenen Gravitas herüberbringt als wäre er der Erzengel Al Gore. Dann wird der Film vollkommen unerwartet spannend (und das bei einer Geschichte deren Ausgang man kennt) und in seinen zwischenmenschlichen Verflechtungen interessant. Danach wird er zappenduster. Menschlich gesehen. Und bleibt fatalistisch bis zum Schluss, auch der Schluss kann das Kaputte nicht mehr kaputt machen. Ich muss also konstatieren: die erste Hälfte größter Bullshit des Jahres, die zweite aufregend.

OCULUS
Spiegelhorror ist immer Horror. Ich find Spiegel wirklich gruselig und damit meine ich nicht meinen 39-jährigen Anblick jeden Morgen. Aber weil Oculus es ganz besonders gut und haunted machen will, installiert er zwei Zeitebenen, die sich immer mehr vermengen und am Ende kaum mehr von einander zu unterscheiden sind. Das ist technisch elegant gelöst, inhaltlich aber völlig von der Rolle, es ist praktisch unmöglich sich auf die Handlung einzulassen, weil ständig in der Zeit herumgesprungen wird, als hätte der Fluxkompensator Hämorriden. Den ach so schockierenden Schluss bekommt man allerdings schon in der ersten Viertelstunde des Films zugefaxt, wenn man sich nicht nebenbei im iPhone die Haare schön macht. Zusammenhalten tut das scherbige Spiegelkabinett die tolle (und gelegentlich leicht übermotivierte) Karen Gillan.

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Kurzkritiken zu Snowpiercer und The Raid II

SNOWPIERCER
Es kann kein Sci-Fi-Setting geben, das mir zu hanebüchen ist, wenn es nur cool genug mit der richtigen Arschbacke heruntergeritten wird. Und auch wenn Snowpiercer ein Stück Gehacktes aus verschiedensten Genres ist, bedient er doch in der Hauptsache die zwei menschlichsten aller menschlichen Fragen aufs vortrefflichste: Wer fährt den Zug und was kommt eigentlich am Schluss?

THE RAID II
Ballettgeknüppel der unbarmherzigen Knochenbrecherschule, (H)Arthaus quasi, allerdings mit einem ins fadenscheinig Komplexe aufgeblasenen Plot, dass sich Jakarta-Fuchs und Sumatra-Hase gute Nacht sagen. Mir ist das tatsächlich auf Dauer zuviel Fraktur von Knochen und Handlung.

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Kurzkritiken zu X-Men: Days Of Future Past, The Lego Movie, Robocop, Enemy, Afflicted

X-MEN: DAYS OF FUTURE PAST
Hinten raus aufgebläht, doch das Herz am rechten Fleck. Sensationelle Spaßduelle mit den organischen Sentinels. Leider hat man sich entgegen der Ankündigungen nicht der gröbsten Plotlöcher angenommen, die durch die Arschbomben X-Men: The Last Stand und X-Men Origins: Wolverine entstanden waren.

THE LEGO MOVIE
Völlig hysterische Legodauerwerbesendung, die in kurzen Dosen sehr viel Spaß macht, aber am Stück so dermaßen herumvibriert, dass man sich alle Haare dabei ausreißen möchte.

ROBOCOP
Gar nicht mal so far out und farce-artig wie das Orignal zwangsweise noch sein musste bei so einem Filmtitel. Die Familiengeschichte ist zur Abwechslung sogar sehr anrührig, dafür gibt der Verschwörungsplot so gar nichts her und insofern steht bei den mediokren Action-Sequenzen auch nichts auf dem Spiel. Insgesamt aber kein Fall für die Gerhard-Hauptmann-Schule.

ENEMY
Puh, arg überstrapaziert metaphorischer und anbiedernd art(house)iger „Erotikthriller“. Ach was, vergiss die Anführungszeichen, der Film kennt ja auch keine Selbstironiegnade.

AFFLICTED
Warum ich Found Footage per se nicht super finden kann: Logik. Wer filmt schon alles? Suspension of Disbelief also unmöglich. Davon abgesehen, ein mittelfrischer Versuch an zwei ausgelutschten Genres (das andere wird nicht gespoilert), und im Resultat noch gar nicht mal so blutleer.

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Kurzkritik zu Godzilla

Brutal, wie schlecht dieser Film war. Kein Rhythmus, kein Drehbuch, keine Mystik, dafür ein furchtbar unansehnlicher Hauptdarsteller in Aaron Taylor-Johnson, der die Phrase vom hölzernen Schauspiel auf eine neue Definitionsebene erhebt, ein viel zu lauter nie endenden wollender Schmalzischmalz-Soundtrack und ein paar ganz besonders witzige Einfälle, z.B. dass Godzilla und Kollegen jetzt nicht mehr aus der Radioaktivität stammen, sondern sich von ihr ernähren. Was ham wir gelacht. Den Hauptdarstellern (inkl. einem auch Frisurmäßig völlig derangierten Bryan Cranston) tut der Film schon beim Spielen sichtbar leid und der so vielversprechende Monsters-Regisseur Gareth Edwards hat sich seinen guten Ruf bei mir innerhalb von 2,5 Stunden (gefühlt: 4) in Schutte und Asche gelegt.

Nachtrag: Das Drehbuch ist von einem gewissen Max Borenstein. Nomen est…, ach ihr wisst schon.

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Kurzkritik zu The Amazing Spider-Man 2

Bis zum letzten Drittel löst der Film die beinahe unlösbare Aufgabe einen Spider-Man für alle Altersklassen ins Kino zu bringen, die Mythologie ohne Reibungsverluste in die Jetztzeit zu hieven, das Spideyversum unaufdringlich breiter und verwobener zu gestalten und somit die Sequels vorzubereiten, eine glaubhafte Liebesgeschichte unterzujubeln, einen glaubwürdig starken Antagonisten für den Endkampf aufzupeppeln, ein Action-Gewitter ohne Rücksicht auf Budgetverluste zu inszenieren und einen Spider-Man auf die Leinwand zu bringen, wie er den Comic gerecht wird (immer mit einem guten Spruch auf den Neoprenlippen).

Dann aber bricht das Kartenhaus völlig in sich zusammen, und das nicht nur, weil man sich viel zu viel vorgenommen und Zutaten für acht Filme in einen gestopft hat. Nein, es werden ein paar sehr fragwürdige Entscheidungen getroffen, was Aussehen (also Make-Up) und Fähigkeiten der Superschurken betrifft, ohne jetzt die Geschichte zu spoilern. Der Film endet zudem an der der falschen Stelle und einen Rhinozerus-Transformer sollte man dann doch wirklich besser Michael Bay überlassen. Schade um das verschossene Pulver, ich war beinahe hingerissen von dem Film, von Andrew Garfield und Emma Stone bin ich es allerdings immer noch.

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Kurzkritiken zu Her, Captain America 2, Hunger Games: Catching Fire, Nebraska, Taken, Sinister, Hai-Alarm am Müggelsee, Insidious 2, In Fear

HER
Fällt mir immer erst im Kino auf, dass ich kein Spike Jonze-Fan bin. Auch hier: viel Gerede, viel Gejammer, aber keine Philosophie (wenn man die mit dem Holzhammer nicht mitzählt). Scarlett Johansson ist das nervigste Betriebssystem der Welt und Joaquin Phoenix wirkt wie jemand, der auch 1984 schon mit seinem Telefon gesprochen hat (oder wie die eine Frau im Film sagt: „You’re a creepy dude“ oder so ähnlich).

CAPTAIN AMERCIA – THE WINTER SOLDIER
Zu pompös und viel zu marvlig für einen Agententhriller, aber man muss dem Film zugestehen, dass er nicht stur nach Genre-Rezeptur vorgeht. Chris Evans (der Kapitän) gewinnt enorm an Profil und Scarlett Johannsson ist auch nicht so anstrengend crazy sexy cool wie befürchtet – und als sichtbare Spionin deutlich unaufdringlicher denn als unsichtbares Betriebssystem, obwohl das Aufgabenfeld ja identisch ist.

HUNGER GAMES: CATCHING FIRE
Trifft den richtigen dystopischen Ton, wird aber auch irgendwann zu moll und slowburnish, selbst für meinen Weltverneinergeschmack. Wenn dann endlich die eigentlichen Hungerspiele anfangen, ist man eigentlich schon am ausgestreckten Story-Arm verhungert. Zwischen guten Schauspielern wie Jennifer Lawrence, Woody Harrelson und dem seligen Phil Seymour Hoffman, haben sich auch Leute wie Lenny Kravitz, Josh Hutcherson und Liam Hemsworth hineinverirrt.

NEBRASKA
Hat praktisch alle Zutaten zum Kritikerliebling: Schwarz-weiß, stammt von Alexander Payne, Bruce Dern und Will Forte (SNL) spielen mit, kauziger alter Mann auf Road Trip, Familienthematik, amerikanische Provinz. Ist leider langweilig statt lakonisch und für mich ein Rückschlag nach dem grandiosen „The Descendants“. Immerhin hab ich wieder mal Lust auf Lynchs „Straight Story“ bekommen.

SINISTER
Horrorfilm, der unerhört krampfhaft und stereotyp versucht, eine neue und ikonische Schlachtermythologie ins Franchise-Geschäft zu werfen, dabei aber beinahe aus Versehen eine dermaßen beklemmende Stimmung erzeugt, dass man ihn sich anschauen sollte.

TAKEN (96 Hours)
Wurde mir in letzter Zeit öfter empfohlen, hab ich also mal nachgeholt. Fazit: Rotz. Liam Neeson – mit schlecht gefärbten Haaren und der Frisur meines Fahrlehrers à 1991 – kann sich von mir aus durch ganz Paris foltern, so lange ich da nicht wenigstens eine milde Ironie oder zumindest ein paar gute Dialoge erkennen kann, ist das reaktionäre Grütze, die man schon allein aus Bürgerpflicht und Anstand ab der Hälfte ausmachen sollte. Deshalb kann ich auch nix übers Finale sagen.

HAI-ALARM AM MÜGGELSEE
Auch hier hab ich die Hälfte verpasst, allerdings unfreiwillig, weil AppleTV inmitten des Streams seine Preise erhöht hat und mein Rechner wie vom wilden Hai gebissen abgesoffen ist. Was ich gesehen habe, war so albern, dass ich nicht wusste, ob ich weinen oder lachen soll. Man stelle sich eine Mischung aus nackter Kanone, Atze-Schröder und Kurt Krömer vor, das aber völlig ohne Druck und bewunderswert beiläufig. Was er am besten macht: einen ganz eigenen, beinahe mediterran wirkenden Müggelkosmos zu entwerfen, bei dem man sich wünscht, es wäre dort wirklich so. Dann wiederum hab ich mir bisher noch nicht die zweite Hälfte angesehen.

INSIDIOUS: CHAPTER 2
Nicht so unvorhersehbar wie Kapitel 1 und ein bisschen wie „Wissen macht Ah!“ für Spukfilme, aber sobald in einem Film unerklärliche Phänomene nicht nur gezeigt, sondern auch von Fachleuten untersucht werden, bin ich dabei, weil Ghostbusters-Fan for Life. Ähnelt ein bisschen Wans zweiten Film vom letzten Jahr – The Conjuring, aber das ist ja um Himmels Willen nichts Schlechtes. „To few scares“, urteilte die Fachpresse und ich urteile: mir hamse gelangt, wo ich doch jedes Jahr schreckhafter werde.

IN FEAR
Nettes Horror-One-Trick-Pony übers Autofahren in der irischen Provinz, dem im letzten Drittel das Benzin ausgeht.

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Kurzkritik zu American Hustle, Monuments Men, Wolf Of Wall Street

AMERICAN HUSTLE
Mutig, einen charakterstudierenden Gangsterfilm so albern zu beginnen. Mit der Toupet-Szene deklassiert man Christian Bales Irving Rosenfeld gleich zu Anfang zur vollkommenen Witzfigur, aber er baut sich selbst innerhalb von nur zehn Minuten zum absoluten Leinwandgiganten wieder auf. Den Rest des Films ist er samt Comb-Over und Bierranzen die coolste Sau der 70er und hat mit Amy Adams eine unter Dauerclose-up-Beschuss stehende Edelschnake an seiner Seite (obwohl oder gerade weil sie mich an die junge Gisela Schneeberger erinnert), die sich noch dazu mit Jennifer Lawrence um ihn streitet. Die wiederum eine Abendessenszene hat, die alleine einen Oskar rechtfertigt und bei der ich mich gefragt habe, ob es eine natürlichere Inszenierung eines Restaurantbesuchs gibt als diese, und das in diesem zutiefst skurrilen Film. Die deutschen Filmemacher kriegen sowas nur hin, wenn (landestypisch) beim Abendessen geschwiegen wird. Aber vielleicht ist das ja der Grund, warum wir Deutschen keine guten Dialoge schreiben können, weil wir nicht viel und nicht gut reden. American Hustle ist auch dein Film, wenn du Bradley Cooper hasst, schließlich gibt er jede Minute Gelegenheit dazu, was man ihm in der Frequenz hoch anrechnen muss. Das und seine Miniaturkorkenzieherlocken. Hoch anrechnen muss man Louis CK nichts mehr, denn der Mann ist längst der weltbeste lakonische Darsteller. Wie er traurig, defensiv und unglaublich genervt unter einen Hut bringt, ist so vielschichtig wie stringent. Noch stringenter ist, dass er das tut, was genervte Filmcharaktere sonst nie machen – er geht einfach. Was bei David O. Russell bisher nie so ganz funktioniert hat, ist Story, Rhythmus und Figuren auf ein gleichhohes Niveau zu bringen und sie dort zu halten. Hier sieht das noch dazu ziemlich mühelos aus.

MONUMENTS MEN
Das hätte so gut sein können. Und ich meine Indiana-Jones-gut. Leider hat jemand den Spannungsbogen vergessen und das Ensemble spielt das Drehbuch entsprechend auf der linken (der abgesesseneren) Arschbacke herunter. Schade um die Kunst. Da hat man sich offensichtlich nicht zwischen pathosbejahendem Abenteuerfilm und der historischen Vorlage entscheiden können – und historische Vorlagen halten sich nun mal nicht an Spannungsbögen für Kinofilme.

WOLF OF WALL STREET
Die erste Stunde ist wie ein überlanger und äußerst gelungener Wall-Street-Sketch mit grässlich guten Mimen. Darunter mal wieder der allgegenwärtige und derzeit alles an die Wand spielende Matthew McConaughey. Dann (ohne McConaughey) verliert der Film seinen Rhythmus, findet ihn aber wieder und verliert ihn am Ende vollends. Sex, Drugs und Stock’n’Roll droht zur Endlosschleife zu werden, selbst die Ermittlungen gegen Jordan Belfort dümpeln vor sich hin. Am Ende schleicht sich sogar noch eine Art Ernsthaftigkeit ein. Dass der Film keine Moral und keinen Spannungsbogen hat, dass er quasi nur für Di Caprio existiert, will ich ihm nicht zum Vorwurf machen, im Gegenteil. Er ist nur einfach zu lang, es fehlt ein wenig die Präzision, aber vielleicht ist die in Raserei auswachsende sich ständig wiederholende Dekadenzdarstellung im Film auch das meditative Element. Der echte Jordan Belfort hat sich garantiert totgelacht, als er die Glorifizierung seines ekligen Lebenswandels im Kino gesehen hat (wobei er sicher auch bei jeder Tantiemenabrechnung für seine Autobiografie nicht wenig lachen muss), und während einige Kritiker Scorsese eine unkritische Haltung unterstellen, ist gerade die Nichtwertung von Belforts Biografie eine sehr moderne Herangehensweise. 2014 weiß der Mensch, was sich gehört und was nicht, bei allem Egoismus und Negativismus zeigt das der große Konsens zum Bankenwesen, Homosexualität, Gleichberechtigung und Markus Lanz. Bonuspunkte für Shea Wighams (auch in American Hustle, True Detective, Boardwalk Empire) kurzen Auftritt als subtilen Leugner einer sich abzeichnenden Seenot.

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Kurzkritik zu Blue Jasmine

Ich weiß nicht so recht, was ich zu dem Film sagen soll. Berührt hat er mich nicht, gefallen hat er mir schon. Die Biografie der Blanchett-Figur ist ziemlich stereotyp (aber toll mit dem elitärranzigen Alec Baldwin ausgestattet), aber wie sie die Figur mit Leben (und Stoli) befüllt, ist ja die eigentliche Hauptattraktion. Sie spielt immer hart an der Grenze zur Farce oder Parodie aber durch den Zoll geht sie nicht. Sie bleibt eine echte Figur, wenn man mir das Paradoxon durchgehen lässt. Man kann sich noch über die sehr amüsanten Nebenrollen von Louis CK und Michael Stuhlbarg freuen, und wenn man eh schon bei Boardwalk Empire ist, über das Temperament von Bobby Cannavale, aber ansonsten ist das ein Cate-Blanchett-Fahrzeug mit 300 PS.

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