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Dieser eine schaurige Blick von ihr verfängt sich in diesem Nachmittag, als ich ihn an die Wand meines Büros hefte. Auf die Fragen bin ich bestens vorbereitet. „Nein, das ist nicht meine Freundin. Nur eine Freundin.“ Ich halte es für eine Art Konsequenz, sie heilig zu sprechen. Ich halte es mit der Sturköpfigkeit meiner Linie wenn ich ihr selbstlos aufs blonde Haar starre, während ich eigentlich doch schreiben und unterhalten sollte. Alle Ausreden für die große Ausflucht sind jetzt beisammen und ergeben ein bitterdelektables Bild von einem humbugösen Kampf gegen die Gezeiten. Weil Windmühlen nach Trottel klingt. Und abgelichtet wird zum Schluss und der ist offen wie Polen.

Jahre später, das Foto wurde ab und an und aus dem Spiel genommen, es hat sich vermehrfacht, es ist mit mir durchgebrannt und wie ich aus dem Büro verschwunden, es hat sich aus dem Nachmittag entheddert. Jetzt zeigt es dieselbe Silvesternacht, aber ein völlig anderes Mädchen. Man hat sie wohl gegen eine andere Geißel ausgetauscht.

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Home-Recording

Meistens beginnt es mit einer Gesangslinie. Plötzlich bemächtigt sie sich deines Kopfes und verzombiet schreitest du zu deiner Akkustikgitarre. Freilich ist die Gesangslinie von irgendeinem anderen Song, den du gerade gehört hast, beeinflusst. |Komponieren| = Mopsen. Du legst ein paar abgegriffene Akkordfolgen unter die nun nicht mehr nur platonische Hookline und siehe da, es scheint eins ins andere zu greifen. Aus schlechtem Gewissen baust du noch zwei weitere Akkorde ein und versiehst die bisher dagewesenen mit leichten Variationen, schließlich willst du dir ja nicht nachsagen lassen, du wärst einfallslos oder noch schlimmer: du spielst nicht gut genug Gitarre.

Nun, sobald du von der Qualität deiner Spontanschöpfung halbwegs überzeugt bist, lügst du dir in die Tasche, dass man das ganze ja mal schnell eben in den Rechner hauen könnte, quasi als Skizze. Doch ab hier beginnt bereits der körperliche Verfallsprozess. Ab jetzt zählt nur noch der Song im zähen Ringen mit deinen begrenzten musikalischen Fähigkeiten, deinen laienhaften Recording Skills und der teuflischen Unberechenbarkeit deines Rechners und seinem widerborstigen Umgang mit Sound-Plugins. Etwaig aufkeimende Gefühle wie Hunger, Harndrang, Durst, Müdigkeit, Hygiene geschweige denn soziale Kontakte oder Kanzlerduelle werden aufs sträflichste negiert.

Aus einem kurzen Schlagzeugloop wird ein ganzes Rhythmusgeflecht, aus einer Frisur eine Clownsperücke. Aus einer Rhythmusgitarre werden vier, aus deinem Arbeitszimmer eine Kraterlandschaft, aus dem Zwischenteil wird leider nichts und auch das Abendessen wird auf den nächsten Morgen verschoben.

Irgendwann, so gegen vier Uhr früh, ist man viel zu aufgepeitscht, um schlafen zu gehen. Und für den Fall, dass man dann mal heil in der Heia läge, fällt einem garantiert noch ein Backgroundgesang für den zweiten Teil der ersten Strophe ein, denn man schnell noch aufnehmen könnte. Dann hörst du deinen Song ungefähr noch 15 mal Probe und kannst nicht aufhören, dir – mittlerweile schon gänzlich wirrköpfig – auf die eigene Schulter zu klopfen.

Am nächsten Morgen stehst du auf, hörst dir den Song an und stellst fest, dass du echt schon mal bessere Einfälle hattest.

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Es beginnt

Es liegt in der Luft des ausdünstenden Sommers. Es steckt in jedem Detail dieses scheinheiligen Morgens. Der Nordstrand glitzert, aber es sind nicht die Sandkörner sondern die Scherben. Die hereinkommenden Anrufe tragen die falschen Nummern, die Pracht der nächtlichen Gesellschaft wird langsam zu einer rein formellen Mitgliederversammlung. Das Taxi bringt sie dahin, wohin sie will, obwohl sie sich auf einen Umweg eingestellt hatte. Die Hitze frißt sich in den Mauern fest, obwohl es längst in Strömen regnet.

Die grausam lächelnden Strahlen des letzten Monats verbrennen ein paar unwichtige Hautpartien, die Ängstlichen sind eingefettet, aber ohnehin schon am Zusammenpacken. Die Tapferen scheucht spätestens der Ostwind zurück in ihre jämmerlichen Quartiere aus Holz und Strohfeuern. In den Nächten schiebt der Herbst seine modrige Zunge bereits tief in den Schlund des Sommers und grunzt zufrieden dabei. Vor Scham lassen die Bäume Federn, vor Wut schäumen die Flüsse, vor Ehrfurcht ziehen die Dächer der Stadt ihren Hut. Nur der Wetterfeste weiß, dass nichts ist, wo nichts war, wo nichts sein wird. Eine kleine Gruppe Wegelagerer schließt sich dem allgemeinen Meinungsumschwung an und zieht mit den letzten Barbecue Schwaden gen Osten. Der Rest fängt jetzt an, sich zu verstecken. Die Zeit der Lockvögel bricht an.

Ich lächle bösartig, als ich das heiße Wasser in der Dusche andrehe. Wenn die Kraft der Allgemeinheit versiegt und sie matt von der ganzen Unberechenbarkeit darnieder liegen, wenn sie entkräftet ächzen, während der Sommer sie langsam verlässt, wenn sie stöhnen unter den immer tiefer sinkenden winterlichen Damoklesschwertern, dann ist meine Zeit gekommen. Dann vermag ich zu gaukeln und zu spuken, werde mich drehen und vor allen Augen verschwinden, nur um an den entlegensten Stellen dieser Stadt wieder aufzutauchen.

Denn es tagt, während andere schlafen. Es sieht während es die Stadt mit Schneeblindheit schlägt, es kommt an wenn der Sommer verkommt und es brennt, wenn der September ausgelodert hat. Der Sommer begeht Fahnenflucht aber es hat gerade erst begonnen.

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Neulich in der Hölle

„Tja, Felix, da haben wir beide ja was gemeinsam. Mein Doktorvater sagte neulich zu mir, dass ich mein Talent nicht an diesen biochemischen Prozessen verschwenden sollte. Schließlich wäre ich ja überhaupt kein Biochemiker. Nun gut, ich kann mich da schon hineinarbeiten, aber selbst jemand wie mir sind Grenzen gesetzt. Soll ich dir mal einen guten Ratschlag geben? Lass die Informatiker raus. Die sollen ihre Finger von der Materie lassen. Ich meine, die mit ihrer verqueren Weltsicht. Das bisschen Informatik schaffe ich bei meiner Arbeit doch mit links. Ich hab neulich diese Daten mit Hilfe eines kleinen Programms ausgewertet, und was soll ich sagen: Easy like Sunday Morning. Hab ich dir eigentlich erzählt, wie es dazu gekommen ist? Nein?! Ich sag, dir Felix, das war eine Riesensache. Oh, übrigens Fräulein, für mich noch eine heiße Milch mit Honig und für den Kollegen ein Kristallweizen. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, wie überhaupt zu der Einladung zu dem Kongress kam. Ich hab da letztes Jahr ein paar Kollegen getroffen, die meinten: Nico, du bist echt so gut, du musst deine Thesen auf dem Kongress vorstellen. Ich sagte, hey, das ist mir echt zu abgefahren, da muss mich doch jemand fragen. Und die meinten ohne Scheiß zu mir: Hinterlassse an den richtigen Stellen, dass du gefragt werden willst, dann fragen sie dich. Also meine Bekannten meinten, ich sei echt zu gut, um mir das entgehen zu lassen. Abgefahren, oder, Felix?“

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Route 666

Wenn die H. aus dem Kliniknähkästchen plaudert, bleibt kein Auge trocken. Bei Nasenhaarentfernern im Anus und kleinen Parfüm Flacons in der Harnröhre, bei perversen Freiern im Krankenzimmer und marodierenden Gangs auf der Intensivstation entsteht selbst beim gepflegtesten Hinterhof Barbecue ein wildromantischer Hang zur Normalität.

Dazu gesellen sich freilich auch die bei Jung & Alt beliebten Geschichten aus Swingerclubs, Sexbars und Drogenstrichen und nicht zu vergessen die delektable Drogenanekdote an sich. Zu vorgerückter Stunde staunt man dann über Depressionen und verlustiert sich mit den lässigsten Obsessionen der Saison.

Immer wieder gerne gehört auch: Geschichten die das Leben schrieb über Geschiedene, Getrennte, Trennbare, Fremdgehende, Sichfremdwerdende und Fremde in der Nacht. Dreiecksgeschichten, Dreizacksgeschichten, Dreisprung- und Eisprunggeschichten. Hochzeiten, Todesfälle, Geburten und andere Kindereien, bunt gemischt mit ein bisschen Hautkrebs, dem ein oder anderen bösartigen Unterleibsgeschwür oder einem achtfachen Bandscheibenvorfall. Als leichte Appetithappen vor den großen Tragödien serviert man gerne mal ein wenig Sex und Gewalt aus dem eigenen Privatleben. Es muss ja nicht immer Kaviar sein.

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Eine Bitte von einem Kater namens Virtute

Für Herrn Ole aus Absurdistan.

Warum spielst du nie mit mir? Dieses Wollknäuel langweilt mich langsam. Du pennst ja schon genauso viel wie ich und ausserdem isst du nie etwas. Mit wem sprichst du da eigentlich immer? Ich hab schon das ganze Haus nach deinem Besucher durchsucht, aber alles was ich bisher gefunden habe, war Hausstaub, der im Schatten der Nachmittage hin-und hertanzt. Und was diese bitteren Lieder betrifft, die du da vor dich hin singst: Die sind vollkommen nutzlos. Und besser geht es dir dadurch sicher nicht.

Lass uns die Bude doch mal etwas durchlüften, Kollege. Laden wir uns ein paar Leute ein, zum Beispiel die scharfe Mietze aus dem ersten Stock. Deine Schwester kann von mir aus auch kommen, wenn sie ihren dämlichen Dachshund zuhause lässt. Dummer Köter.

Und erinnere sie doch bitte an das Rauschen dieser Kassette, „Der moderne Mann“, „Der kalte Krieg“ und das Literaturverzeichnis. Damit können wir dann alberne Gesellschaftsspiele spielen und Mädchengetränke dazu schlürfen.

Dann verbreiten wir die alte, banale Lüge vom „Blick zurück ohne Reue“ und vielleicht kannst du später ja mal ausprobieren, deine ganzen Verlustqualen über den rasiermesserscharfen Rand des ausklingenden Jahrhunderts zu hängen. Und dann schwadroniere doch mal übers Wetter, oder wie das Wetter früher so war.

Für die Speisen sorge übrigens ich. Und zwar mit den ganzen Vögeln, die ich bis dahin erlegt habe. Ihre süßen Federchen werden die Enttäuschung über die kleinen Portionen wettmachen.

Und jetzt leg dich hin und leck dir die Sorgen von deiner weißen Haut. Kehr den ganzen Schrecken unter den Teppich und fühl dich endlich mal stark, du Weichling. Immerzu starrst du in den Fernseher, und der interessiert mich nun weiß Gott nicht. Ich schwöre, dass ich dich demnächst mal ganz fürchterlich in die Wadel beißen und von deinem Blut kosten werde.., wenn du nicht endlich mit diesen selbstzerstörerischen Lügen aufhörst, die du wiederkäust, seit du mich hierher geholt hast. Verdammt, ich weiß doch, dass du stark bist.

(frei übersetzt nach Weakerthans – Plea From A Cat Named Virtute)

Das ist meine Lilly.

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Heatseeker

Calamities are of two kinds: misfortunes to ourselves, and good fortune to others. (Ambrose Pierce)

Wenn es überschäumt, kann man versuchen, es aufzuwischen. Mann kann es auch weiter anfeuern. Die Wahrheiten trauen sich aus der Deckung an solchen Abenden. Die Seilschaften fliegen ans Licht und wer jetzt noch die Übersicht behält, ist der König dieser maliziösen Nacht.

Überschwemmte Anrufbeantworter, Kettenrasseln und Drohgebärden, das Sorgerecht um den Absinth, das Angebot einer freundlichen Übernahme, die Offenbarungen des Johannes, ein freundlicher Nervenzusammenbruch und die Einsicht, irgendwann das Schlachtfeld zu verlassen, um nicht wieder als letzter die Toten zählen zu müssen. Was für ein außergewöhnlich großer Spaß. Was für ein Misthaufen. Was für ein Schuss.

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Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal

Der Prenzlauer Berg hat sich heute abend grotesk lieblich herausgeputzt, seine Fassaden goldgebräunt, so dass die Abendsonne ihr Licht- und Schattenspiel mit Außenstuck, französichen Balkons und Fensterfronten unter Idealbedingungen vollziehen kann. Der spanische Wein und die rauchige Chorizo legen einen weiteren Weichzeichner über meine Auffassungsgabe und mit mulmiger Faszination ruhen meine Augen auf einem Typ Frau, der mir eines Tages noch den endgültigen Garaus bereiten wird.

Während falsche Hoffnungen und verfrühte Aufgabegedanken sich im mahlzeitsbegleitenden Gespräch ins Gehege kommen und man verbale Türen vor der Nase zugeknallt kommt, obwohl man noch die Klinke in der Hand hält, während man selbst aus dem Vollen schöpft und andere aus dem Nähkästchen plaudern, während all dieser Zeit wechseln sich zahlreiche Anwärter auf den Titel Müllcontainer des Abends ins Spiel mit dem garausenden Typ Frau ein, die da in dem weißen Rock im Sand sitzt.

Seinem Gegenüber die Blickestreue zu halten, fällt schwer, wenn das Fräulein bei jedem Griff in die Tasche zwischen ihren Wildlederstiefeln die Farbe ihrer Unterwäsche in den Raum wirft. Der Isländer rügt mich zurecht, ich würde ihn aus einer Konversation herausblocken, die er ohnehin nur mit sich selbst führt. Diese Zigarette ist der nächste logische Schritt hinein in diese Nacht, denke ich und bestelle einen neuen Gin & Tonic an der Außenbar.

Es herrscht schon tiefe Nacht hier im artifiziellen Sandareal und ich frage mich, wer denn nun endlich einmal „Norman Three“ verdient hat. Das Liebeslied mit dem repetetivsten Refrain, den ich kenne. Ich glaube, elfmal singt Norman Blake am Ende „Hey, I’m in love with you. And I know that it’s you“ und mit jedem Mal klingt es intimer. Aber keine Kandidatin hat sich dieses Songs als bisher würdig erwiesen, denke ich verbohrt und während ich in Kandidatenkategorien denke, huscht bereits der Nächste an das blonde Fräulein heran und doziert Unsägliches über den Berliner Nachthimmel. Ich will es doch gar nicht hören.

Wenn ich die Augen schließe, kann ich mich bei dem Spanier an den goldbraunen Fassaden mit jemand anderem als dem Isländer weiterunterhalten und doch gelangen Teile der Strandbar in die Konversation. Zudem tauschen sich die Statisten immer mehr aus. Der Sand vermengt sich mit dem Straßenstaub und die feiste Dämmerung der Sredzkistraße verliert aus pseudochronologischen Gründen gegen die sich ausbreitende Dunkelheit über der Museumsinsel. Und immer noch bin ich in zwei Nächten gleichzeitig, was ein ganz wundervolles Gefühl ist.

Und unten die Ströme
Come on over, break some bread. Close the window and we lay on the bed.
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The City’s Ripped Backside

Mit ihrem Milchkaffee und einer Packung Zigaretten steigt sie auf die oberste Plattform ihres Zuckerbaudachs. Sie ist in dieses Haus gezogen, um über der Stadt zu wohnen. Um über der Stadt spazieren zu gehen. Sollten die Leute ruhig auf der großen Allee wandern, sie schwebt über die Dächer und Fluchten. Hier oben erscheint ihr Traum von der Musikerkarriere umsetzbarer als unten. Und so schäbig die Pappdächer und alten Antennen an den Herbsttagen wirken, der ungebändigte Himmel im Oktover veredelt alles. Und wenn das Flachdach vom Abendlicht in Gold gegossen wird, erscheint ihr die Straße dort unten wie ein Fluss.

An einem anderen Tag kommt er auf das Dach. Zufällig und sensationslüstern. Achtlos gegenüber den Feinheiten ihrer Himmelskultur. Er spricht schön, doch damit kaschiert er nur seine nervöse Zielstrebigkeit. Er ist ohne Hoffnung, aber ohne dass sie ihm fehlen würde. Er ist im Stande, ihr Dach, ihr Dasein zu verwüsten, an einem einzigen Tag. Dann wird er wieder hinabsteigen, ohne sich zu erinnern, je hier oben gewesen zu sein. Sie fürchtet ihn, aber natürlich lässt sie sich gerne von ihm verfolgen, an diesem frühen Abend auf dem Dach. Fast beiläufig injiziert er ihr das Gift der Bodenständigkeit und nachdem er weg ist, kann sie keine Begeisterung mehr auf dem Zuckerdach empfinden. Lange Tage verbringt sie in ihrer Wohnung unter dem Dach, ohne wieder hinauf zu steigen. Irgendwann ruft er an, sie packt ein paar Sachen zusammen und geht die sechs Stockwerke hinunter, bevor sie auf die große Allee tritt.

Going up in style

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Redaktionskonferenz

Burnster: Also, los gehts. Wer ist anwesend? Guillaume, Burns, Berni und Lex. Sehr gut. Es wird Zeit, sich mal wieder zusammenzusetzen und ein wenig zu sinnieren, wohin uns unser redaktioneller Weg führen soll. In letzter Zeit benimmt sich unser kleines Online Magazine zu wenig teleologisch. Ich will eure Ideen, eure Visionen hören. Du fängst an, Guillaume. Schließlich bist du grade erst neu eingestellt worden. Da erwarte ich mehr Engagement als von alten Säcken wie Berni oder Lex.

Guillaume: Mir doch natsche, Chef. Es kann einfach nicht angehen, dass die Uhren in New York sich verstimmen, nur weil sie gerade Bolz drauf haben. Ich nehme einen Vollbart bei Lohnschein, also raus mit den Kosacken. Kopfgeld pro Meile, wenn du verstehst, Chef.

Burnster: Das gefällt mir in Ansätzen ganz hervorragend, Guillaume. Wie steht’s mit dir, Burns?

Burns: Da weiß ich doch schon wieder, woher der Wind weht. Guillaume hält sich für den Könner hier mit seinem Neusprech. Wenn der Kryptikkrüppel auch nur einen Cent mehr verdient als ich, bin ich raus!

Berni: Jetzt hört doch bitte auf, euch zu zerhacken. Ich habe einige interessante Beiträge in petto. Habe alte Tagebucheinträge rausgesucht und sie zu einer Art Kurzgeschichte zusammengeflochten. Es behandelt die Zeit, in der ich mit…

Burnster: Das kannst du dir abschminken, Kollege. Dein zimperlicher Poesialbum-Ansatz reiht uns doch nur in die endlose Liste weinerlicher Egoblogs ein. Denk dir was über Ficken aus, empirisch gibt’s ja nichts bei dir. Wir brauchen mehr Sex im Blatt. Bei den anderen sorgt das immer für massig Kommentare.

Lex: Entschuldigung wenn ich mich hier einmische, aber wir als Akademiker, Guillaume ausgenommen, sollten einen gewissen Bildungsauftrag wahren. Dieser leicht sarkastische Lokalkolorit inklusive der possierlichen Regionalismen jüngst – das hat mir gefallen. Lassen Sie uns eine Exkursion nach Bayern machen, Herr Burnster und wir sammeln linguistische Eindrücke und präsentieren sie dem nordisch unbedarften Publikum.

Burnster: Ausgezeichnet, Lex. Burns, besorg uns für das kommende Wochenende einen Flieger nach München. Business Class, bitte. Diese verhurten Economy-Sitze schneiden mir die Luft aus den Rippen und ich muss zudem ständig durchs ganze Flugzeug laufen, wenn ich biseln will. Sieh zu, dass es Bloody Mary an Bord gibt. Und mach doch bitte die Musik leiser.

Burns: Jawohl, Chef. (leise: Arschloch)

Burnster: Gucken wir uns doch mal die Konkurrenz an. Was machen die besser als wir? Was brennt bei denen? Bei wem gehen die Leser richtig steilo? Spreeblick lassen wir mal außen vor. Das ist Establishment. Da wollen wir erst in fünf Jahren sein.

Berni: Der Mac Winkel hat total viele Leser. Ich vergönn’s ihm. Hat was Revuehaftes, seine Berichterstattung.

Burnster: Gut, aber wir haben hier niemand mit einer derartig mannigfaltigen Persönlichkeit. Wie stehts mit Ole aus Absurdistan?

Lex: Also, der Bursche gefällt mir sehr gut. Ein Sprachjongleur, ein Belesener, ein Interessierter und im Grunde seines Herzens ein melancholischer Humorist der alten Schule. Der Mann kennt seinen von Bülow.

Burnster: Righty. Aber zu verkopft dürfen wir nicht rangehen. Burns, bring dich doch mal ein, du faules Ei!

Burns: Machen wir halt was mit Weibern wie Schröder!

Guillaume: Kaftan! Du nagelst den Tristan auf den Punkt.

Burnster: Pianissimo, Kollegen.

Lex: Ich weiß nicht, ob wir uns auf ein derartiges Niveau begeben sollten. Berni, sag doch was dazu.

Berni: Ich hab noch diese schönen Schwarzweißphotos als ich damals mit XXXX an der Isar entlang…

Burnster: Dich und die Alte will keiner sehen. Steck dir die Bilder ins Portemonnaie. Lex, Politik?

Lex: Hmmm…., warum nicht, es ist ja auch grade Wahlkampf. Und ich biete mich als Kolumnist und Essayist geradezu an.

Berni: Aber Politik ist so schrecklich unemotional. Ich würde gerne mehr über Musik schreiben. Aber leider werde ich nicht bemustert und es ist nie genug Handgeld zum CD-Kaufen im Haus.

Burnster: Kauf dir deine CDs gefälligst selbst, du Geizkragen. Mir ist das schon wieder zuviel Geblubber hier. Ich mach mal Nägel mit Köpfen: Weniger Tagebuch, weniger Heulen, weniger Metablogging. Mehr Photos, mehr Sex, mehr Lokalkolorit, mehr Weltabgewandtheit, und selbstverständlich mehr Guillaume.

Guillaume: Saprang! Ich memme dich, Chef!

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