Kurzkritik zu Brainfree Rainer

Vorgestern bin ich übrigens auf einem neuen Alltime-Low angelangt. Nein, ich meine nicht das Deutschlandspiel, obwohl das Albszenario ungefähr die gleiche Spiellänge hatte. Nein, das Corpus Delicti hieß „Free Rainer“ von Hans Weingartner und es hat mich weggeblasen. Weg, weit weg, weit, weit weg vom Trampelpfad des halbwegs erträglichen deutschen Films. Ich hoffte wirklich inständig, dass am Ende Lahm auftaucht und ein Tor schießt oder sich das ganze als langatmige Zuschauerverarsche mit Schlusspointe a la Sixth Sense entpuppt und Moritz Bleibtreu eigentlich seit dem Zusammenprall mit den Vorzeige-Skinheads am Anfang des Films tot ist.

Doch es blieb beim offenbar ernstgemeinten Versuch, eine Mediensatire mit aktionistischem Impuls zu drehen. Dass wir hier über überbemühten Nonsens sprechen, dass die Verzerrung der Realität leider nicht damit getan ist, Gel im Haar des Programmchefs und guthartzige Arbeitslose zu zeigen, und einen Moritz Bleibtreu, dem seine Rolle sichtlich peinlich ist, ist die eine Sache. Die ganz andere ist aber, in den DVD-Extras als Regisseur zu behaupten, endlich mal was gegen die Zuschauerverhunzung und Gehirnwäsche der Sender zu tun. Bei so einem larmoyanten Gewäsch bekomm ich doch grad erst Lust auf eine Runde Illona Christen (Gibt’s die eigentlich noch?). Damit sabotiert sich unser Hobby-Dutschke Weingartner natürlich auch die einzig valide Medienschelte selbst: nämlich die – auch für mich als Fernsehsenderbediensteten – absolut unfassbare Breitarschigkeit der GFK und ihrer aus dem Mittelalter stammenden Messmethoden samt der angeschlossenen Jubelperser von TV- und Werbeindustrie. Fazit: abschalten bevors überhaupt losgeht.

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Gran Via otra vez

With the eyes of one who hates for just being born
For all the shut down strangers and hot rod angels
Rumbling through this promised land
Tonight my baby and me we’re gonna ride to the sea
And wash these sins off our hands
(Bruce Springsteen – Racing In The Street)

Und dann bin ich mal eben kurz in Barcelona gewesen. Anderthalb Jahre nach meiner Abreise. Anderthalb Jahre nachdem ich dort ganz kurz und sehr kurzfristig meinen Seelenfrieden gefunden hatte. Dann war ich mal eben für einen Tag da. Als ich die Stufen von der Renfe ans Tageslicht nahm, hatte ich „Rock Hard Times“ auf dem Kopfhörer. Harte Zeiten sind das in der Tat und im Sonnenlicht des Passeig De Gracia erschienen sie immer noch genauso hart, obwohl ich Linderung erhofft hatte. Später am Tag schlich ich um das Haus, in dem ich das Bruce Springsteen Poster aus den Siebzigern über meinem Bett aufgehängt hatte. Und die Stadt jetzt ist leer ohne dich. Du erlebst deine grauenvollen Dinge und ich meine. Und ich wünsche mir, dass uns nie das Grauen verbinden wird. Sondern das Urvertrauen bleibt, dass das Grauen irgendwann immer wieder von ganz alleine weg geht, wenn man nur stur genug daran glaubt.

Und wie immer war ich am Strand. Und wie immer alleine. Und wie immer habe ich am Ende der Gasse schon von weitem das Licht der See gesehen. Noch ein paar stinkende Meter durch Barceloneta und dann zum sicher dreissigsten Mal am Stadtstrand und nicht gewusst, wie ich jetzt damit umgehen soll, dass da soviel von dem ist, was ich mir immer so vorstelle, wenn ich nicht am Meer bin. Am frühen Abend am Fenster des Corte Inglés bei einem Glas Wein, den Franco-Palast vor Augen, wie er sich über dem Placa Catalunya erdreistet. Und auf dem Hoteldach die Füße im winzigen Pool und von der Abendsonne den Kopf verdrehen lassen. Und innerhalb weniger Stunden an einem einzigen Tag wieder das gefunden, was es zu finden gilt. Ein kleines bisschen Kopf- und Bauchfrieden. Die Seele kommt irgendwann auch wieder dran.

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Don’t Work: Video Tutorial

Der Vollständigkeit halber jetzt auch ein Video zur Leatherface Coverversion. Das Konzept war schnell gefunden, denn was passt besser zum Themenkomplex „Arbeit ist scheiße“ als ein Urlaubsvideo? Aber bitte glauben Sie jetzt nicht anhand der idyllischen Bilder, dass wir Spaß hatten. Was nach einem gediegenen Italienurlaub aussieht, war ein knallharter Dreh mit allen Schikanen. Und das Stativ hab ich daheim unterm Bett vergessen. Aber Wackelbilder sind ja eh en gros en vogue.


St. Burnster feat. Kitty2000 – Don’t Work

Mehr Songs und noch ein Amateurvideo unter myspace.com/stburnster.

Stadionrock


Du bist den ganzen Weg gelaufen
Jetzt bist Du eine von Zehntausend
Halt Dein Feuerzeug hoch und tanz
Ich red mit niemand speziellem
Ich red mit meiner Stimme
Ich bin dafür geschaffen,
die Gedanken der Massen
in Worte zu fassen

(Tom Liwa – Stadion)

Tonight: St. Burnster & The Agnostic Five zu viert auf der großen Berliner Waldbühne. Es ist schon dunkel geworden, die Lichtshow beginnt zu wirken und auf der Bühne spielen wir mit den Schatten, die weit ins riesige Offen des Publikums hinein ragen. Wir tragen alle schwarz, die Augen schwarzumrandet. Meine Frau spielt Bass und singt die zweite Stimme, der verwegen gutaussehende H. drischt die Kessel zu Kleinholz, die zweite Gitarre, eine goldene Les Paul, bedient es der stämmige M. und ich halte das Mikrofon und die weiße Stratocaster. Vom Band erklingt das berüchtigte Kirchenorgelintro, H. aus W. zählt ein und wir spielen „The Blood“. Natürlich ist es eine laue Sommernacht, die Pärchen halten sich an den Händen, die einen tanzen, die anderen singen nur mit. Aber es sind tausende. Und nochmals tausende. Und sie nehmen uns mit nach Hause. Ein paar Sätze nur, ein paar Melodien. „I don’t believe in love, I just love the blood.“, werden sie summen in den U-Bahnen, den Autos und den Bussen, die sie heute nacht in ihr Bett bringen. Und wir werden uns einfach noch das ein oder andere Bier nehmen nach dem Auftritt und während die Roadies schon abbauen noch einmal auf die Waldbühne hinaustreten und ins endlich wieder leere Offen schauen, den Müll auf den Stühlen und auf dem Boden und uns fragen, ob wir das alles nur geträumt haben.

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Das dunkle Berlin

So, Captain, please consider me.
Let the boats deliver me.
When I close my eyes,
drive, captain, drive.
It’s time.

(Jets To Brazil – Cat Heaven)

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ch habe es gesehen, das dunkle Berlin, das Schwarz der Stadt, das man nur selten sieht. Das sich an den nasskalten Tagen, die den Winter einfach nicht abschütteln können, in ihren Nacken gebissen hat und das sich als schwarzes, nasses Blut über ihre Schultern bis hinunter auf den Asphalt windet. Das sich dann offenbart und aus den alten Gemäuern kriecht, das einen mit wilhelminischer Schwere erdrückt und einem den Platz zum Atmen abspenstig macht. Weil es da ist und da seit Jahrzehnten hingehört. Weil es dort vermutlich schon immer war. Weil es vermutlich einst dem slavischen Sumpf entstieg, der diese Stadt am Anfang ihrer Zeitrechnung war. An kalten Regentagen, die Säbelzähne des Winters noch im Nacken, zeigt es sich jenen, die es sehen wollen und jenen, die nichts anderes mehr sehen können. Es steigt aus der Spree pechschwarz und rabenhaft setzt es sich auf die Museumsinsel.

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Wie ein Schwarm schwarzer Vögel nimmt es Platz auf dem Pergamon-Museum und bleibt sitzen bis die Nacht anbricht. Es umwebt den Turm der Charité und hüllt die kettenrauchenden Patienten auf der Hauptterasse ein. Ein schwarzer, öliger Film und der Wind trägt ihn weiter. Das dunkle Berlin wartet unten auf der Straße und ich traue mich nicht die Treppen hinunter, warte an meinem Fenster, warte und warte darauf, dass es endlich wieder hell wird. Weil ich mit dem Licht sonst auch den Verstand verliere.

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Die Baltische See

Aus dem Arsch der Hölle komme ich gekrochen, langsam und mit Drohgebärden in Richtung Oberwelt. Dauerte eine Weile, dauerte eine Ewigkeit. Dauerte ein paar Monate, bis mich der Untergrund ausgekotzt hat. Per Schneesturm hoch in die Luft gewirbelt und an Ostern darnieder gekommen in einer irrwitzigen Geschwindigkeit in mein neues, diesmal kaltes Grab aus Wasser.

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Da haben sie nicht schlecht gestaunt an den Promenaden der wilhelminischen Perlenschnur. Die drei Kaiserbäder samt ihrer falschen Schlösser haben die Preise pro Nacht erhöht, weil es so ein Spektakel war, das gehörnte zehnköpfige Tier aus dem eiskalten Wasser kriechen zu sehen. Und mit ihm ein wenig die Sonne und mit ihm ein wenig die Wärme.

Notiz: Und noch Einer ist wieder aus der Hitze zurück!

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Aus der Hölle

In diesem Morast. In diesem dunkelschwarzen Urschleim aus Dämonenscheiße, gezuckert mit dem Gift und der Galle aus meinen Innereien. In diesem posttraumatischen Fratzenkabinett, diesem Irrgang ohne Irrlichter, in einem Irrenhaus mit nur einem einzigen Insassen. Mit der blinden Wut eines Amokläufers, aber der Ratio eines hauptberuflichen Schlachters. Die Killerinstinkte nicht mehr zielgerichtet. Selbst bluttriefend und aller Unterwelt augenfällig.

Hier bin ich nun. Hier stecke ich. Hier fang ich an, zu waten. Immer in der Hoffnung, meinen hässlichsten Schatten abzuschütteln im Laufrad der Zeit. Und die gute Nachricht ist: Ich kann mich wieder bewegen. Kann wieder kriechen, kann wieder kotzen. Kann wieder scheißen. Und mich einem Ausgang nähern. Wenn auch einem ungewissen. Das ist überhaupt der Schlüssel zur Oberwelt. Das Ungewisse. Mich mit ihm solidarisieren und es am Ende zu benutzen, um die zahlreichen Todfeinden da oben mit ihm zu Tode zu ängstigen. Denn wenn sie mit dem Ungewissen, der grässlichen Angst, nicht zu wissen, was morgen ist, auf ihrem Brustkorb in den terrestrischen Staub gequetscht werden, werde ich über ihnen stehen und weilen und schlussendlich mit meinem Fuß ihren hässlichen Schädel unter meinen Stiefeln knacken lassen.

Denn der Hass, der lässt sich von jetzt an nicht mehr leugnen. Es ist nur noch eine Frage, wer ihn abbekommt auf meinem Weg nach draußen, auf meinem Weg nach oben. Da gibt es diesen Fatzke, voller Angst und Zweifel, der da oben herum rennt, als wäre es der letzte Tag seiner Zeitrechnung. Und diese Missgeburt liebäugelt mit meiner Hölle, sie neidet mir meine dämonische Vita. Er denkt, wenn er mich umbringt, kommt er hinter mein Geheimnis. Die Schwärze erben würde er gerne. Doch die Rechnung ohne den Wirt zu machen, hat sich nur selten bewährt. Denn wenn ich in einigen Monaten oben angekommen bin, ist er der Erste der begleicht. Auge um verdammtes Auge, Zahn um verdammten Zahn.

Doch bis dahin dieser Morast. Das Jäten des eigenen Unkrauts, der Unwuchs, der Tumor in meinem Schädel. Der mein Hirn aufbläst bis meine Augen fast aus den Höhlen schwellen und ich dennoch nichts sehen kann. Weil es so verflucht dunkel hier unten ist, weil das Licht am Ende des Tunnels nur sein kann, wenn es tatsächlich ein beschissener Tunnel ist. Wenn es überhaupt ein Tunnel ist. Aber wir werden sehen.

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Vincent Maximilian Mayer, mach’s gut. Keine Ahnung, warum du am Ende keine Lust mehr hattest, dir das alles hier draußen anzuschauen. Wir sind ganz schön ratlos und ganz schön traurig.

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Maritimer Winterschlaf (ein Nachtrag)

Als wir letztes Jahr das erste Mal in Ahlbeck residierten, waren die Schatten noch nicht besonders lang und die Ostsee war noch nicht lange aus ihrem Winterschlaf erwacht. Der Sommer lauerte schon, aber wir wussten noch nicht, dass er eine ausnehmend zahme Bestie sein würde. Überall schwollen die Menschen aus den Hotels auf die Promenade. Alles war auf den Beinen. Neulich, 8 Monate später, sind wir wieder da gewesen und nahezu die einzigen. Das Meer hat sich zurückgezogen in seine verdiente winterliche Privatsphäre, der Strand ist geräumt und die Promenade ist seelenleer. Keine Sau kauft in den wenigen noch offenen Läden ein und die Hotels und Pensionen sind auf Notpersonal reduziert. Und ganz sicher nicht zu unrecht. Hatten wir einen Pool und ganze Hotel-Etagen für uns alleine? Hatten wir.

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zusammen halten

And don’t ever doubt the days.
As if they’re not apt to change now,
it’ll all come around.
So brace yourself and last.
(Hot Water Music – Keep It Together)

Ich bin da. Meine Leute sind da. Berlin ist ganz nah. Ich bin ganz wach. Und die Lieder sind noch da. Die meisten Blogger von früher gibt es auch noch und das Radio spielt, wenn ich es einschalte. Jede Woche die Sportschau und immer wieder die gleichen Serien im Fernsehen. Die Nachrichten sind täglich neu und bald steht da wieder ein Hochhaus auf Ground Zero. Und ich schreibe auf, was passiert und nenne die Dinge beim Namen. Und die Albträume gibt es wirklich. Und den Ungeist der Berliner Nächte habe ich in die Tage verbannt. Und es gibt immer etwas Neues. Ich bin ganz wach. Und es tun sich diese mörderischen Szenarien in meinem Kopf auf. Und es ist mein Herz, das brennt. Und da möge doch etwas lauern und liegen unter Wasser. Ich will nicht zur Ruhe kommen. Für keinen Wohlstand der Welt.

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