Kurzkritik zu The Big Short

Vielleicht ein bisschen apokalyptisch, das jetzt schon zu sagen, aber: Wenn man 2016 nur einen Film im Kino schauen muss, dann den. Adam McKay hat bisher hauptsächlich alberne Will-Ferrell-Vehikel wie Anchorman gedreht, aber wie ein Bailout-Phönix aus der Housing-Bubble-Asche wird er mit diesem Film zum Filigranfilmer.

Achtung langer Satz: Aus der Bankenkrise in kompromisslosem Banker-Lingo und einem loose-hangenden Ocean’s-Eleven-artigen Ensemble einen gleichermaßen drastischen wie lakonischen Film zu machen, den man euphorisiert beklatschen möchte und sich danach vielleicht von einem 30-Stöcker in der Upper West Side stürzen, das soll ihm mal jemand nachmachen.

Ich hab die Sachbuch-Vorlage „The Big Short: Inside The Doomsday Machine“ nicht gelesen, aber bei aller Comedy und Fourth-Wall-Breaking ist der Film ein Blizzard an Plausibilität. Am Ende dachte ich sogar kurz, ich hätte das Bankenwesen und den Grund für seinen (vorübergehenden) Niedergang verstanden. Beim Nacherzählen bin ich dann aber sofort wieder drauf gestoßen, wie grotesk und irrational das Kapital-Betriebssystem ist. Nicht weil es so kompliziert wäre, sondern weil man es wie Daten-Unkraut vor sich hin wuchern hat lassen.

Fazit: Ein hinreißender und abstoßender Film zugleich, den vermutlich viel zu wenig Leute im Kino sehen werden, die ums Verrecken ein Haus kaufen wollen.

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Das falsche Tagebuch: 11. Januar 2016

Jetzt ist ja schon wieder ein neues Jahr.

Und schon wieder ist ein Künstler tot und alle regen sich künstlich auf. Na ja, obwohl. Die Betroffenheit ist vielleicht schon echt, aber ich fürchte, viele meiner Facebookfreunde fürchten mit jedem Ableben eines „Idols“ ihr kommendes eigenes. Erst sterben deine Eltern, dann deine Popstars, dann du. Mir kommt das in manchen Fällen aber reichlich bauerntheatralisch vor. Selbst bei den Kondolenz-Postings wollen sie Leute sich noch an Originalität übertreffen. Irgendwann fürchte ich, explodiert das Internet vor Eitelkeit. Zuerst das Internet und dann die Welt.

Die Silvesternacht von Köln hat neben schlimmstem Opportunismus, Sexismus und Rassismus erneut eine der ekligsten menschlichen Eigenschaften zu Tage gefördert: Die Rechthaberei. Die Fazitsüchtigen und Resolutions-Addicts regnen ihre Credos, Weltansichten und gefärbten Fakten herab, dass man ersäuft in falschen Argumenten. Der Focus (die bunte Illustrierte) sagt: selber schuld, wenn du Rassismus auf unserem Cover siehst. Augstein Jr. lapidarisiert von grabschenden Ausländer, die den „Firnis“ unserer Gesellschaft einreissen und Mattias Sammer will einfach gar nix mehr dazu sagen, dass die Bayern in Doha trainieren. Als ob der Rest dann unser Bier wär.

Bei der durchaus zu Tode betrübenden Netflix-Dokureihe „Making A Murderer“ sagt der Anwalt von Steven Avery irgendwann, das Problem des amerikanischen Gerichtssystems sei einfach die mangelnde Demut. Jeder geht davon aus, dass er unbedingt Recht (sic!) hat.

Und jetzt doch noch was zu Bowie und Lemmy. Ich fand beide gut und jeden auf seine Weise bewundernswert, hab aber beide kaum gehört und fehlen tun sie mir auch nicht so arg – es gibt ja zig Platten und Videos von denen, falls sie mir überraschenderweise doch irgendwann mal fehlen sollten. Vielleicht bin ich ein kalter Hund geworden, denn als Lennon starb, saß ich mit meinen Eltern am Tisch, das Radio sagte den Mord durch und ich habe geweint. Dann wiederum war ich sechs und die Beatles meine erste Lieblingsband.

Kurzkritiken zu The Revenant & The Martian (Survival Sexy Time)

THE REVENANT

Jim Jarmuschs „Dead Man“ als Survival-Horror-Remake? Naah, das wäre Polemik. Aber Inarritu, der sich doch mit „Birdman“ bei mir komplett für seine geschwätzige Vielsagerei rehabilitiert hatte, weil er so etwas wie Soul (und Humor) gezeigt hat, gefällt sein eigener Film viel zu gut, als dass er tatsächlich gut sein könnte.

Dabei fängt alles so gut an: Der Indianerangriff zu Beginn ist der Beste, den ich je in einem Western gesehen habe, und ich muss es wissen, ich arbeite immer noch an meinem Mammutblogeintrag „Die fünfzig besten Western“. Danach verfällt der Film in Indianer-Klischees, Landschaftsaufnahmen und langwierige Albtraum-Passagen für Vegetarier und Pferdeliebhaber, und – fragt mich nicht wie – irgendwie schaffen’s auch noch eine Lawine und ein Komet in den Film.

Leo DiCaprio macht das wirklich gut, aber der kann sich seinen überfälligen Oscar noch so hart und halbnackt in der Tundra erarbeiten wollen, irgendwann wird selbst Leid, Entbehrung und Unbill zum running gag, wenn man einfach nicht damit aufhören kann.

Apropos running gag: Unverzeihlich bleibt die Besetzung von Tom Hardy, sein überinszenzierter texanischer Akzent riss mich schneller aus der Suspension of Disbelief als die Szene mit dem fliegenden Pferd (kein Pegasus, nicht zu früh freuen). Schnee, gute Bärte, Skalpierte, Leo, Hardy, Männer auf gefrorenen Seen – es war eigentlich alles da, aber von allem war’s dann doch zu viel und zu selbstgefällig.

THE MARTIAN

Gaffer Tape ist das fünfte Bandmitglied (falls eure Band vier Mitglieder hat). Das weiß jeder, der Musik macht. Seriously, das Zeug klebt wirklich alles, warum macht man Gaffer Tape nicht zum neuen Projektleider am BER oder der Elbphilharmonie? Bis auf die außerirdische Haftkraft von Klebeband aber nichts Neues in diesem interstellaren „Cast Away“-Remake. Matt Damon (bzw. Autor Drew Goddard) hat verstanden, dass der Zuschauer nur dann 144 Minuten im inhaltsleeren Raum überleben kann, wenn man ihn mit pfiffig lakonischen Video-Podcasts bei der Stange hält. So gesehen tatsächlich ein Film aus der Zukunft.

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2015

Sensation! 2015 habe ich nicht mehr alte Musik als neue gehört. Ein gutes Jahr für Musik, ein schlechtes für den Weltfrieden, aber das geht ja oft Hand in Hand. Und ich sags lieber gleich, bevor mich jemand in Fachgespräche verwickeln will – etliche der neuen Platten hab ich nur einmal gehört, ich bin kein Musikfanatiker. Nie gewesen entgegen popular belief.

Platten:
Sufjan Stevens – Carrie & Lovell
Grimes – Art Angels
Bilderbuch – Schick Schock
Kendrick Lamar – To Pimp A Butterfly
Iron Maiden – Book Of Souls
Slayer – Repentless
Courtney Barnett – Sometimes I Sit And Think…
Tribulation – The Children Of The Night
Albert Hammond Jr. – Momentary Masters
Kacey Musgraves – Peageant Material
Jeff Lynne’s ELO – Alone In The Universe
The Go! Team – The Scene Between
Bry Webb – Provider (2014)
Chvrches – Every Open Eye
The Weeknd – Beauty Behind The Madness
Baroness – Purple
Beach Slang – The Things We Do To Find People Who Feel Like Us
Vince Staples – Summertime 06
Third Eye Blind – Dopamin
Kamasi Washington – The Epic

Alte Platten:
Leatherface – Razorblades & Aspririn (Boots, Mush, Minx Remastered)
ZZ Top – Tres Hombres
Simon & Garfunkel – Sounds Of Silence
James Taylor – Sweet Baby James
Thelonius Monk – Monk’s Dream
Charlie Mingus – East Coastin
The Pogues – Rum Sodomy And Lash
Steely Dan – Countdown To Ecstacy
Megadeth – Rust in Peace
The Grateful Dead – The Best Of Skeletons From The Closet
Bry Webb – Free Will
Kashmir – No Balance Palance

Lieder:
Baroness – Shock Me
Kendrick Lamar – King Kunta
Bilderbuch – Schick Schock
Chvrches – Leave No Trace
Grimes – California
The Weeknd – Can’t Feel My Face
Macklemore & Ryan Lewis – Downtown
Slayer – Repentless
Iron Maiden – Empire Of The Clouds
Whiz Kalifa/Charlie Puth – See You Again
Frank Turner – The Next Storm
Third Eye Blind – Say It
Jason Derulo – Want To Want Me
Carly Rae Jepsen – I really like you
Jeff Lynne’s ELO – Dirty To The Bone
Albert Hammond Jr. – Losing Touch
The Go!Team – The Scene Between
Deichkind – So ne Musik
Bry Webb – River Of Gold (2014)
Kacey Musgraves – Dime Store Cowgirl
Ghost – From The Pinnacle To the Pit
Sufjan Stevens – Fourth Of July
Bry Webb – Rivers Of Gold

Alte Lieder:
Kendrick Lamar – Backstreet Freestyle
Action Bronson – The Come-Up
The Grateful Dead – Casey Jones
The Grateful Dead – Onkel John’s Band
ZZ Top – Waiting for the Bus
James Taylor – Fire And Rain
Thelonious Monk – In Walks Bud
Tori Amos – Pretty Good Year
Jimmy Cliff – Vietnam
Simon & Garfunkel – Blessed
Kashmir – California
Johnny Nash – I Can See Clearly Now
The Pogues – The Main Drag
Nick Cave – From Her To Eternity
Tygers Of Pan Tang – Take It
The Knife – You Take My Breath Away
Iron Maiden – To Tame A Land
Rush – Great Designs
Beyonce – Countdown
Scout Niblett – Gun
Ryan Adams – Starting To Hurt
NWA – Fuck the Police
Leatherface – I Live For You

Spiele:
Knights Of The Old Republic II (MacOS)
Batman: Arkham Knight (PS4)
Shadow of Mordor (PS4)
Fallout 4 (PS4)
FIFA 15 (PS4)
Crossy Road (iOS)
Wrestling Revolution 3D (iOS)
Altos Adventure (iOS)
Yeti Skiing (iOS)
Sword Of Xolan (iOS)
The Banner Saga (MacOS)

Filme:
Sicario
Locke
It Follows
Slow West
Whiplash
Birdman
Star Wars: The Force Awakens
Bone Tomahawk
Blackfish
Arts & Craft
The Impostor
Inside Out
Avengers: Age Of Ultron
Das ewige Leben
Mad Max: Fury Road
Predestination
Inside Out (Alles steht Kopf)

Alte Filme:
Three Days of Condor
Chinatown
Jaws
She Wore A Yellow Ribbon

Serien:
Justified S06
Fargo S02
Daredevil S01
Narcos S01
Better Call Saul S01
Master Of None S01
Jessica Jones S01
Crossbones S01
Game Of Thrones S05
Bojack Horseman S02
Making a Murderer S01

Bücher (2015 gelesen):
Steffen Kopetzky – Risiko
E.M. Remarque – Im Westen nichts Neues
Daniel Bryan – YES! My Improbable Journey…
Michael Eberth – Eidinger (Interviewbuch)
Reynolds/Alvarez – The Death Of WCW (Revised Edition)
Alan Sepinwall – The Revolution was Televised
Don Winslow – Power Of The Dog
Don Winslow – The Cartel
Vaughan/Staples – Saga Vol. 5 (Comic)
Snyder/Capullo – Batman: Endgame (Comic)
Charles Soule – The Death Of Wolverine (Comic)
Miller/McNiven – Old Man Logan (Comic)
Wilson/Alphona – Ms. Marvel (Comic)

Das falsche Tagebuch: 24. Dezember 2015

weihnacht15

Ich glaub ja schon an den Fortschritt.
Heute Nachmittag rauf zum alten Kloster gefahren. Die Allee mit den moosgichtigen Krüppelbäumen entlang gelaufen, vorbei an den Apfelgärten und dem neuen Sportzentrum bis ganz nach hinten zum alten Klosterkrankenhaus, wo ich auf die Welt gekommen bin. Ehrfürchtig herumgestanden und wieder nach Hause gefahren. Es war gar nicht das Alter und gar nicht die Sentimentalität, es war die Neugier, die mich trieb.

Tollste Sache am Älterwerden: die Neugier. Was mich heutzutage alles interessiert, das hätte ich als Jugendlicher nie gedacht. Im Grunde interessiert mich jetzt alles, während mich früher nichts interessiert hat. Ich bin mit 41 in der Lage, mich in Details und Marginalien von Fachgebieten hineinzufriemeln, für die ich bisher nichtmal als interessierter Laie in Frage gekommen wäre. Handwerkliche Tätigkeiten, Blumen gießen, Kopfrechnen, Kommasetzung. Na gut, streichen wir Letzteres.

Ich glaub wirklich den Fortschritt, allerdings nicht an seine Geschwindigkeit. Ich glaube an eine humanistische Erosion. Was mich nur so schreckt, ist die unverwüstliche Eitelkeit. So komplex sich die meisten Konflikte auf der Welt darstellen, so unlösbar sie scheinen und so situative Superkräfte sie uns auch abringen mögen, so klar und erschreckend deutlich ist die Eitelkeit, die die Kriegstreiber und Fanatiker dahinter antreibt. Es ist meist nicht Armut, Hunger oder Perspektivlosigkeit – so findet man halt seine Arschgesellen – sondern die schiere Angst vor der Bedeutungslosigkeit. Und ein jeder ist so grausig korrumpierbar von ein bisschen Bedeutung, die vielzitierten 15 Minutes of Fame sind zur globalen Maxime geworden. Scheißegal welcher Religion du angehörst, ob du beim IS, bei Pegida oder im Kegelverein bist, du willst for fuck’s sake nochmal was darstellen. Und das schneller und potenter als die anderen. Und wenn nicht du, dann dein Kind, um mal als Vater zu sprechen, der täglich mit Eltern zu tun hat, die ihre Geltungssucht in Stellvertreterkriegen ihre Kinder austragen lassen.

Das Kompetitive muss aus der Gesellschaft verschwinden und ich möchte vom Kapitalismus mal hören, wie er sich das in Zukunft vorstellt. Das Perfide ist ja, dass das ein uralter humanistischer Gedanke ist, den grade jetzt immer mehr teilen und der auch durch die moderne Presselandschaft spukt, die allerorts auf Fairness, Gleichberechtigung und Pazifismus pocht. Gleichzeitig ist unsere Presselandschaft so eitel, so hyänig, so unruhig, unrund, ungeduldig, ja ungehalten geworden. Es ist natürlich keine Lügenpresse und ich will sie auch keineswegs verdammen, ich bin ja ein Teil davon – wir sind nur alle so panisch auf der Suche nach Kanten und Meinungen und erfinden die Schlagzeilen vor dem Inhalt und somit auch vor der Wahrheit. Viele Schreiber, die sich zurecht seit der Schulzeit über die Bildzeitung aufgeregt haben, haben den Hang zur Schaumschlägerei, zur Essenzialisierung der Inhalte, egal wie komplex sie sind, übernommen, weil es ihnen am meisten Aufmerksamkeit und Applaus verschafft.

Aber egal, ich glaub‘ an den Fortschritt, daran, dass der Homo Irritatus lernen muss, seinen brutalen Ehrgeiz zu zügeln, egal ob er gerne Andersgläubige köpft, leidenschaftlich Mieten erhöht oder Bücher über seinen Darm schreibt. Oder wie neulich mal der Cafébesitzer bei mir im Viertel gesagt hat: „Wenn du nicht mehr unbedingt so viel Geld verdienen willst, bist du auf dem besten Weg, ein moderner Mensch zu werden.“

An unserem alten Kloster hat mir das alte Klostergefängnis gefallen. Schöner Bau am Hang, wo jetzt Leute auf eigene Kosten drin wohnen, hoffentlich mit überschaubarer Miete. Sah wahnsinnig gemütlich aus. Frohe Weihnachten allerseits.

(Kurz)kritik zu Star Wars: The Force Awakens

Ums gleich vorweg zu nehmen: ich hatte eine Fetzengaudi, fühle mich aber ein wenig benutzt.

Im Einzelnen: Sehr gutes Ensemblekino, originelle, sich das offensichtliche Augenzwinkern meist sogar sparende Dialoge, mitunter liebenswerte Sidekicks inkl. Roboter (von der Hackfresse C3PO mal abgesehen) und mit Daisy Ridley eine Hauptdarstellerin, der ich auch nackt mit Ewok-Allergie nach Endor folgen würde. Dazu Effekte und Setpieces, die sich trotz Ikonenstatus sehr natürlich anfühlen (I’m looking at you, broken down AT-AT)

Auch Darth Vader Junior und seine sich ankündigende Evolution in Gestalt von Kyle Reno (oder so) macht sofort Appetit auf mehr interstellare Gehässigkeiten. Adam Driver hat einfach die Ohren für einen kleinkarierten Supervillain. Das kann man leider von Darth Gollum (bzw. Snoke bzw. Darth Plagueis? bzw. Andy Serkis) als Imperator-Epigone nicht behaupten. Aber der ist ja auch bisher nur fernmeldetechnisch anwesend. Und wie gesagt, auf der Schaupspieler/Figurenebene gibt’s nichts zu meckern. Alle funktionieren beim Zuschauer so wie sie sollen, niemand ist seelenlos platzhalterisch.

Dafür die Handlung. Der Plot ist mutlos bis zu einem Punkt, wo aus der eigenständigen Handlung lediglich eine Referenz wird. Formulaisch ist das richtige Wort, Remake (von „A New Hope“) vielleicht auch kein falsches. George Lucas war da mit den Prequels innovativer, er hat zwar hochdubiose Green-Screen-Panoptiken mit miesen Dialogen und ohne Spannungsbögen gedreht, aber in Punkto Star-Wars-Mythologie hat er sich doch weiter aus dem Fenster gelehnt als nur die originale Trilogie zu recyclen. Force Awakens ahmt in den wichtigsten Handlungsschritten den ersten Star Wars so originalgetreu nach, dass der Plot bis ins Detail vorhersehbar wird.

Fazit: Ich war trotzdem glücklich und bin sehr neugierig drauf, wie’s weitergeht, bin aber auch zu beiden Gefühlen erpresst worden. Zum einen weil der Nostalgiefaktor so hoch ist, dass man als jemand, der Return Of The Jedi noch im Kino gesehen hat, zwangsweise schon beim Intro hyperventiliert, zum anderen weil sich der Film absichtlich enigmatisch und andeuterisch gibt, um Interesse am neuen „expanded universe“ (würg) zu wecken. Wirtschaftsprognose: Star Wars wird basierend auf diesem ersten Eindruck noch ziemlich long und prosper leben.

PS: Die lausige Schlusseinstellung (ein „spinning shot“) würde sich selbst ein Filmschüler verkneifen. Da kommt dann doch wieder der lens-flare-Poser in Abrams durch.

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Kurzkritiken zu Bridge Of Spies, Insidious 3, Prisoners, The Gift, Bone Tomahawk

BRIDGE OF SPIES
Vielleicht habe ich zuviel Don Winslow in letzter Zeit gelesen, aber BoS kam mir dagegen vor wie eine alterschwache Angorakatze, die mir in der Novemberkälte die Füße wärmt, weil sie zu faul ist aufzustehen. Bedeutet: Altmodische aber erfreulich klare amerikanische Moralvorstellungen, das Pacing ein langer ruhiger Fluss aber auch nur selten das Gefühl von Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen. Selbst der gehässige DDR-Unterhändler Vogel wirkt zu keiner Zeit bedrohlich und bekommt sein Fett ausreichend durch einen verweigerten Handschlag weg. Aber Spielbergs Zen-Filmerei dürfte dann von mir aus dennoch etwas verstörender ausfallen, zumindest wenn die Coens das Drehbuch schreiben und nicht in eine Art Tom-Hanks-Nummern-Revue ausarten, welche die Tristesse des kalten Krieges (dessen atomare Drohkulisse hier seltsam ungefährlich wirkt) ausgerechnet mit völlig überinszenierten Szenen des Berliner Mauerbaus bei 20 Grad Minus bebildert. Russenpeitsche deluxe quasi. Am Ende wird es mir dann wie bei so vielen Spielberg-Filmen zu staatstragend, aber in Zeiten wie diesen ist daran grundsätzlich nichts auszusetzen.

INSIDIOUS CHAPTER 3
Im Grunde überflüssiges Prequel zu zwei guten Vorgängern (Nachgängern?), das beinahe die letzte Luft aus meiner ursprünglichen Begeisterung für Geisterjägerfilme a la The Conjuring rauslässt. Mal schauen, ob Conjuring 2 noch reinhaut, denn das für all diese Filme Pate stehende Familienghostbusterunternehmen Warren hat eigentlich eine Menge mehr zu erzählen als das Standard-Repertoie von Jumpscares und Gruselomas. You know what? Eigentlich hab ich mich doch ganz gut amüsiert, die Hauptdarstellerin Stephanie Scott lässt einen dann irgendwie gut mitleiden bei ihrer Haunted-House-Migräne.

PRISONERS
Weil ich Denis Villeneuves Sicario so großartig fand, hab ich auch dem völlig deprimierenden Entführungsfilm „Prisoners“ eine Chance gegeben. Und fand ihn zu niederschlagend, um ihn zu Ende zu sehen. Freudlos und dann doch zu gewollt Freudianisch.

THE GIFT
Unfetziger Psychothriller-Shit, wie er in den Nullern zurecht ausgestorben ist. Dachte ich. Immer im Unklaren sein ist nur dann ein valides Stilmittel, wenn es nicht zum Selbstzweck erhoben wird. Außerdem ist der Zeitgeist einfach längst an solchen Nachbarschafts-Slashern vorübergaloppiert.

BONE TOMAHAWK
Leck mich am Arsch, was für ein Gorefest. Allerdings erst im letzten Drittel. Bis dahin wirklich ein guter Western. Ob man allerdings 2015 noch fleischfressende Native Americans zeigen darf, die anständige Siedler verschleppen und verspeisen, ist die andere Sache. Ich halt mich da raus, und erfreue mich wie schon in Fargo Season 2 an der nonchalanten Aufrichtigkeit von Patrick Wilsons Charakter und natürlich an Kurt Russels Schnauzer.

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Das falsche Tagebuch: 24. November 2015

Neulich mit dem Intercity nach Erlangen gefahren. Und wieder zurück. Am Tisch vor uns saßen ein paar ältere Damen und ein älterer Mann. Die haben stundenlang so plüschige Sätze von sich gegeben wie „Man muss doch auch ein Hobby haben“ oder „die deutsche Tanne ist gesund“.

Und so einengend und finster ich die Achtziger teilweise in Erinnerung habe, so sehr habe ich mich nach diesen furchtbar faden Kaffeekränzchen gesehnt, zu denen einen die Mama mitgeschleppt hat, die sie sicher aber auch selber fad fand. Man sitzt mit der Han-Solo-Figur und der Schreckschusspistole unter dem Tisch und kann keine Vanillekipferl mehr sehen, während oben die Leute an Kaffee auf sanft klappernden Untertassen nippen und draußen der Schneeregen fällt.

Wie in besagtem Intercity. Auf der Hinfahrt war ich beinahe allein im Zug. Das war wie Urlaub. Hab mir im Geiste notiert, das nächste Mal in Jena Paradies auszusteigen und ins Phyletische Museum zu gehen. Habe außerdem „phyletisch“ gegoogelt. Höre dauernd „Dirty To The Bone“ von Jeff Lynne’s ELO. Der fatalistische Wunsch nach Unsinn steckt da drin, oder vielleicht höre auch nur ich ihn heraus.

Das falsche Tagebuch: 16. Oktober 2015

Das Attentat von Paris hat sich das vor ein paar Jahren in Mumbai zum Vorbild genommen. Und damit die naheliegendste und schrecklichste Form von Terrorismus gleich nach Amokläufen an Schulen gewählt: innerstädtisches Nachtleben über den Haufen schießen. In einem Moment zuschlagen, wo die Leute sich aus dem Leben der Kriege und schlechten Nachrichten zurückziehen.

Jetzt schwingen wir wieder alle große Reden auf Facebook und finden plötzlich die Eagles Of Death Metal gut, als hätte es die erwischt. Dabei ist deren Sänger Jesse „The Devil“ Hughes selbst ein Waffennarr und bei NRA. Viel wichtiger als jetzt als irrsinnig mitfühlender Mensch dazustehen ist doch, sein Leben nicht nur maximieren zu wollen, das ist es doch, was alle in den Wahnsinn treibt. Die einen wollen das Maximum an Geld, die anderen das Maximum an Allah oder die maximale Anzahl an Jungfrauen im Paradies, ganz andere die maximalen Likes auf Facebook und die größten Deppen ein Maximum an Volkstümlichkeit.

Sich selber zurücknehmen, schauen was links und recht passiert und nicht immer gleich die einfache Meinung haben, nur weil die Wahrheit so ungemütlich komplex ist. Helmut Schmidt war auch nicht der beste Politiker Deutschlands, aber auch nicht das der reaktionäre Leibhaftige. Der Tod macht die Leute immer dermaßen wuschig, dass sie nur noch in Euphemismen oder völligen Deformationen denken wollen.

Neulich ist Dickie Hammond gestorben, Gitarrist von Leatherface. Das ist noch vor Iron Maiden immer meine Lieblingsband gewesen und ist es wahrscheinlich immer noch. Der Sänger Frankie Stubbs hat schon vor zwanzig Jahren eine Gesellschaft wie die jetzige vorhergesagt. Und wie konnte er das? Weil die damalige dieselben Maximen gehegt und gepflegt hat. Ich zitiere mal eben meinen Lieblingstext, der auf den ersten Blick so belanglos wie profan aussieht, auf den zweiten aber in ein paar Zeilen alles sagt, was man über den Menschen und das was ihm vorschwebt wissen muss.

A life full of grand ideas
A life full of grand designs
Of noble feats and noble minds
An entire lifetime of petty crime
A life full of pound signs

(Leatherface – Fat Earthy Flirt)

Und dann noch auf einem Laternenumzug gewesen. Und beim Kinderarzt. Und meine Tochter ist ein Jahr alt geworden. Und das Leben ist weitergegangen wie immer. Das ist vielleicht seine größte Qualität. Dafür nehm ich Altwerden gern in Kauf.

Am Freitag, den 20. November spielen meine The Gebruder Grim übrigens im Schokoladen in Berlin. Wir spielen neue Lieder, in denen es meistens ums Weitergehen geht. Auch wenn wir musikalisch 1986 stehengeblieben sind.

Kurzkritik zu Spectre

Machen wir es kurz: Dieser anachronistische Blödsinn muss bitteschön aufhören. Der Sexismus, der Verschwörungsquatsch, die lieblosen Drehbücher, das infernale Verbrennen von Millionen für sinnlose Setpieces, das kackdreiste Product Placement die nach zwei Minuten in die Luft fliegen, die unfehlbare Trefferquote in Feuergefechten, die mittelalterliche Darstellung männlicher Heroik und Daniel Craig.

Nicht weil er ein mieser Schauspieler ist, er ist eben grade ein guter. Weshalb man ihm förmlich anmerkt, wie zuwider ihm das antiquierte Possenspiel ist. Christoph Waltz geht’s ganz ähnlich, nur kompensiert der sein Desinteresse mit völlig standartisiertem Bond-Bösewicht-Gehabe, das so berechenbar abläuft, dass man sich noch nicht mal mehr die Mühe macht, zu erläutern, was der Big Bad denn nun eigentlich genau wollte – Weltherrschaft versteht sich ja eh von selbst. Ich werde auch nie verstehen, warum Bond am Ende jedes Films ins HQ vom Erzfeind fährt und zur Vordertür reingeht, so als wüsste er eh, dass der Superschurke an sich zu blöd ist, um ihn lange gefangen zu halten.

Und dann doch noch ein Wort zu den Frauen. Furchtbar, wie die grandiose Monica Belluci Bond als eine Art sexuelles Gnadenbrot abkriegt und sich Bond freilich aber dann wieder auf die dreißig Jahre Jüngere konzentriert. Da ist dann auch drauf geschissen, dass sie mit Psychoanalyse und Schusswaffen gleichermaßen emanzipiert hantieren kann, empowered wirkt das noch lange nicht. Zu allem Überfluss war der Film dann auch noch lang und langweilig, lediglich die Angangssequenz in Mexico City verströmt eine gewisse cineastische Magie, was aber auch einfach nur an der per se umwerfenden Grafik des Dia de los muertes-Feiertags liegen mag.

Man verstehe mich nicht falsch, ich habe nix gegen Bond, aber gebt mir Idris Elba, gebt mir runterskalierte Konkflikte und echte Bedrohungen und bitte vor allem echte Frauen.

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