Das falsche Tagebuch: 17.09.2014

Was ich am Gitarrespielen mag: dass es nicht auf Anhieb klappt. So gut kannst du gar nicht sein, dass du auf Anhieb das Solo von „Flash Of The Blade“ nachspielst. Egal wie gut du dich findest, einen anderen guten Gitarristen kopieren stutzt dich immer erstmal auf Demutsgröße. Dann kanns du dich wieder rekonstruieren, indem du auf Details achtest und übst, bis du das Solo einigermaßen in Muster und Automatismen unterteilen kannst und am Ende sogar nachspielst. Dann folgt großes Selbstbewusstsein, valide, verdient, erarbeitet. Mein Langzeitprojekt ist immer noch, Maidens „Powerslave“ auf der Gitarre komplett nachspielen zu können, mit allen Gitarrenspuren, Riffs, Licks, Solos und überhaupt. Seit einem Jahr sitze ich jetzt dran und es ist kein Ende in Sicht. Und wie schön das ist, weil du so den Weg aufmerksam gehst. Wüsstest du, dass es nur noch zwei Wochen dauert, würdest du hudeln. Hudeln ist der Tod. Kurzfristigkeit ist der Tod, aber Kurzfristigkeit ist die dominierende mentale Bewegung unserer Zeit.

Apropos Bewegung – Schottland, Separatismus, Nationalismus, Patriotismus, bla bla bla. Mit 17 hab ich Schottland auch noch die Unabhängigkeit gewünscht und hab mit einer Schottin auf der Fähre herumgeknutscht und bin danach ein halbes Jahr in Karos rumgelaufen und vier Jahre später habe ich bei „Braveheart“ im Kino in Dublin zusammen mit den Iren geklatscht. Und ja, ja, Denkzettel an Zentralregierungen und Lektion und Revanche und jetzt zeigen wir’s den Großkopferten mal. Das ist im Prinzip okay und es ist als soziale Momentaufnahme sogar wichtig, aber eigentlich ist es anachronistisch und ein kultureller Rückschritt. Revanchismus ist immer noch eins der größten Probleme der Menschheit, ein philosophischer Blackout, eine Barbarei des Verstands. Dass wir alle im selben Boot sitzen gegen Krieg, Armut, Zerstörung und Abschlachten sollte der allgegenwärtige Geisteszustand sein. „Alle zusammenhalten“ ist doch das Credo, das auf der Hand liegt.

Nebenbei: Was diese U2-Sache an Kleingeist und Hybris hervorprovoziert hat, verwundert sogar mich. Ich hab mich gefreut, dass mir Bono eine Platte geschenkt hat. Ernsthaft jetzt.

Das falsche Tagebuch: 10. September 2014

Achtung, es kommen Fetzen. Ich fuhrwerke verbal vor mich hin. Ich nöle, ich ächze und will gut dabei aussehen. Aber ich bin nicht Botho Strauß mit seiner Gravitassyntax, bei dem sowas immer klingt, als hätte er eine große Idee und eine noch größere Ahnung, obwohl er auch nur fuhrwerkt. Ich sage wirklich nichts, ich sage nur:

Ich bin ein seltsames Gebräu aus sturem Positivist und Apokalyptiker dieser Tage. Einerseits spreche ich Großteilen der Menschheit ab, die nächste Stufe der geistigen Evolutionsleiter erklimmen zu können und auf Ewigkeit ein ungehalten revanchistisches Pack zu bleiben, andererseits glaube ich ungebrochen an die intellektuelle Evolution, nur nicht an ihre Geschwindigkeit. Die Apple Uhr ist da, aber mit der Post kam heute meine erste Taschenuhr. Jetzt steht ein Spagat bevor: Sich aus Genussgründen tief in der Analogie zu verschanzen, aber nur als Conaisseur. Als Entreprenuer technisch auf dem neusten Stand bleiben, um nicht so wie die Eltern zu werden, die SMS-schreiben gelernt haben wie in einem Kurs an der Volkshochschule. Geiz nicht, spreiz dich. Mach alles mit, wo was bei rumkommt, sagt man den jungen Leuten an jeder Lebensstation. Kompositionale Ambiguität ist das Rüstzeug für das moderne Leben, und wer geradewegs schizophren ist, ist der wetterfesteste Darwinist. Das hat uns ein ethisch und sozial rückständiges Land wie Amerika schon immer vorgelebt, das mit der Zerrissenheit leben. Doch diese situative Moral maskiert nichts anders als einen splitterfasernackten und menschenhassenden Egoismus. Krieg kann man wieder machen, hab ich gehört, dafür ist Kapitalismus out. Situativ halt. Widersprüchlich sind nur noch Leute, die an Widersprüchen scheitern.

Ich selbst bin ein dummer Sklave meiner eigenen Ansichten, ein Idiot der Neunziger, in denen wir unterinformiert wie Kindergartenkinder geglaubt haben, das Zeitalter der Kriege nähert sich zeitlich greifbar dem Ende. Und Bauklötze gestaunt haben, als sich Titos Kinder auf dem Balkan gegenseitig die Köpfe abgeschnitten haben. Aber den Positivismus haben sie mir damals eingeimpft. Mit Glasnost, alternativen Energien, den Grünen im Parlament und den ersten Klimaabkommen. Diesen Zahn kann man mir nicht mehr ziehen. Ich glaube an das Hirn wie ein Pannist an den ADAC.

Allerdings nicht immer an meins. Je älter ich werde, desto ängstlicher werde ich. Angstdemenz nenn ich das. Uns schuld sind Kinder. Kinder machen einen aufrechten Menschen bröslig und schwach. Die Liebe zu den Kindern macht einen angreifbar und weinerlich. Vorher hatte man wenig zu verlieren. Die Todesverachtung der Zwanziger kann ich mir gar nicht mehr retroaktiv ausmalen, aber sie steht schwarz auf weiß in meinen Liedern und Tagebucheinträgen (oh ja). Die Liebe ist die ungesündeste. Meine Schwester hat neulich gesagt, man muss loslassen bei den Kindern, und sie trotzdem genauso weiterlieben. Was banaleres und schlaueres hab ich die letzten fünf Jahre nicht gehört.

Zum Wetter: Dieses grausig langsame Sterben des Sommers ab Ende Juli, das ich sonst immer so schätze, setzt mir dieses Jahr irgendwie zu. Weil es im Schnellvorlauf die Geschichte menschlichen Siechtums ist und also Glück im Leben eines Erdbewohners immer ein resignatives sein muss, wenn er nicht eine glaubwürdige Religion findet, die ihm die Ewigkeit verspricht. Aber welche Religion ist schon glaubwürdig. Ab zwanzig ist der Mensch verkalkt und lebt nur noch aus der Einbildung, sagt Thomas Bernhard in seinen Weißweinseligen Mallorca-Monologen. Nur bei den Kindern sind die Venen noch frisch, die sind noch in der Wirklichkeit. Das bezieht er vermutlich nur auf die Wohlstandsgesellschaft, die sich tatsächlich neuerdings ein paar merkwürdige Maxime eingebildet hat: Persönliches Glück ist grade das Maß aller Dinge im Burnout-Zeitalter.

Kurzkritik zu How To Train Your Dragon 2 (Drachenzähmen leicht gemacht 2)

Ich gestehe: Ich bin ein schlechter Vater und ein Gesetzesbrecher. Ich habe meinen vierjährigen Sohn zum Geburtstag in einen Film ab sechs verschleppt. Zu meiner Verteidigung: Alternative wäre der lieblos wuslige Pseudolustig-an-alle-Lebensalter-angepasste „Planes“ gewesen und da hatte der erste Teil schon keinen Vierteltakt lang so etwas wie Rhythmusgefühl bewiesen. HTTYD2 war eine Sinfonie dagegen. Außerdem stand im Foyer eine „lebensgroße“ Skulptur vom Drachen Ohnezahn an dessen elastischen Flügeln man (unendlich lange) wackeln konnte. Fazit gleich vorweg: mindestens so gut wie Teil 1, vielleicht sogar besser.

Rührseligkeiten gehören natürlich in Zeichentrickfilme wie Huren in Western, aber sie fügen sich oft nicht organisch (sprich: herzlich) in die Handlung ein, überreizen sich, oder wirken „geschauspielert“. Im vorliegenden Drachenfilm wird das familiäre Verhältnis der Hauptfiguren in kürzester Zeit vollständig und unaufdringlich definiert und innerhalb dieser Parameter fließen dann selbst die rührseligsten Szenen wie von selbst den Handlungshang hinunter. Und selbst die Nebenfiguren nützen ihre wenigen Zeilen absolut charaktergetreu und sind keine reinen Pointenhäscher. Sowas ist heute sehr selten geworden, vor allem in der deutschen Synchro, wo es oft vor scheinbar juvenilen Kraftwörtern (ich bin 40 geworden, ich darf jetzt Jugendsprache anprangern) wie „oberkrass“ (das „affengeil“ dieser Zeit) nur so wimmelt. Insgesamt war der Film in seiner Philosophie eh sehr erwachsen, aber in seiner Fantasiesprudelei und seinem drakonisch konsequenten Erfindungsgeist sehr bunt und kindgerecht.

Und auch wenn ich mich wiederhole: ein Rhythmus (und damit v.a. der Schnitt) macht einen guten Kinderfilm, dem dann eben auch vierjährige Abkömmlinge von niederbayerischen FSK-Outlaws besser folgen können als diesen verquasselten daueraugenzwinkernden (you know, Zeitgeist) Pixar-Mobilisten-Filmen für Stopsel die alles cool finden, was Augen hat, egal ob Flugzeuge, Traktoren, Autos oder Gurkenhobel. Ach ja, die Grafik vom Drachenfilm war übrigens oberaffengeil.

drachenzaehmen

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Kurzkritik zu Guardians Of The Galaxy

Der Film macht eigentlich dasselbe falsch wie die meisten Marvel-Filme. Er unterbesetzt seinen Erzbösewicht, er fokussiert sich auf einen albernen, alles bestimmenden MacGuffin (die Infinity-Steine) und sein Plot ist überraschungsärmer als ein Michael-Bay-Film. ABER – und das macht ihn zum bisher besten Marvel-Film – er hat Soul. Und wie. Das liegt nicht nur an den unpeinlichen Ohrwürmern des Soundtracks und den Tanzszenen (man könnte auch sagen, das ist der erste Sci-Fi-Tanzfilm, wenn man den Ewoks-Film nicht mitrechnet), sondern vor allem an dem warmen Humor, der niemals zynisch, hässlich, pennälerhaft oder anbiedernd anal ist. Er ensteht aus purer Liebe zu den Figuren und dem Umstand, dass die Protagonisten sauschräge Vögel sind, die im Grunde über lange Strecken an sich selbst scheitern. Der Film ist eine Komödie – keine Frage – und trotzdem nimmt er sich selbst ernster als alle anderen Marvel-Filme bisher, weil er seine Figuren ernst nimmt. Ein sprechender Waschbär und sein bester Freund der Baum (saving the entire grace of speaking trees in movies, ich schau euch an, Ents) sind menschlicher als das komplette Ensemble im letzten Thor-Film. Und seine Message ist in harschen Zeiten wie diesen die wichtigste der Welt: Löst eure Konflikte mit Dance-Offs statt mit Waffen.

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Das falsche Tagebuch: 19. August 2014

Das Älterwerden ist mit das Großartigste, was mir je passiert ist. Das habe ich ja immer gehofft, aber nicht zu träumen gewagt, dass man als geborener Homo Hecticus nochmals so gelassen werden kann (für meine Verhältnisse versteht sich). Mein Problem war nie Indifferenz oder Wurschtigkeit, nie die Lethargie oder die Empathie. Ich war immer zuviel von allem. Emotional wepsig, weinerlich, weidwund. Geblieben ist davon überwiegend eine selbstgerechte Grantigkeit. Yes, ich kann endlich Schmerzen und unangenehme Dinge, Traumata und Herzlöcher verdrängen, wegschieben und unter den Teppich kehren wie andere Leute auch. Ich muss nicht mehr alles ausleben und Lieder darüber schreiben. Das macht mich glücklich. Die Melancholie ist eine dumme Sau.

Lesereise: Herbst

Es fehlen ja noch ein paar Termine von der großen Mandelreise in diesem Jahr. Die kann ich hiermit preisgeben. Freu mich, wenn’s wieder losgeht, hab auch extra ein paar ganz neue Lieder einstudiert. Auf deutsch sogar.

26.09.2014 Chemnitz – Weltecho
27.09.2014 Suhl – Provinzschrei
04.10.2014 Frankfurt, Feinstaub
05.10.2014 Karlsruhe – Kohi (Karlsruher Literaturtage)
22.11.2014 Berlin, Z-Bar, Krimimarathon

Und nicht zu vergessen das einzige und letzte Gebruder-Grim-Berlin-Konzert in diesem Jahr mit den geschätzten und wiedervereinigten Kollegen von HOT°.

17.10.2014 Gebruder Grim & HOT°, Grüner Salon, Berlin

Und so geht’s zu auf Lesereise:

Kurzkritik zu Dawn Of The Planet Of The Apes, Noah, Oculus

DAWN OF THE PLANET OF THE APES
Soweit ist es schon gekommen. Beim kleinsten Anzeichen von Dystopie fürchte ich um Leib und Leben meiner Familie. Ernsthaft jetzt. Sofort geistig bei Ebola und zwar den ganzen Film lang. Wenn man jung ist (also unter 39), hat man nichts zu verlieren außer seine Katze, die Großeltern, die Ehre und etliche Beziehungsversuche. Da hat der Tod beinahe nicht selten etwas Kurioses, Interessantes, wie er einem permanent gedanklich auf den Fersen ist. Man schaut Splatterfilme und hört Black Metal, man schreibt Elegien und schwelgt in Agonie. Fünf Jahre später traut man sich keine Zigarette mehr anfassen, sieht den Straßenverkehr als größte Bedrohung für die Menschheit an und erwartet jeden Tag den dritten Weltkrieg oder wenigstens dass der Russe kommt. Jetzt wo ich das los geworden bin: Dieser Film ist ein pathetisches, vorhersehbares Rührstück, das man aufgrund des hohen moralischen Anspruchs und der sehr guten Rhythmik eigentlich kaum verreissen kann. Oder? Mir ätzt aber doch viel Moralin ins Action-Getriebe und die Baukasten-Dialoge sind mir eigentlich auch zu – Verzeihung! – affig. Vielleicht sagt das ja am meisten über den Film: Dass ich ihn nicht mochte, obwohl ich ihm die Story, die Andy-Serkis-Show und das Weltenende abgekauft habe. Ich bin quasi unangenehm gerührt.

NOAH
Passiert mir nur selten, dass ich mich nach einem Film frage, was das Genre gewesen ist. Er fängt an wie Herr der Ringe für Bibeltreue, was ja auch passt, denn anders als Fantasy kann man das Thema religiösen Mythos eh nicht behandeln (außer man ist Mel Gibson). Der Film ist gespickt mit CGI, die Andy Serkis die Tränen in die Augen treiben würde, darunter schwülstigere Sonnenuntergänge als in „Sturm der Liebe“ (ARD) und einer Umeltschutz-Botschaft, die Russell Crowe mit einer übertriebenen Gravitas herüberbringt als wäre er der Erzengel Al Gore. Dann wird der Film vollkommen unerwartet spannend (und das bei einer Geschichte deren Ausgang man kennt) und in seinen zwischenmenschlichen Verflechtungen interessant. Danach wird er zappenduster. Menschlich gesehen. Und bleibt fatalistisch bis zum Schluss, auch der Schluss kann das Kaputte nicht mehr kaputt machen. Ich muss also konstatieren: die erste Hälfte größter Bullshit des Jahres, die zweite aufregend.

OCULUS
Spiegelhorror ist immer Horror. Ich find Spiegel wirklich gruselig und damit meine ich nicht meinen 39-jährigen Anblick jeden Morgen. Aber weil Oculus es ganz besonders gut und haunted machen will, installiert er zwei Zeitebenen, die sich immer mehr vermengen und am Ende kaum mehr von einander zu unterscheiden sind. Das ist technisch elegant gelöst, inhaltlich aber völlig von der Rolle, es ist praktisch unmöglich sich auf die Handlung einzulassen, weil ständig in der Zeit herumgesprungen wird, als hätte der Fluxkompensator Hämorriden. Den ach so schockierenden Schluss bekommt man allerdings schon in der ersten Viertelstunde des Films zugefaxt, wenn man sich nicht nebenbei im iPhone die Haare schön macht. Zusammenhalten tut das scherbige Spiegelkabinett die tolle (und gelegentlich leicht übermotivierte) Karen Gillan.

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Das falsche Tagebuch: 7. August 2014

Schon wieder und immer noch im Westernwahn. Muss wohl am Wochenende nach El Dorado Templin fahren und den ganzen Tag ungehindert den schwarzen Cowboyhut tragen. Beeindruckt haben mich nachhaltig die Peckinpah-Western „Pat Garrett & Billy Kid“ mit dem Dylan-Soundtrack und der Sterbeszene am unbebauten Fluss, und vor allem der sterbensvollerdreckige „The Wild Bunch“. Über Pike Bishop habe ich ein Lied geschrieben. Die Sergio Leones samt Eastwood hab ich schon letzten Sommer durchgebrütet, dieses Jahr sind Ford, Hawks und der Duke dran. „The Searchers“ hat mich regelrecht eingedunkelt mit seiner Weltverneinung im Monument Valley. Der Western, überhaupt ein düsteres Genre, selbst „High Noon“ ist alles andere als eine happy-go-lucky Heldensaga. „The Sons of Katie Elder“ und „Stage Coach“ sind als Nächstes dran. Es ist das erste Mal im Leben, dass ich John Wayne etwas abgewinnen kann. Weil ich ihn jetzt erstmals im Original reden höre vermutlich und da wird auch deutlicher, was für ein guter Schauspieler er war, ob man den reaktionären Hund jetzt mag oder nicht.

Die Frau, die mich neulich für den Tagesspiegel interviewte, hat nicht ganz zu Unrecht gesagt, ich hänge in den Mandel-Büchern in so archemännlichen Genres wie Detektiv, Metal und Wrestling herum. Kommt auch noch der Western dazu? Plötzlich habe ich so ein Bild vor Augen, wie der Mandel in El Dorado Templin im Saloon sitzt und dort als Pianist sein Geld verdient und ich sehe meine Chance, einen eigenen Western zu kreiern, wenn auch in der Uckermark. Aber nein, die Mandel-Bücher sind vorbei. Bavarian Gothic ist mein neustes Genre.

Und was immer das auch über mich aussagt, dass ich die Machomilieus mag (ich sage, es bedeutet nur, dass ich ein Kindskopf bin), in jedem lässt sich ganz ausgezeichnet das finden, was ich finden will: alle sind fürchterliche Opportunisten und Kompetitionisten, deshalb gibt’s auch Krieg auf der Welt. Ich will die Frauen von der Weltsünde nicht komplett ausnehmen, aber die ihnen im Lauf der patriarchischen Jahrtausenden aufgezwungene Zurückhaltung hat sie einen feinsinnigeren und manchmal auch hinterfotzigeren Opportunismus gelehrt: die Manipulation ist ein süßes Gift, und die eine oder andere gelegentliche Vergiftung ist mir lieber als die männliche Ultima Ratio, alles in Schutt und Asche zu legen und dann zu überlegen, wie’s weitergeht.

Meine Frau sagt manchmal: „Gib’s zu, du magst keine Frauen.“ Ich sag, das kann schon sein, aber ich mag Männer genauso wenig. Nur bei Männern hab ich das Gefühl ich könnt noch was zum Weltwohlergehen beitragen, weil ich unsere grauslichen Minderwertigkeitskomplexe besser kenne und verstehe. Und noch besser verstünde ich sie sicher nach einem Besuch in El Dorado Templin.

Kurzkritiken zu Snowpiercer und The Raid II

SNOWPIERCER
Es kann kein Sci-Fi-Setting geben, das mir zu hanebüchen ist, wenn es nur cool genug mit der richtigen Arschbacke heruntergeritten wird. Und auch wenn Snowpiercer ein Stück Gehacktes aus verschiedensten Genres ist, bedient er doch in der Hauptsache die zwei menschlichsten aller menschlichen Fragen aufs vortrefflichste: Wer fährt den Zug und was kommt eigentlich am Schluss?

THE RAID II
Ballettgeknüppel der unbarmherzigen Knochenbrecherschule, (H)Arthaus quasi, allerdings mit einem ins fadenscheinig Komplexe aufgeblasenen Plot, dass sich Jakarta-Fuchs und Sumatra-Hase gute Nacht sagen. Mir ist das tatsächlich auf Dauer zuviel Fraktur von Knochen und Handlung.

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Das falsche Tagebuch: 29. Juli 2014

In unserem Wahn zu Gott und der Welt auf Teufel komm raus publizierte Position zu beziehen und dabei noch so pointiert wie möglich aufzucremen, räumen wir mittlerweile sogar hin und wieder ein, dass beide Seiten eines Disputs Recht haben könnten. Was mir viel zu wenig in Betracht gezogen wird: Niemand hat Recht, alle kehren vor der eigenen Haustür, weil sie unsichere Arschlöcher sind, deren einziger Spaß im Leben geblieben ist, sich an sich selbst zu ergeilen und andere alt ausschauen zu lassen. Planet Selfie. Vielleicht liegt’s auch nur an der stehenden Hitze, durch die man durchwaten kann wie einen Sumpf, dass ich so übelgelaunt bin und rhetorisch vor mich hinschwefle wie ein Furz ohne Druck. Ich meine, ist das normal, dass einen jede Zeitung, jeder Artikel zur Weißglut treibt, dass man nur noch sehen kann, wie der Mann/die Frau hinter den Zeilen sich selbst beim Schreiben einen harthobelt?

Und dann Eltern, ich hasse Eltern. Andere Eltern hauptsächlich, die das Netz mit Fotos von kleinen Kindern, die nix dafür können, dass sie sich entwickeln, die sich nicht wehren können dagegen, dass sie als Menschgewordene Medaillen um die speckigen Hälse ihrer Erzeuger baumeln, verpesten. Aber auch manchmal mich selbst als Vater, weil mir außer dem larmoyanten „Lass uns reden“, ein bisschen hausüblicher Cholerik und blöden Sprüchen von den eigenen Eltern nichts einfällt bei dieser Hitze. Nur dem System fällt noch viel weniger ein als mir: Spiel Feuerwehrmann, mal mal was, spiel Kaufladen, geh klettern. Kindsein kann überhaupt der langweiligste Beruf sein.

Und dann die Religionen. Und die politische Korrektheit mit der alle so herumwürgen wie mit einer besoffenen Python, die zu schnapsschwer ist, um sich auf wichtige Dinge wie das Verschlucken von Mäusen zu konzentrieren. Man sieht ja an meiner behinderten Metapher schon, wie schwer es mir fällt, meine Verachtung für die Apotheose im Zaum zu halten. Weil nämlich die Religion an sich nur ein intellektuelles Relikt ist. Ein Rudiment, ein Ohrenwackler, ein geistiger Atavismus. Würde der Mensch seinen Raubtier-Egoismus überwinden, könnte er erstmals ein Mensch sein und müsste nicht vorgeben, religiös zu sein. Ist ja eh keiner, der bis fünf zählen kann und genug zu fressen hat. Nur ohne Religion ist es wie ohne Tageslichtprojektor an einer Schule. Müsste man rhetorisch schon wirklich was auf dem Kasten zu haben um einen ganze Stunde nur mit Inhalten und Stimme zu gestalten.

Der Wasserspielplatz nebenan hat nach anderthalb Jahren wieder auf. Vielleicht sollte ich meinen Wutschädel unter einen der überdimensionalen Spritzfische halten, bevor ich mit der infernalischen Laune etwas ins Internet schreibe.